Acht Jahre nach der ersten Umfrage des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern (HSLU) zu den Regulierungsfolgen bei unabhängigen Schweizer Vermögensverwaltern, und vier Jahre, nachdem das Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und das Finanzinstitutsgesetz (FINIG) für die Schweizer Vermögensverwaltungsbranche Realität geworden sind, haben Adrian Willi und Sita Mazumder an der Hochschule Luzern die Situation in einer zweiten Umfrage neu erhoben. Ihre Ergebnisse fassen sie im folgenden Gastbeitrag zusammen:
«In der ersten Umfrage im Jahr 2016 sahen viele Vermögensverwalter die kommende Regulierung als das Ende für kleine, unabhängige Anbieter und erwarteten eine Konsolidierungswelle. Genau das ist infolge der Markets in Financial Instruments Directive (MiFID)-Verordnung in Deutschland geschehen. In der Schweiz ist jedoch die grosse Konsolidierungswelle bisher ausgeblieben.
Interessanterweise rechnen die Befragten aber weiterhin mit einer Phase der Marktkonsolidierung und etwas mehr als drei Viertel sind der Meinung, dass die Vermögensverwaltungsbranche in der Schweiz aufgrund der zunehmenden Haftungsrisiken insgesamt an Attraktivität verlieren wird. Aber schauen wir der Reihe nach kurz in die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie, mit dem Ziel herauszufinden, ob die im 2016 prognostizierten negativen Auswirkungen tatsächlich eingetroffen sind:
Die Struktur der Branche
Die Umfrage zeigt, dass die Unternehmen eher jung und klein sind. Drei Viertel der befragten Vermögensverwalter wurden seit der Jahrtausendwende gegründet. Zudem haben mehr als 50% drei oder weniger Vollzeitstellen im Kernbereich.
Erhöhtes unternehmerisches Risiko
Die Attraktivität der Branche wird negativ eingeschätzt. Mehr als drei Viertel der befragten Vermögensverwalter sind der Meinung, dass die neuen Vorschriften ein hohes Haftungsrisiko mit sich bringen. Darüber hinaus sagen über 85% der Befragten, dass sich die Branche verteuern wird wegen den höheren Regulierungs- und Compliance-Kosten.
Auswirkungen der Regulierungen
Die Erwartung hoher Compliance-Kosten war begründet, da die neuen Vorschriften strenge Anforderungen an Transparenz, Kundenschutz und Risikomanagement einführten. Die Werte aus der ersten Umfrage stimmen im Grossen und Ganzen mit jenen aus der aktuellen Erhebung überein, jedoch wird das Ausmass der Regulierungsfolgen jetzt viel weniger stark als existenzbedrohend eingeschätzt.
Vorteile der Regulierungen
Eine klare Mehrheit der befragten Vermögensverwalter sieht den zusätzlichen Nutzen über alle Bereiche hinweg als gering oder sogar sehr gering an, was den Ergebnissen der ersten Erhebung entspricht. Eine Ausnahme stellt der Bereich der verbesserten Dokumentation der Kundenarbeit dar: Hier bewerten 11,1% der Befragten den Nutzen als sehr hoch und weitere 29,6% als hoch.
Veränderte Anforderungen an Depotbanken
Bei der Erhebung 2016 erwarteten fast 70% der befragten Vermögensverwalter Unterstützung bei den durch FIDLEG und FINIG definierten Anforderungen. Dieser Wert hat stark abgenommen und liegt nun bei rund 36.6%. Die nun meist genannte Anforderung an die Depotbanken mit 39% ist die Bereitstellung einer Schnittstelle und die Aufbereitung der Daten.
Unabhängigkeit bewahren
Die Schweizer Vermögensverwalter sind nach wie vor sehr unabhängig und schätzen die unabhängige Entscheidungsfindung als Kern ihres Wertversprechens. Folglich gaben über 60% der Befragten an, dass die Bewahrung der bisherigen Unabhängigkeit ein zentraler Teil ihrer Geschäftsstrategie ist.
Outsourcing bei Kernprozessen
Die Akzeptanz von Outsourcing bei Kernprozessen hat stark zugenommen. Fast die Hälfte der Befragten nutzt entweder bereits ein Outsourcing im Bereich Compliance oder hat dieses zumindest geprüft. Zudem ist der Anteil der Vermögensverwalter, die kein Outsourcing vorsehen, von 39.9% bei der ersten Erhebung auf 7.5% zurückgegangen.
Zunehmende Digitalisierung
Die Bereitschaft, IT-Lösungen in allen Bereichen des Unternehmens einzusetzen, ist stark gestiegen. Fast 90% der Befragten gaben an, dass sie IT-Lösungen in den Kernbereichen (CRM, Portfolio Management und Compliance) ihres Unternehmens einsetzen oder zumindest geplant haben. Zum Vergleich mit der ersten Umfrage ist beispielsweise der Anteil jener, die keine IT-Unterstützung im Bereich CRM planten, von 45.5% auf jetzt 7.7% gesunken.
Einsatz von KI
Trotz der stark zugenommenen Offenheit für den Einsatz digitaler Lösungen sowie des Hypes um Künstliche Intelligenz (KI) ist die Verbreitung dieser Technologien in der Branche bisher äusserst gering. Nur gerade 3.8% der Befragten verwenden bereits KI-Lösungen zum Zeitpunkt der Erhebung. Das könnte sich jedoch ändern, denn 76.9% gaben an, dass sie sich zukünftig den Einsatz von KI durchaus vorstellen können.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Vermögensverwalter, wie bereits 2016 antizipiert, durch die Einführung neuer Vorschriften herausgefordert wurden, sich die Branche jedoch insgesamt seitdem oder vielleicht gerade deswegen gut behauptet hat.
Die zunehmende Integration digitaler Lösungen und die breite Akzeptanz von Outsourcing deuten darauf hin, dass aktiv nach Effizienzsteigerungen gesucht und entsprechende Lösungen umgesetzt werden.
Angesichts der Branchenstruktur der unabhängigen Vermögensverwalter sowie der wachsenden Regulierungsdichte und der Konkurrenzsituation wird die Nutzung von Künstlicher Intelligenz in Zukunft vermutlich zu einem wichtigen Erfolgsfaktor.»