Frau de Riedmatten, Sie sind HR-Direktorin bei der Walliser Kantonalbank (WKB). Was hat Sie bei der WKB als Arbeitgeberin überzeugt, dass Sie bei dieser Bank eingestiegen sind?
Zu Beginn meiner Karriere hätte ich nie gedacht, dass ich in den Bank- oder Finanzbereich gehen würde. Ich hatte immer das Glück, in meiner beruflichen Laufbahn gute Gelegenheiten zu haben, die ich auch ergriffen habe.
Doch mein früherer Arbeitgeber in Zürich war sehr gross, und ich hatte das Gefühl, nicht genügend direkten Einfluss zu haben, um die Strategie positiv zu beeinflussen. Und dann gab es die Gelegenheit bei der Kantonalbank. Ein Freund aus dem Wallis schrieb mir eine SMS, «Aline, komm zurück ins Wallis!», was für mich nie wirklich eine Option gewesen war.
Ich dachte, im Wallis fehlen mir die Anregungen und Innovationen. Und das Bankenumfeld war für mich nicht so attraktiv, denn ich hatte die falsche Wahrnehmung eines altmodischen Umfelds. Doch während des Interviewprozesses hat mich die WKB wirklich überzeugt. Ich habe sofort gemerkt, wie dynamisch und beweglich diese Bank ist und dass die Kapazitäten ebenso vorhanden sind wie der Wille, sich weiterzuentwickeln. Daraufhin beschloss ich, mit meiner ganzen Familie ins Wallis zu kommen. Ich konnte mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.
Was macht die Walliser Kantonalbank denn innovativ?
Die Führung der Bank hat eine klare Vision und führt zahlreiche Projekte zur Digitalisierung, zu Prozessen, Effizienz etc. durch, wobei der Mensch immer im Mittelpunkt steht. Sie entwickelt und verbessert ihre Produkte und Dienstleistungen in allen Bereichen, da die WKB ja eine Universalbank ist. Das Verhalten der Kunden ändert sich schnell und dies erfordert eine sehr hohe Anpassungs- und Antizipationsfähigkeit. Bei der Rekrutierung neuer Kompetenzen und der Erneuerung des Personals stehen daher grosse Herausforderungen an.Das Beispiel der künstlichen Intelligenz sagt alles. Seit einigen Monaten beschleunigt sich in diesem Bereich alles. Es gibt ein enormes Potenzial für Weiterentwicklungen in allen Tätigkeitsbereichen.
Um auf das Stichwort «Innovation» zurückzukommen: Das HR ist ja eher ein reguliertes Feld. Gibt es dabei trotzdem Innovationen?
Ja, sicher. Wegen der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz gibt es überall im HR Veränderungen. So etwa im Recruiting, bei den Entwicklungsmöglichkeiten, in der Administration ... wirklich überall. Das HR von gestern und das HR von morgen sind zwei vollkommen verschiedene Berufsbilder.
Wie genau verändert denn die künstliche Intelligenz das HR?
Prozesse mit geringem Mehrwert werden automatisiert, Daten korreliert, um Vorhersagen zu treffen, Schulungen durchgeführt, Hilfe bei Entscheidungsprozessen geleistet usw. Neue Berufe entstehen und andere verschwinden. Es gibt viele Unternehmen, die KI für das Screening von Bewerberinnen und Bewerbern nutzen. Viele finden das nicht gut, weil die Emotionen dabei fehlen. Trotz allem ist es für mich ein sehr spannendes Thema. Interessanterweise hatte ich letzthin im Rahmen eines Hackathons für künstliche Intelligenz mit einem dieser Prototypen zu tun, der nicht nur Technical Skills, sondern auch Cultural Fits von Bewerberinnen und Bewerbern evaluiert. Es hat funktioniert, das heisst, die Maschine konnte herausfinden, ob jemand kulturell fit ist oder nicht! Hier sieht man direkt die enormen Auswirkungen, die künstliche Intelligenz in den nächsten Jahren auf diesen Bereich haben wird. Insgesamt wird KI dem HR dabei helfen, das Mitarbeitererlebnis zu verbessern und die gesamte Organisation effizienter zu machen.
Aber ohne Emotionen kann eine Maschine doch kaum abschätzen, ob jemand zum Unternehmen passt, oder?
