Gratulation zur Wahl als beste Neobank! Ihre direkten Konkurrenten sind unter anderem Yuh und Zak, die beide als Projekte von etablierten Banken finanziert wurden. Ärgert es Sie, wenn Sie nun alle in einen Topf geschmissen werden?
Die Finanzierung macht natürlich einen Unterschied, das war bei uns ganz sicher eine zusätzliche Herausforderung. Wir fokussieren mit unserem Angebot exklusiv auf den Schweizer Markt, was Neon als Projekt für internationale Kapitalgeber nicht so spannend gemacht hat. Aber wir haben dann Schweizer Kapitalgeber gefunden, der grösste ist TX. Daneben hatten wir aber auch Crowdinvestoren und -investorinnen, wir haben zwei Runden Crowdinvestments gestartet, mit denen wir sechstausend Investorinnen und Investoren aus den Reihen unserer Kundinnen und Kunden gewonnen und rund 13 Millionen Franken eingesammelt haben.
Eine Expansion in andere Länder steht nach wie vor nicht auf der Roadmap. Warum wollen Sie klein und schweizerisch fein bleiben?
Weil das auch ein wenig ein Teil unseres Erfolgs ist. Internationale Anbieter sind schon sehr breit unterwegs, aber bei uns in der Schweiz gibt es viele länderspezifische Besonderheiten, etwa die Säule 3a, die E-Rechnung oder QR-Rechnungen. Das sind alles Dinge, die internationale Anbieter, im speziellen Revolut, nicht können.
Revolut hat ja gerade angekündigt, da nachziehen zu wollen. Welche Rolle spielt Ihr Standort Schweiz als Brand in Sachen Vertrauenswürdigkeit?
Eine grosse! Wie einerseits das Geld hier geschützt ist, sind bei uns auch die Daten sicher in der Schweiz gespeichert. Und wir legen grossen Wert auf unseren Kundenservice, bei uns kann man anrufen und wird auf Schweizerdeutsch, Französisch oder Italienisch unterstützt.
Sie leisten sich sehr viele Mitarbeitende im Kundenservice. Rechnet sich das auf Dauer?
Wir informieren unsere Kundinnen und Kunden häufig und gern und haben von Anfang an mit Kundennähe und schnellen Antworten überrascht. Am besten und günstigsten ist es natürlich, erst gar keine Fragen aufkommen zu lassen. Das versuchen wir mit einem einfachen Produkt und einfacher Kommunikation. Aber wenn es Bedarf gibt, ist es günstiger, schnell und nur einmal zu helfen, als abzuwarten.
«Man kann der App einfache Fragen stellen, beispielsweise wie viel man für den Urlaub in Spanien oder für öffentliche Verkehrsmittel ausgegeben hat.»
Jörg Sandrock
Mit Finsight hat Neon ein neues Analysetool auf den Markt gebracht. Wobei hilft mir dieses Feature?
Mit dieser Funktion können die Ausgaben thematisch analysiert werden, und man kann der App einfache Fragen stellen, beispielsweise wie viel man für den Urlaub in Spanien oder für öffentliche Verkehrsmittel ausgegeben hat. So kann man einfacher entscheiden, ob es sich lohnt, ein Halbtax oder ein GA zu kaufen.
Was wollen Sie damit erreichen?
Es soll den Kundinnen und Kunden helfen, ihre persönlichen Finanzen besser zu verstehen und besser mit Geld umzugehen.
Was wissen Sie über Ihre Kundinnen und Kunden?
Wir haben aktuell 220’000 Kundinnen und Kunden. Das Durchschnittsalter liegt bei 39 Jahren. Die meisten starten bei Neon, indem sie das Konto nur für bestimmte Zwecke, beispielsweise für Überweisungen ins Ausland einsetzen oder für die Nutzung der Debitkarte im Ausland, da wir da sehr viel günstiger sind als andere Anbieter. Aber gleichzeitig wächst der Anteil derer, die Neon als Erstbank oder sogenannte Hausbank haben, stetig. Und wenn das der Fall ist, starten auch viele Kundinnen und Kunden die Investitionen in den Aktienhandel über Neon. Das bieten wir erst seit einem Jahr an, und seitdem wurden knapp 60’000 Depots eröffnet.
Das Durchschnittsalter von 39 überrascht mich, ich hätte eine jüngere Klientel erwartet!
Es sind nicht unbedingt die Jugendlichen, die ihr Taschengeldkonto bei uns eröffnen, sondern eher diejenigen, die Ausbildung oder Studium abgeschlossen haben und den ersten richtigen Job antreten. Vielleicht macht man sich dann auch das erste Mal konkret Gedanken darüber, wofür man ein Bankkonto benötigt, was man dafür bezahlen möchte und wie man als Kunde oder Kundin behandelt werden möchte.
«Der Respekt, den man früher als Kunde seiner Bank gegenüber – und umgekehrt – hatte, ist heute in beiden Richtungen nicht mehr so ausgeprägt, wie er eigentlich sein sollte.»
Jörg Sandrock
Wie meinen Sie das?
Der Respekt, den man früher als Kunde seiner Bank gegenüber – und umgekehrt – hatte, ist heute in beiden Richtungen nicht mehr so ausgeprägt, wie er eigentlich sein sollte. Wir sprechen mit den Kundinnen und Kunden auf Augenhöhe. Dabei sind wir inhaltlich sehr transparent und erklären, warum eine Aktion etwas kostet und wann etwas funktioniert oder eben auch nicht. Wir duzen alle Kunden, was nur in ganz seltenen Fällen zu Irritationen führt, und die Sprache, die wir verwenden, ist keine Banksprache, sondern wir versuchen Bankbegriffe so zu erklären, dass man die Thematik wirklich verstehen kann – was manchmal gar nicht so einfach ist. Doch selbst in Situationen, in denen wir Kundinnen oder Kunden negative Aspekte kommunizieren müssen, verstecken wir das nicht in einer unverständlichen Ausdrucksweise.
Was sind die nächsten Milestones auf der Roadmap, was haben Sie noch vor?
Wir haben das Thema AI für uns wiederentdeckt und wollen den Bereich noch weiterentwickeln. Einerseits, um das Verständnis für das finanzielle Leben zu erhöhen. Andererseits, nachdem wir nun die Alltagsfunktionen einer Bank erfolgreich abgebildet haben, möchten wir noch einen Schritt weiter in Richtung Beratung gehen. Wir wollen Kundinnen und Kunden, die wissen möchten, wo sie mit ihren Finanzen stehen, dabei unterstützen, mit ihren Finanzen an einen bestimmten Punkt zu gelangen, und ihnen dafür entsprechende Produkte anbieten.