Obwohl es vielseitige Jobs im Banking gibt, besteht ein gemeinsamer Nenner. Für Karin Schmidt, HR-Leiterin bei der Raiffeisen Schweiz, ist klar: «Es ist der kulturelle Fit.» Trotz unterschiedlicher Fachexpertisen, die je nach Job und je nach Örtlichkeit anders sind, muss eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter kulturell zur Firma passen. «Das ist das gemeinsame Credo, das wir haben.»

Es zählen Offenheit, Diskretion und die Affinität zu Finanzen

Ausserdem sollten Mitarbeitende der Raiffeisen eine Affinität zu Finanzen haben. Und sie müssen das nötige Mass an Diskretion haben, aber gleichzeitig eine gewisse Offenheit und Neugierde an den Tag legen, «weil es sonst schwierig wird, mit den Veränderungen in der Bankbranche Schritt zu halten».

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Der akute Fachkräftemangel geht auch am Banking nicht spurlos vorbei. Was sind die Herausforderungen für eine HR-Leiterin? Und kann sie bei Bewerberinnen und Bewerbern mit mehr Lohn als die Konkurrenz punkten? Karin Schmidt schüttelt den Kopf: «Im Moment können wir uns noch glücklich schätzen. Wir haben tendenziell sogar eher mehr Bewerbende.» Die Raiffeisen Schweiz erhalte Dossiers mit guten Profilen und könne eine Mehrheit der offenen Stellen gut besetzen.

Arbeitsumfeld wichtiger als Lohn

Dennoch räumt Karin Schmidt ein: «Logisch, es gibt gewisse Funktionen, da ist es schwierig.» Ein kaum hörbarer Seufzer scheint ihr zu entgleiten – wie vielen anderen Personalverantwortlichen wohl auch: Cyber-Crime-Spezialisten oder Compliance-Expertinnen sind beispielsweise extrem gefragt. «Hier haben wir ein bisschen Mühe, weil das Funktionen sind, die in allen Branchen gesucht werden. Trotzdem werden wir die gesuchten Leute nicht mit höheren Vergütungen ködern.»

Zur Person

Interviewpartnerin Karin Schmidt ist seit gut zwei Jahren HR-Leiterin der Raiffeisen Gruppe. In ihrer langen Karriere machte sie Station bei Sunrise und der Migros-Tochter Mibelle und war 18 Jahre lang bei der Grossbank UBS tätig.

Schmidt verweist auf das «sehr faire, marktgerechte und gemeinschaftliche Vergütungsmodell»: Die Raiffeisen Schweiz zahlt eine kollektive Erfolgsbeteiligung – allen Angestellten. Einen individuellen Bonus gibt es hingegen nicht.

Neuen Mitarbeitenden wolle Raiffeisen das bieten, was sie suchen: «Nämlich ein vertrauensvolles Umfeld mit gutem Grundwert. Einen Ort, an dem sie als Person eine Rolle spielen, interessante und sinnstiftende Aufgaben haben, sich weiterentwickeln und ihr Privatleben gut mit dem Beruf vereinen können. Wir bieten sehr flexible Arbeitsbedingungen.»

Fluktuationsrate liegt unter 10 Prozent

Offenbar ist die Zufriedenheit beim Raiffeisen-Personal gross: Die Fluktuation in den letzten Jahren lag unter der 10-Prozent-Schwelle. Durchschnittlich bleiben Raiffeisen-Mitarbeitende rund elf Jahre bei der Genossenschaftsbank, einige sogar von ihrer Lehrzeit bis zur Pensionierung. Solche Daten lassen auf ein gutes und respektvolles Arbeitsklima schliessen.

Stelleninserate werden vor allem über Social-Media-Plattformen wie LinkedIn und Online-Fachmagazine geschaltet, Printinserate in Zeitungen hingegen seien schlicht nicht mehr zeitgemäss. 

Mund-zu-Mund-Werbung durch Mitarbeitende in ihrem Bekanntenkreis sei nach wie vor am allerbesten. Teammitglieder, die eine Person vermitteln, bekommen nach der erfolgreichen Probezeit der neuen Mitarbeiterin respektive des neuen Mitarbeiters eine Prämie. «Darauf setzen wir stark. Auch des Themas Active Sourcing haben wir uns angenommen, da ‹Post & Pray› ein bisschen out of fashion ist. Da finden wir auch wirklich gute Profile und gute Mitarbeitende», sagt Karin Schmidt, und es schwingt ein gewisser Stolz in ihrer Stimme mit.

Ein Name, mehr als 200 eigenständige KMU

Raiffeisenbanken haben als rechtlich unabhängige KMU einen hohen Selbstständigkeitsgrad, auch bezüglich HR-Themen. Jede Genossenschaftsbank kann, muss aber nicht nehmen, was sie von Raiffeisen Schweiz angeboten bekommt. Dieser Gestaltungsspielraum ist eine Eigenheit der Raiffeisen Gruppe.

Wird es da nicht etwas kompliziert für die HR? Sie habe keine Durchsetzungsmacht, ausser bei regulatorischen Vorgaben, betont Schmidt und weist auf die Gemeinsamkeiten hin: «Dennoch haben wir ein paar Grundpfeiler eingeschlagen. Wir haben zum Beispiel eine gemeinsame Personalapplikation, und diese führt zu ähnlichen Prozessen und bildet einen gemeinsamen Nenner.»

Aber natürlich, bei über 200 Banken gebe es immer jemanden, der es anders haben möchte. «Und das ist auch okay so», meint Schmidt. Seit zwei Jahren ist sie nun schon Leiterin von 55 Personen in der Abteilung Human Resources der Raiffeisen Schweiz. Die Hälfte ihrer Mitarbeitenden arbeitet ausschliesslich für die Raiffeisen Schweiz, die andere Hälfte zusätzlich auch für die Genossenschaftsbanken und die ganze Raiffeisen Gruppe mit ihren rund 12’000 Mitarbeitenden. 

