In der Schweiz herrscht seit der Zeit des CS-Niedergangs der Eindruck, die ZKB sei relevanter denn je. Es muss Sie als ZKB-CEO doch freuen, dass Ihre Bank durch die neue Situation eine so wichtige Stellung einnimmt, oder etwa nicht?
Die beiden Aspekte sind losgelöst voneinander zu betrachten. Wir bedauern das Ende der Credit Suisse, hätten es uns anders gewünscht. Sie war eine bedeutende Geschäftsbank und für uns eine wichtige Partnerin, mit der wir gut zusammengearbeitet haben.
Durch die Grossbankenfusion hat die Zürcher Kantonalbank in der Schweiz automatisch eine andere Stellung erhalten. Wir sind neben der UBS die einzige Schweizer Universalbank, die sämtliche Produkte und Dienstleistungen anbietet und sämtliche Kundensegmente bedienen kann. Auch anspruchsvolle Bedürfnisse wie etwa Handels- und Exportkredite, komplexe Unternehmensfinanzierungen oder Kapitalmarkttransaktionen decken wir vollständig ab. Dennoch: Den gesamten Schweizer Markt können wir aufgrund unserer Grösse nicht bedienen. Wir benötigen globale Kooperationspartner – seien es global tätige Schweizer Banken oder auch ausländische Finanzinstitute.
Sie sagen, Sie bedauern den CS-Niedergang. Die Kollegen der «Bilanz» schrieben Anfang des Jahres aber: «Urs Baumann reitet auf der perfekten Welle.» Auch wenn es der Schweizer Finanzplatz gerade schwer hat, könnten die Zeiten für die ZKB kaum besser sein …
Die Zürcher Kantonalbank ist in der Tat sehr gut positioniert und erfolgreich. Wir befinden uns in einer komfortablen Situation und können uns auf Basis unserer Stärken weiterentwickeln.
Ist der Wettbewerb mit nur noch zwei grossen Schweizer Universalbanken überhaupt gewährleistet?
Ja, der Wettbewerb hat sich sogar intensiviert. Viele Kundinnen und Kunden orientieren sich neu, ebenso die Banken. Beispielsweise haben viele ausländische Banken ihre Präsenz hierzulande ausgebaut. Wir selbst halten an unserer erfolgreichen Strategie und an unserer bewährten Risikopolitik fest. Wir wachsen kontrolliert und verantwortungsvoll – im Einklang mit dem Wachstum des Kantons. National orientierte Grossfirmen spürten die veränderten Marktverhältnisse am stärksten. Deren Bedürfnissen können wir im Verbund mit anderen Kantonalbanken ebenfalls nachkommen – mit Konsortialkrediten von gut einer Milliarde pro Transaktion. Zudem ist die Zürcher Kantonalbank führend bei Kapitalmarkttransaktionen für Schweizer KMU.
Urs Baumann (1967) ist seit 1. September 2022 Vorsitzender der Generaldirektion der Zürcher Kantonalbank. Er verfügt über langjährige Erfahrung im nationalen und internationalen Management als Verwaltungsratsmitglied, Gruppen-CEO, Geschäftsführer und Managing Director. Seine Karriere startete er 1993 als Berater bei McKinsey & Company in Zürich. Ab 1998 sammelte er Berufserfahrung im Finanz- und Bankensektor bei Swisscard in Horgen, Barclays Bank PLC in London, Lindorff Group in Oslo und Bellevue Group AG in Küsnacht. 2015 wurde Urs Baumann Mitgründer der Blue Earth Capital AG in Zug (ehemals PG Impact Investments AG), die er bis März 2022 als CEO leitete. Urs Baumann hat einen Master of Arts der Universität St. Gallen und einen MBA-Abschluss der Universität Chicago Booth School. Er ist Verwaltungsrat der Schweizerischen Bankiervereinigung, Vizepräsident des Verbands Schweizerischer Kantonalbanken, Vorstandsmitglied der Zürcher Volkswirtschaftlichen Gesellschaft und Vizepräsident der ZKB Philanthropie Stiftung.
Hat der CS-Niedergang für Sie als CEO das Stresslevel erhöht? Sodass Sie denken, jetzt noch mehr Verantwortung für den Finanzplatz zu haben? Denn wenn Sie als Chef einer systemrelevanten Bank eine strategisch falsche Entscheidung treffen, hat das mittlerweile eben mehr Auswirkungen als noch zu Zeiten Ihrer Vorgänger …
Die Grossbankenfusion hat uns als Zürcher Kantonalbank stärker ins Rampenlicht gerückt und uns während der anspruchsvollen Zeit noch stärker gefordert – das ist so. Und mit der neuen Stellung auf dem Schweizer Finanzplatz geht eine noch stärkere volkswirtschaftliche Verantwortung einher. Dieser sind wir uns bewusst und nehmen sie gern wahr – ob im Wirtschaftsraum Zürich oder schweizweit.
