In den ersten Jahren nach der Matura sah alles danach aus, als ob Felicia Kölliker dem Glück auf dem Rücken der Pferde nachjagen würde. Als Dressurreiterin war sie einige Jahre lang in der Nationalmannschaft der Jungen Reiter und unter anderem bei Schweizer- und Europameisterschaften erfolgreich. «Ich hatte das Glück, einen Mäzen gefunden zu haben», erinnert sie sich. Für ihn respektive seinen Reitstall zog die Baslerin nach der Matura nach St. Gallen und arbeitete neben der Reiterei parallel bei der Firma Huber+Suhner als Projektmanagerin.
Vom Pferd zur Uni
Mit der Zeit wurde die Doppelbelastung jedoch zu gross, und Felicia Kölliker musste einsehen, dass eine Karriere als Dressurreiterin mit zu vielen Unwägbarkeiten verbunden war. So entschloss sie sich, dem Pferdestall den Rücken zu kehren und sich der Universität zuzuwenden. Da sie noch keinen konkreten Berufswunsch hatte, wählte sie einen Lehrgang mit einer Kombination aus Wirtschaft und Recht – ein Studiengang, der an der Hochschule St. Gallen angeboten wurde. «Damit schuf ich mir ein gutes Fundament und Möglichkeiten in alle Richtungen», erklärt sie. Ihren Nebenjob behielt sie jedoch auch als Studentin bei. «Meine Eltern haben viel Wert darauf gelegt, dass ich mir mein Studium selbst verdiene», sagt sie. Das war zwar manchmal hart, aber rückblickend macht es sie auch stolz.
Mit dem Master in der Tasche zog sie nach Zürich und heuerte in einer Kanzlei als Anwaltssubstitutin an, doch das war noch nicht das Richtige für sie. «Ich hatte nie eine konkrete Karriereplanung vor Augen, aber mir war immer wichtig, mit spannenden Menschen und Inhalten zu arbeiten», sagt sie. Und was damals als spannendes Thema immer wichtiger wurde, war der Bereich Compliance. Also hat sie ein entsprechendes Nachdiplomstudium angehängt und stieg als Compliance Officer bei der Postfinance in Bern ein.
Dort ist sie bis heute geblieben, verantwortet mittlerweile als Chief Risk Officer die vier Bereiche Governance, Risk, Legal und Compliance und ist Vorgesetzte von mehr als hundert Mitarbeitenden. Ihren Führungsstil beschreibt sie mit einem Augenzwinkern und in Anlehnung an die gleichnamige TV-Serie aus den späten 1970er-Jahren als «hart, aber herzlich». «Ich erwarte hohe Leistung, bin dabei jedoch unterstützend und wertschätzend», sagt sie. Denn letztlich wären sie alle da, um dem Unternehmen einen Mehrwert zu bringen.
Zu wenig Bewerbungen von Frauen
Die vielseitigen Inhalte ihres Geschäftsbereichs ziehen gleich viele Frauen wie Männer an. Nur wenn es um die vier Bereichsleitungen geht, findet sich kein weiblicher Vorname. «Ich hätte gerne eine Frau in meinem Leitungsteam, aber es haben sich bei Vakanzen leider nie passende Profile gemeldet», bedauert Felicia Kölliker. Sie erlebt es immer wieder, dass sich Frauen aufgrund ihres Kinderwunsches bewusst gegen eine Führungskarriere entscheiden. Was das angeht, hält Felicia Kölliker lachend fest, dass sie mit dem «besten Mann der Welt» glücklicherweise eine sehr komfortable Situation hat.
Sie haben sich gemeinsam bewusst für Kinder entschieden und vorher vereinbart, dass er derjenige sein wird, der die Kinder primär versorgen und vermehrt zu Hause bleiben würde, während die Mutter weiter zu 100 Prozent ihrem Beruf nachgeht. «Natürlich war das trotzdem eine sehr herausfordernde Zeit, ich war gerade frisch in der Geschäftsleitung, als die Kinder noch klein waren», erinnert sie sich. Aber letztlich sei alles eine Frage der Organisation und des richtigen Partners. «Wenn der Partner bereit ist, die Familie mitzutragen, geht alles», ist sie überzeugt.
Die Kinder sind mittlerweile neun und elf Jahre alt und durch ihre Tochter ist Felicia Kölliker nun auch wieder zurück zu ihrer früheren Leidenschaft, dem Reiten, gekommen. Sie besitzen seit einiger Zeit gemeinsam ein junges Sportpony, und ihre Mutter bildet Reiterin und Pferd mit viel Freude aus. «Das ist eine Leidenschaft, die man nie verliert», sagt sie. Und die einen im Umgang mit dem Lebewesen viel lehrt, wie zum Beispiel diszipliniert und konsequent zu agieren und auch Details Beachtung zu schenken. Etwas, was Felicia Kölliker bei ihrer Karriere sicher zugutegekommen ist.
Funktion: Chief Risk Officer
Jahrgang: 1977
Familie: verheiratet, zwei Kinder
Ausbildung: M.A. HSG in Legal Studies, Universität St. Gallen; Executive MBA, International Institute for Management Development (IMD), Lausanne; Diploma of Advanced Studies in Compliance Management, Hochschule Luzern/Institut für Finanzdienstleistungen (IFZ), Zug
Karriere: Postfinance AG (seit 2009: Leiterin Compliance, Bereichsleiterin Regulation, Projektleiterin); Malik Management, Zentrum St. Gallen; Huber+Suhner AG
Unternehmen: Die Postfinance gehört zu den führenden Finanzinstituten der Schweiz und ist für über 2,5 Millionen Menschen die zuverlässige Partnerin für Privat- und Geschäftskunden, die ihre Finanzen selbstständig verwalten möchten.