Santosh Ritter, was beschäftigt Sie momentan als CEO von Visa Schweiz am intensivsten?

Vielleicht noch eine kurze Einordnung ganz am Anfang, wenn Sie erlauben. Und lassen Sie uns gleich auf Ihre Frage zurückkommen. Wenn ich mich vorstelle, dann sagen die meisten Leute: «Ah ja, Visa – Kreditkarten, Debitkarten.» Aber wir sind kein Kreditkartenunternehmen, kein Debitkartenunternehmen, sondern ein Technologieunternehmen – natürlich mit dem Fokus auf das Payment-Geschäft.

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Meine Aufgabe ist es, jeden Tag mit dem gesamten Team sicherzustellen, dass wir Zahlungen so einfach, schnell und sicher machen wie möglich. Gestatten Sie mir eine Frage an Sie. Es wird die einzige sein: Was glauben Sie: Wie viele Cyberangriffe sehen wir bei Visa pro Monat?

Versuchte Angriffe weltweit? Ich schätze eine Million pro Monat.

Es sind im Monat zwischen 400 bis 500 Millionen Cyberangriffe. 

400-mal mehr, als ich geschätzt habe.

Genau. Und daraus sehen Sie schon, wie unglaublich wichtig Sicherheit für uns ist. Wir haben in den letzten fünf Jahren über 10 Milliarden Dollar in die Sicherheit und den Ausbau unseres Netzwerks investiert. Visa beschäftigt über tausend Cyber-Security-Spezialisten, die unser Netzwerk schützen und sicherstellen, dass Zahlungen abgesichert sind.

Zur Person Santosh Ritter

Santosh Ritter ist seit Dezember 2020 Country Manager Switzerland & Liechtenstein von Visa.

Ist es genau dieses Thema, das Sie momentan am intensivsten beschäftigt?

Klar, dies ist ein globales Thema, aber es ist natürlich auch für uns hier in der Schweiz hochrelevant. Und hier beschäftige ich mich intensiv mit der Frage, wie wir Sicherheit auch in andere Zahlungsformen übertragen können. Denn Vertrauen ist extrem wichtig, wenn es ums Bezahlen geht. Sicherheit ist die Basis für dieses Vertrauen. Gleichzeitig geht es aber auch um Stabilität: Wenn jemand mit der Visa-Karte eine Transaktion macht, haben wir heute 27 verschiedene Möglichkeiten, diese Transaktion zu routen. So sichern wir ab, dass alles reibungslos abläuft.

Wie viele Transaktionen kommen täglich zusammen?

Wir verarbeiten bei Visa pro Tag im Schnitt mehr als 800 Millionen Transaktionen. Alle diese 800 Millionen Transaktionen prüfen wir in Echtzeit auf mehr als 500 Risikoattribute – also wirklich innerhalb eines Wimpernschlags.

Und somit konnten wir alleine im letzten Jahr über 40 Milliarden US-Dollar respektive 35 Milliarden Schweizer Franken Betrugsschäden in unserem Netzwerk verhindern.

Das ist nicht ganz uneigennützig. Sie haben ja gesagt: Die Leute müssen Vertrauen in die Technologie haben, damit sie benutzt wird. Und so verdient Visa letztlich ihr Geld.

Ja, das ist richtig. Wenn die Leute einem Zahlungsmittel nicht vertrauen, dann werden sie es einfach nicht nutzen. Darum haben wir massiv investiert, und investieren auch weiter. Zum Beispiel unterhalten wir ein privates Telekommunikationsnetzwerk, mit rund 38 Millionen Kilometer Leitungen.

Das ist rund 900-mal um den Globus. Ein Riesenaufwand …

Doch das hat dazu beigetragen, dass Kartenzahlungen heutzutage zu den sichersten Zahlungsmethoden gehören. Die Betrugsrate bei Visa-Zahlungen liegt weltweit unter 0,1 Prozent – eben weil wir so massiv in Sicherheit und Risikomanagement investieren.

Was ist die Tätigkeit, die Sie bei Visa am intensivsten beschäftigt?

Überall, wo Geld bewegt wird, wollen wir eine Rolle spielen. Momentan ist Instant Payment ein Thema: Wir wollen mitgestalten, in welche Richtung es geht.

Aus welchem Grund?

Wir glauben fest daran, dass unser Know-how aus der Kartenwelt relevant ist. Unser Wissen rund um Risikoprüfung in Echtzeit – ich habe es vorhin kurz angesprochen – wollen wir bei Account-to-Account-Payment einbringen. Dafür sind wir mit verschiedenen Banken bereits im Austausch.

Das klingt nach interessanten Neuigkeiten.