Unser Leistungsversprechen der nahen Bank lösten wir in dieser auch für die Kundschaft herausfordernden Situation mehr denn je ein. Gleichwohl ist nochmals zu betonen, dass wir kontrolliert und verantwortungsvoll wachsen. Unser selektives Wachstum in spezialisierten Segmenten trägt zusätzlich zur Diversifikation und zur Stärkung der Sicherheit unserer Bank bei.
Verantwortung für den Finanzplatz übernehmen wir auch gemeinsam mit dem Verband der Schweizerischen Kantonalbanken. So haben wir beispielsweise grosse Anstrengungen unternommen, um die pauschale Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen abzuwenden. Diese hätte massive Auswirkungen auf den Bankenplatz und die Realwirtschaft gehabt. Gute Regulierungen unterstützen wir, aber sie müssen effektiv und zielführend sein. Jetzt sind wir auf dem richtigen Weg, etwa, wenn wir den Bericht des Bundesrats anschauen.
Lassen Sie uns zu den Kundinnen und Kunden der ZKB kommen: Sie haben diese Anfang des Jahres bei den Kontogebühren entlastet. Zusätzliche Regularien, die womöglich anstehen, könnten am Ende aber nun doch die Kundinnen und Kunden treffen. Ist das denn zu erwarten?
Eine verlässliche Aussage dazu ist aktuell noch nicht möglich. Dies ist davon abhängig, was Politik und Regulator schlussendlich umsetzen. Klar ist: Mehr Regulation führt zu mehr Kosten. Und diese werden teilweise auch von den Kundinnen und Kunden getragen werden müssen.
Bei ZKB Banking ist uns wichtig, dass alle profitieren – Neu- und Bestandeskundinnen und -kunden, unabhängig vom Vermögen. Attraktiv ist das kostenlose Alltagsbanking insbesondere für Kleinsparer, dieses Kundensegment spürt den Effekt am stärksten. Ein Zinsunterschied auf einem Sparkonto mit rund 5000 Franken mag vernachlässigbar sein. Fallen hingegen 50 oder 80 Franken Gebühren weg, ist dies lukrativ.
Sie nennen die fehlenden Kontogebühren eine echte Ersparnis. Kritische Stimmen sagen, man müsse auf das Gesamtpaket aus Zinsen und Gebühren schauen. Wie treten Sie dem Vorwurf entgegen, dass die Abschaffung der Kontogebühren nicht mehr als ein Marketingtrick der ZKB war?
Im Marktvergleich ist ZKB Banking ein sehr attraktives Gesamtpaket. Wie das vorherige Beispiel zeigt, entspricht die Abschaffung der Gebühren auf Konto und Debitkarte einer Ersparnis von rund 1 Prozent. Die Zinsunterschiede unter den Mitbewerbern sind oftmals geringer. Somit profitieren die meisten Kunden durch fehlende Gebühren stärker als bei 10 oder 20 Basispunkten mehr Zins. Gleichzeitig kombiniert ZKB Banking die Vorteile einer digitalen Bank mit den Vorzügen der nahen Bank: hohe Sicherheit, Servicequalität, individuelle Beratung, dichtes Filialnetz.
Gründungsjahr: 1870
Bilanzsumme: 201’259 (in CHF Mio.) per 31.12.2023
Anzahl Kunden und Kundinnen: Fast die Hälfte aller Zürcherinnen und Zürcher sowie der im Kanton Zürich ansässigen Unternehmen zählen zur Kundschaft der Zürcher Kantonalbank.
Verbreitungsgebiet/abgedeckte Region: Die Zürcher Kantonalbank ist die Bank der Zürcherinnen und Zürcher – mit insgesamt 51 Filialen im Kanton Zürich. Als zweitgrösste Universalbank und grösste Kantonalbank der Schweiz ist sie jedoch nicht nur regional verankert, sondern auch national und international präsent. Die Zürcher Kantonalbank begleitet ihre Schweizer Kundinnen und Kunden auch im Ausland. Repräsentanzen in China, Indien, Singapur und Brasilien bieten international tätigen Zürcher und Schweizer Unternehmen lokale Unterstützung in wichtigen Exportmärkten.
Rechtsform: Die Zürcher Kantonalbank ist eine selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt des Kantons Zürich.
Was ist an Ihrer Bank im Vergleich zu anderen Banken speziell? Seit unserer Gründung sind wir unserem Leistungsauftrag, der sich heute aus dem Versorgungs-, Unterstützungs- und Nachhaltigkeitsauftrag zusammensetzt, verpflichtet. Er ist unser Alleinstellungsmerkmal – darauf sind wir stolz.
Bevor Sie die ZKB übernahmen, hatten Sie mit der Bank wenig zu tun. Hat Ihnen dieser Umstand intern viel Kritik entgegengebracht oder wurde das nonchalant akzeptiert?
Die starke und einzigartige Kultur bei der Zürcher Kantonalbank hat massgeblich zu meinem gelungenen Start beigetragen. Wir haben eine Kultur des Miteinanders, eine Kultur des Vertrauens und der gegenseitigen Wertschätzung. Wer in unsere Bank kommt, fühlt sich willkommen – so erging es mir und ist es bei allen ähnlich, die von extern dazustossen.
