Noch ungelöste Probleme in China und die Rezession in Deutschland schlügen sich auch auf die wirtschaftliche Entwicklung in der gesamten EU nieder, meint Thomas Stucki, CIO der SGKB. Das prognostizierte Wachstum von etwa 0,9 Prozent im kommenden Jahr sei vor allem auf ein solides Wachstum von voraussichtlich etwa 2 Prozent in Spanien zurückzuführen.
Auswirkungen auf die Schweiz
Der DAX lief heuer trotz Rezession in Deutschland gut, obwohl die Wirtschaft leidet. «Das hat Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft», stellt Thomas Stucki fest. Die Schweizer Wirtschaft sei momentan zweigeteilt. Bei den Industriefirmen sei die Lage schlecht, wenn man die Auftragseingänge anschaue. Der Schweizer Binnenmarkt hingegen sei intakt.
Insgesamt sieht Stucki die Schweizer Konjunkturentwicklung im leicht Positiven: «Wir gehen nicht davon aus, dass es noch schlechter wird. Wir gehen davon aus, dass es langsam besser wird.» Die ökonomische Entwicklung in den USA laufe deutlich besser als in Europa. Die Inflationsraten seien relativ stark zurückgekommen.
Mietzinsen haben grossen Einfluss
Aus Sicht der Zentralbanken sei der Weg nun frei für die Zinssenkungen. In der Schweiz fallen die hohen Mieten mit 20 Prozent im Inflationskorb ins Gewicht. Da weitere Steigerungen wegen der fallenden Leitzinsen wohl ausbleiben, rechnet die SGKB damit, dass die Inflationsrate im Inland nächstes Jahr noch weiter sinken dürfte.
«In der Schweiz sprechen wir ja schon von Deflation», merkt Stucki an. Diese sei in der Schweiz immer wieder über kürzere Zeit Realität gewesen, und deswegen habe er keine Angst vor einer deflationären Phase: «Wenn die Schweiz mal null Inflation hat oder vielleicht sogar leicht negativ für zwei, drei Monate, wie wir das in der Vergangenheit ab und zu hatten, dann ist das aus meiner Sicht auch nicht ein Problem», gibt Stucki Entwarnung.
Neue Tiefzinsphase kommt
Die Nationalbank ist daran, die Zinsen zu senken, im Schlepptau der anderen Zentralbanken. In der Schweiz erwarten die Experten und Expertinnen eine Zinssenkung im Dezember. Die SGKB sieht das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht und erwartet wegen des erstarkenden Franken weitere Leitzinssenkungen der SNB auf 0,5 Prozent und eventuell noch mehr: «Wir sind der Meinung, dass negative Zinsen aus Inflationssicht nicht nötig sind. Nichtsdestotrotz spricht die Nationalbank von möglichen Negativzinsen», so Stucki heute Morgen vor den Medien in Zürich.
Tiefere Hypozinsen wären die Folge
Tiefzinsphasen begünstigen Wachstumsaktien, machen Obligationen unattraktiv und befeuern in der Regel die Bautätigkeit. Auch Immobilienbesitzer können sich auf 2025 wohl freuen, falls Thomas Stucki mit seiner Prognose fürs kommende Jahr Recht behält: Im Gleichschritt mit den Zinssenkungen der SNB werden auch die Hypozinsen weiter sinken. Dies zöge in der Folge eine Dämpfung der Mietzinsen nach sich, was bei einigen Mieterinnen und Mietern für einen Entlastungsseufzer sorgen könnte.
Um einen zu schnell aufwertenden Franken zu verhindern, bleibt der Nationalbank – neben den erwähnten Zinssenkungen – in den Augen des Chief Investment Officers nur die Intervention am Devisenmarkt. Immerhin habe die SNB ihren Devisenberg zwischenzeitlich stark abgebaut. Die Schweizer Währungshüter scheinen also auch in den Augen der SGKB-Experten gewappnet für das schon bald beginnende Tiefzinsjahr 2025.
- These 1: Warten auf den Aufschwung. Die Unsicherheit bezüglich der weltwirtschaftlichen Entwicklung bleibt bestehen. Die heute regional stark differenzierte Wirtschaftsdynamik wird auch das Jahr 2025 prägen. Thomas Stucki, Chief Investment Officer der SGKB: «Der Aufschwung bleibt in den meisten Regionen verhalten.» In Europa dürfte die Wachstumsschwäche wegen fehlender Impulse anhalten. In China wird sich das Wachstum verlangsamen. «Die USA werden das wirtschaftliche Zugpferd bleiben», sagt Thomas Stucki voraus.
- These 2: Tiefe Zinsen mit starkem Franken. Nach einer Phase hoher Zinsen zur Eindämmung der Inflation stehen nun wachstumsfördernde Massnahmen im Vordergrund. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) steht im Spannungsfeld zwischen Preisstabilität und Konjunkturförderung sowie einer Wechselkurssteuerung, die eine übermässige Aufwertung des Frankens verhindern soll. «Die SNB hat dazu zwei Optionen: entweder die Zinsen weiter zu senken oder vermehrt am Devisenmarkt zu intervenieren», sagt Thomas Stucki.
- These 3: Attraktive Aktien im Tiefzinsumfeld. Die Aktien bleiben auch im Jahr 2025 trotz hoher Bewertungen eine attraktive Anlageklasse. Im Tiefzinsumfeld ist die Attraktivität von Aktien als Renditequelle weiterhin unbestritten. Dominik Schmidlin, Leiter Anlagestrategie und Analyse bei der SGKB empfiehlt: «Im volatilen Umfeld bleibt der defensive Schweizer Aktienmarkt mit seinen starken, exportorientierten Unternehmen und der stabilen Dividenden ein sicherer Hafen.»
- These 4: Sicherheit mit Gold. Der Goldpreis ist 2024 über 30 Prozent gestiegen. Dominik Schmidlin: «Anlegende, die einen sicheren Hafen suchen, werden deshalb weiterhin auf Gold setzen. Gold wird daher auch auf dem aktuellen Preisniveau seinen Ruf als verlässliche Absicherung gegen Unsicherheit festigen.»
- These 5: Bitcoin ist nicht das neue Gold. Bitcoin wird oft als das neue Gold bezeichnet. Der Unterschied: Gold ist ein physisches Edelmetall, während Bitcoin auf digitalem Programmcode basiert. Thomas Stucki erklärt: «Während sich Bitcoin und andere Kryptowährungen in der Praxis noch nicht als stabiles Wertaufbewahrungsmittel etabliert haben, erfüllt Gold diese Rolle seit Jahrhunderten. Bitcoin hingegen reagiert sensibler auf makroökonomische und geopolitische Ereignisse und weist eine hohe Korrelation zu den Aktienmärkten auf, was den Charakter als sicherer Hafen infrage stellt.» (pd/ajm)