Warum glauben wir, dass wir das können? (schmunzelt) Heute reden alle von Artificial Intelligence. Für uns bei Visa ist das nichts Neues. Wir setzen bereits seit über dreissig Jahren auf rechnerunterstützte Risikoanalyse. Wir können für eine Transaktion in Echtzeit das Risiko berechnen – und mit Generativer AI das alles heutzutage viel weiter treiben. Kurzum: Wir versuchen, unser Wissen einzubringen.

Das gesammelte Know-how, das sich Ihre Firma über Jahrzehnte erarbeitet hat, werden Sie wohl nicht kostenlos anderen Firmen zur Verfügung stellen, oder?! Stattdessen werden Sie Lizenzgebühren oder etwa Dienstleistungen in Rechnung stellen wollen. 

Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist unser strategischer Ansatz wichtig: Wir nennen uns Network of Network, das Netzwerk der Netzwerke. Wir überlegen bei all den Entwicklungen einerseits, wo wir im Wettbewerb stehen, und anderseits, wo wir kooperieren können.

Viele Unternehmen im Payment-Sektor wollen das Gleiche wie wir: das Zahlen schneller, einfacher und sicherer machen. Wir sagen: Wir wollen mithelfen, ein Instant-Payment-System sicherer zu machen.

Jetzt haben Sie meine Frage gut umschifft.

(Schmunzelt erneut und setzt sich gerade auf.) Das kommerzialisieren wir, logischerweise. Es ist jetzt aber nicht so, dass ich schon irgendeine Preisliste hätte, sondern die Diskussionen finden erst statt.

Aber das kommt? Es ist ein Ziel von Visa, die jahrzehntelange Erfahrung bei Echzeitzahlungen zu Geld zu machen?

Genau. Und eben auch, dass wir mithelfen, Zahlungen auch in anderen Bereichen sicherer zu machen. Wissen Sie, Sicherheit ist nicht selbstverständlich, sondern erfordert massiven Ressourceneinsatz – stiftet zugleich aber auch einen hohen Nutzen. Dass dies nicht kostenlos ist, das versteht sich von selbst.

Dennoch: Unser Ziel ist, mitzuhelfen, das Vertrauen, das die Leute bereits in die Karten haben, auch in diese Account-to-Account-Welt einzubringen. Insbesondere bei Instant Payment.

Warum ist das so wichtig?

Weil bei Instant Payment das Geld sofort weg ist. Es gibt keinen Mechanismus, wie man das Geld zurückholen kann, wenn die Zahlung einmal über die Bühne gegangen ist. 

Themenwechsel: Wie stehen Sie zu digitalem Notenbank-Geld? Zwischen den Befürwortern und Gegnern von Wholesale-CBDCs oder Retail-CBDCs ist ein wahrer Glaubenskrieg entbrannt. Sehen Sie da Probleme?

Nein, ich weiss nicht, warum man sich jetzt für oder gegen das Eine oder das Andere entscheiden muss. Visa ist ein Technologieunternehmen. Unser Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass unsere Kunden, die Menschen und die Händler Zugang zu Technologien haben. Niemand kann heute schon sagen, was sich am Ende des Tages durchsetzt. Das liegt nicht an uns. 

Im Übrigen: Der Zwei-Layer-Ansatz von Zentralbank und Geschäftsbanken hat sich bewährt in den letzten hundert Jahren.

Was sagen Sie zu Bargeld? Wird es langfristig verschwinden?

Nein, das glaube ich nicht. Es gibt nach wie vor Situationen, in denen Bargeld Sinn macht. Und Menschen, die gerne mit Bargeld bezahlen. Und auch Händler, die nach wie vor Bargeld schätzen.

Die Nutzung von Bargeldzahlungen nimmt jedoch laufend ab. Mittlerweile sind wir bei Konsumentenzahlungen zwischen 25 und 30 Prozent. Das bargeldlose Zahlen hat sich während Corona massiv beschleunigt. Mit dem Ende der Pandemie hat sich das nicht wieder umgekehrt und der Grund ist einfach: Die Menschen haben gemerkt, welche Vorteile sie haben, wenn sie mit der Karte bezahlen. Es ist schneller, einfacher und sicherer.

Als Schweiz-CEO eines Paytechs ist Ihre Aussage keine Überraschung …

Wir stehen als Paytech für Wahlfreiheit. Das ist für mich absolut zentral. Wir möchten, dass sowohl die Konsumenten, aber auch die Händler entscheiden können, wie sie bezahlen respektive bezahlt werden.

Wie läuft es so bei Visa Schweiz?

Sehr gut. Wir haben ein starkes Wachstum gesehen in den letzten Jahren, natürlich sehr stark getrieben von den Kartenzahlungen, wo über zwanzig Banken und Fintechs mittlerweile Visa-Debit-Karten herausgeben. Noch vor einigen Jahren war Visa in der Schweiz in diesem Bereich kaum präsent. Darum sind wir sehr zufrieden.

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