Die Maschine kann das zwar nicht genau abschätzen, aber sie kann einen ersten Schritt machen.
Verwenden Sie bei der WKB aktuell künstliche Intelligenz im HR-Bereich?
Nein, das angesprochene Projekt fand im Rahmen eines Hackathons im experimentellen Modus statt. Was sicher bald kommen wird, so hoffen wir, ist ein Chatbot für die Untertstützung der HR-Administration, damit sich unsere HR-Assistentinnen und HR-Assistenten auf Themen mit höherem Mehrwert konzentrieren können. Wir sind auch am Evaluieren, wie KI in unserem zukünftigen HR-Informationssystem HRIS integriert werden kann, denn wir werden alle unsere Prozesse überprüfen.
Aline de Riedmatten, 47, lebt mit ihrer Familie in Sion. Sie hat einen Master-Abschluss in Erziehungswissenschaften der Universität Genf sowie verschiedene Fortbildungen im Bereich Human Resources, Leadership und Coaching an Schulen in der Schweiz, England und Luxemburg absolviert.
Seit November 2021 ist de Riedmatten als Leiterin der Personalabteilung und der internen Kundenbetreuung bei der WKB in Sion tätig. Zuvor war sie bei Orbium, einem Accenture-Unternehmen im Bereich Wealth Management in Zürich, tätig.
Halten Sie es für absehbar, dass vielleicht in fünf oder zehn Jahren auch Vorstellungs-gespräche oder grosse Teile des HR mit künstlicher Intelligenz durchgeführt werden?
Für mich lautet die Devise: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Wir können mit KI viel machen, müssen aber den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg.
Wie hat sich das HR generell verändert?
Ich denke, dass es lange Zeit ein sehr administrativer Bereich war. Nun ist das HR eher ein strategischer Bereich – das HR als Businesspartner. Die erforderlichen Kompetenzen haben sich stark verändert: IT, Data, Kreativität, Visionen, Innovationen und Empathie braucht es mehr denn je. Wir vom HR sind echte Partner für die Geschäftsleitung, damit die Ziele garantiert erreicht werden.
Wie wichtig ist es dann in dem Zusammenhang, dass das HR sich auch mit dem Kerngeschäft der Bank wirklich auskennt?
Es ist schon wichtig, das Bankgeschäft im Kern zu verstehen, denn das Bankwesen ist wegen der grossen Vielfalt an Berufen (über 100 Funktionen) sehr interessant, aber auch extrem reguliert und komplex. Wie ich bereits sagte, ist das HR ein Geschäftspartner. Je besser man das Geschäft versteht, desto mehr Wert kann man schaffen.
Ich möchte auf den Begriff HR, Human Resources, zu sprechen kommen. Was haben Sie als jemand, der schon sehr lange in diesem Bereich arbeitet, für einen Zugang zu diesem Begriff? Können wir Menschen wirklich als Ressourcen sehen, oder ist das nicht wahnsinnig entmenschlichend?
Als ich bei der WKB anfing, arbeitete ich zunächst an unserem Auftrag und unserer HR-Vision. Und in diesem Prozess habe ich der Abteilung auch eine neue Bezeichnung gegeben. Wir nennen uns also nicht mehr Human Resources, sondern Human Relations. Dies soll zeigen, dass die Nähe zu den Menschen für uns wichtig ist, da unsere Mitarbeitenden unser Reichtum sind. Sie sind es, die unsere Bank zu einer einzigartigen Arbeitgeberin machen.
Und wie kam das bei der Bank an?
Die Mitarbeitenden waren überrascht, aber zufrieden. Wir spüren heute eine gute Verbindung zwischen dem HR und unseren Mitarbeitenden.
Zum Schluss: Was wird in Zukunft viel Raum im HR der Banken einnehmen?
Neben dem Thema Digitalisierung sind sicherlich das Talent-Management, die Talentbindung und der Nachwuchs eine grosse Herausforderung. In den nächsten zwei bis fünf Jahren werden bei unserer Bank fast 20 Prozent der Belegschaft in Pension gehen. Die Arbeitgebermarke wird den Unterschied machen! Auch Themen wie Diversität, Inklusion, Engagement, Weiterbildung und Leadership stehen im Mittelpunkt aller unserer Projekte.