Die ZKB ist in einem hervorragenden Zustand – auch das hat den Einstieg erleichtert. Unser Geschäft kann gezielt und kontinuierlich weiterentwickelt werden.
Und mein beruflicher Werdegang hat das Seine dazu beigetragen. Ich bin seit 30 Jahren in der Finanzindustrie tätig, seit 25 Jahren als CEO von verschiedenen Finanzinstituten. Ich kenne die Kerngeschäfte unserer Bank sehr gut, habe sie während meiner beruflichen Karriere selbst durchlaufen. Meine Expertise und langjährige Erfahrung kann ich nun bestens für die Weiterentwicklung der Zürcher Kantonalbank einbringen.
Hätten Sie sich rückblickend dennoch gewünscht, die Bank zuerst in einer schwächeren Position kennenzulernen, bevor Sie die Gesamtverantwortung übernehmen?
Nein – Verantwortung zu übernehmen, das bin ich aus früheren CEO-Positionen gewohnt.
Viele Kantonalbanken haben eine Nische, in der sie besonders hervorstechen. Ist das auch so bei Ihnen als zweitgrösste Schweizer Universalbank – aber eben auch als Kantonalbank?
Als zweitgrösste Schweizer Universalbank mit einem Marktanteil von über 50 Prozent im Wirtschaftsraum Zürich sind und bleiben wir mit sämtlichen Dienstleistungen breit aufgestellt. Unsere Performance ist in sämtlichen Segmenten sehr gut, ob im Retail Banking, ob im Private Banking. Wir sind darüber hinaus die zweitgrösste Assetmanagerin und die zweitgrösste Firmenkundenbank in der Schweiz. Das spricht alles für sich.
Wenn die ZKB, wie momentan, so floriert, erscheint Ihnen die Bindung an den Kanton dann als Bremse? Dass also mehr Potenzial vorhanden wäre, Sie aufgrund des kantonalen und volkswirtschaftlichen Auftrags dieses aber nicht voll ausschöpfen können?
Diese selbst auferlegte Wachstumsbeschränkung führt automatisch zu einem geringeren Risikoappetit. Das ist sinnvoll für eine Kantonalbank mit Staatsgarantie. Wir nehmen diese Verpflichtung sehr ernst. Für uns als Kantonalbank steht stets das Wohl unserer Region im Vordergrund. Der Finanzplatz hingegen ist divers. Es gibt auch Banken mit anderen Wachstumsmöglichkeiten.
Lassen Sie mich noch das Thema Regulierung ansprechen … Begrüssen Sie eine stärkere Regulierung?
Gute Regulierung ist sehr wichtig. Ohne Regulierung gibt es kein Vertrauen in das System. Doch das Regulieren muss effektiv und möglichst schlank sein. Auch wenn sich die pauschale Erhöhung der Eigenkapitalvorgaben oder ein Trennbankensystem gut anhören, wäre es für die Schweiz alles andere als von Vorteil.
Schauen Sie also mit Sorge auf 2025 – mit dem Wissen, dass Basel III final gültig wird, das ja auch höhere Eigenkapitalanforderungen mit sich bringt? Und bei den regulatorischen Reaktionen auf die CS-Krise stehen wir ja erst am Anfang.
Die Vorgaben von Basel III final setzen wir aktuell um. Mit dem Bericht zur Bankenstabilität hat der Bundesrat eine gute Grundlage geliefert und sich differenziert dazu geäussert, was funktioniert und was nicht. All jene Massnahmen, die effektiv dem Finanzplatz und der Realwirtschaft geschadet hätten, werden nicht weiterverfolgt – natürlich begrüssen wir das. Als Konsequenz aus der CS-Krise dürfen nicht neue Regulierungen für Banken gelten, die über ein solides Geschäftsmodell verfügen. Die Regulierung muss problemorientiert sein. Will heissen: Die bei der Credit Suisse identifizierten Schwachstellen müssen klar benannt und Lösungen dafür definiert werden, damit so etwas nicht noch einmal passiert.
Auch müssen Regulierungen die Relation wahren, und vor allem: Rechtssicherheit bieten. Überregulierung kann hingegen viel Schaden anrichten. Da spreche ich jetzt vor allem als Vizepräsident des Verbands der Schweizerischen Kantonalbanken: Grosse Banken wie die Zürcher Kantonalbank können mit einer grossen juristischen Abteilung Regularien verarbeiten, doch eine kleine Bank stösst bald an ihre Grenzen.
Sie hatten Rechtssicherheit erwähnt, was meinen Sie damit?
Die Finma als Aufsichtsbehörde und auch der Bundesrat wollen viele neue Instrumente bereitstellen. Grundsätzlich verständlich. Doch es braucht einen rechtlichen Rahmen, damit auch eine Bank gegen Entscheide von Behörden vorgehen kann. Regulierung darf nicht zu Willkür führen. Dies würde dem Finanzplatz schaden.