Human Resources wird keine KI Resources

KI und Digitalisierung sind im Schweizer Banking gegenwärtig das alles bestimmende Thema. Es gibt auch KI-Modelle, die im HR eingesetzt werden. Diese KI-Tools sieben das Feld der Bewerberinnen und Bewerber bereits aus, bevor eine HR-Angestellte die Dossiers zum ersten Mal sieht.

Das HR von Raiffeisen macht das bisher ganz bewusst nicht, sondern setzt künstliche Intelligenz primär bei Prozessoptimierungen ein. «Weil wir von Anfang an den menschlichen Aspekt sehen wollen», sagt Schmidt. Natürlich teste sie mit ihrem Team gewisse Dinge aus, um herauszufinden, wie diese Systeme funktionieren. Vorerst sei die Raiffeisen «auf der klassischen Schiene» unterwegs, meint sie und zeichnet mit ihren Fingern zwei Gänsefüsschen in die Luft. «Wir möchten erst noch besser verstehen, was diese Tools können und was nicht.»

Ressourcen frei bekommen

Dennoch ist sich die HR-Leiterin bewusst: KI wird auch Arbeitsplätze bei Banken vernichten und neue Jobs schaffen. Es wird Umwälzungen geben. Karin Schmidt lehnt sich vor, denn die kommenden Sätze scheinen ihr wichtig zu sein: «Mit KI wollen wir keine grosse Abbauwelle auslösen, um so Leute einzusparen – ganz und gar nicht.» Das Raiffeisen-Management wolle Ressourcen freischaufeln, um spannende, innovative Dinge zu machen, näher beim Kunden zu sein, statt von internen Themen aufgefressen zu werden. Das sei für die Raiffeisen wie für die Angestellten attraktiv. «Intensiver nach draussen fokussieren zu können, darin sehen wir natürlich schon Chancen für uns», meint Schmidt.

Andere Profile werde es zwar schon brauchen. Doch wie begegnet sie allfälligen Abbauängsten? «Wir fangen an, unsere Mitarbeitenden mit auf die Reise zu nehmen. Das ist unsere Aufgabe als verantwortungsvolle Arbeitgeberin.» Das Wichtige sei, Ängste von Mitarbeitenden ernst zu nehmen. Aufzuzeigen, was die Firma macht, und die zeitlichen Dimensionen von allfälligen KI-Tool-Einführungen darzulegen. «Das Thema KI ist da, aber es überrollt uns nicht. Es ist wie ein Lavastrom: langsam und graduell.» Sie versuche, den Mitarbeitenden genau das aufzuzeigen. «Wir möchten sie befähigen, dass sie auch veränderte oder andere Rollen wahrnehmen können. Natürlich braucht das Veränderung. Da müssen alle mitziehen.»

Die lernende Organisation

«Was wir schon länger machen und uns gut gelungen ist: Wir arbeiten mit unseren Mitarbeitenden daran, dass sie verstehen, dass wir im stetigen Wandel sind. Wir nennen das die lernende Organisation.» Karin Schmidts Hand schiesst in die Höhe: «Wir müssen uns schnell bewegen, wir müssen immer wieder adaptieren.» Und in diesem Rahmen hat Raiffeisen unterschiedlichste Angebote, ob im Umgang mit Resilienz, allfälliger Überbelastung, neuen Arbeitsweisen oder agilen Arbeitsmethoden.

Die genossenschaftliche Struktur von Raiffeisen hat auch einen Einfluss auf die HR. «Die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, hat einen grossen Impact: Wir wollen eigenverantwortliche Mitarbeitende, die das Unternehmertum vor Augen haben», sagt Karin Schmidt bestimmt. «Wir wollen, dass die Mitarbeitenden mitdenken, dass sie sich einbringen. Das sind alles Grundkulturwerte, die wir stark pushen. Dies bedingt natürlich, dass wir diese Werte entsprechend pflegen und fördern – und auch die Möglichkeiten dazu geben, alles in der Praxis zu leben.» Man arbeite deshalb viel am Thema Führung, wo eben genau das wichtig sei: die Mitarbeitenden zu empowern. «Ich finde es als HR-Leiterin natürlich grandios, solche Grundwerte zu haben», schwärmt Schmidt. 

Gemeinsam an einem Strick ziehen

Karin Schmidt weiss, wovon sie spricht. In ihrer Karriere hat sie Stationen in anderen Firmen hinter sich. Sie war bei Sunrise und der Migros-Tochter Mibelle – und 18 Jahre lang bei der Grossbank UBS. «Wenn ich mit früher vergleiche, fällt mir vieles auf, zum Beispiel das Einzelkämpfertum damals. Die Mitarbeitenden fragten sich viel häufiger, wann endlich der nächste Karriereschritt oder die Beförderung kommt, und nicht, was für Ziele sie als Team erreicht haben.»

Schmidts etwas trauriger Gesichtsausdruck hellt sich auf, als sie sagt: «Hier bei der Raiffeisen geht es uns darum, gemeinsam Erfolg zu erzielen. Das finde ich toll und das beflügelt mich.» Diese positive Stimmung merke man in der Unternehmung, aber auch im HR. «Die Mitarbeitenden ziehen echt mit. Das Commitment von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist enorm.»

 

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Karin Bosshard, Chefredaktorin von HZ Banking, und ihr Bankenexpertenteam liefern Ihnen die Hintergründe zu Themen, welche die Schweizer Bankenszene bewegen. Jeden Tag (werktäglich) in Ihrem E-Mail-Postfach. Jetzt anmelden!
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