Zuvor hatte zunächst die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen gesenkt. Anschliessend kam die US-Notenbank Fed an die Reihe. Sie hatte lange gezögert, die Geldpolitik zu lockern. Doch nun hat sie die Zinswende mit einer grossen Zinssenkung von 50 Basispunkten eingeleitet. Die Bank of England hat hingegen beschlossen, eine Pause bei den Zinssenkungen einzulegen, weil ein Wiederaufflackern der Inflation möglich wäre. 

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Über den Autor

Jörn Quitzau ist seit April 2024 Chief Economist bei der Schweizer Privatbank Bergos AG.

Die vier Notenbanken haben sich für unterschiedliche Massnahmen entschieden, um ihre geldpolitischen Ziele zu erreichen. Gemeinsam ist ihnen aber, dass sie ihre Entscheidungen unabhängig von der Politik, also ohne politische Vorgaben treffen können. Unabhängige Zentralbanken sind seit den 1990er Jahren aus gutem Grund internationaler Standard, denn sie sind im Schnitt erfolgreicher bei ihrem Kampf für stabile Preise als solche Notenbanken, die sich politischen Vorgaben beugen müssen. Ein abschreckendes Beispiel für die Folgen politischer Einflussnahme lieferte zuletzt der türkische Präsident Erdogan: Die Inflation schoss rasant in die Höhe und der Wechselkurs der Lira stürzte ab.

Donald Trump will Mitspracherecht in der Geldpolitik

Dass die Unabhängigkeit der Notenbanken auch in etablierten Demokratien nicht in Stein gemeisselt sein muss, zeigen Aussagen des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Trump meint, er habe die besseren Instinkte als viele der geldpolitischen Entscheidungsträger innerhalb der Fed. Deshalb reklamiert er vorsorglich ein Mitspracherecht für den amerikanische Präsidenten bei geldpolitischen Entscheidungen – zumindest, falls Trump die Wahl gewinnt. Auch eine Ablösung des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell, den Trump während seiner Präsidentschaft im Jahr 2018 selbst ins Amt brachte, stellte er in Aussicht.

Die beruhigende Nachricht lautet: Dank hoher rechtlich-institutioneller Hürden erscheint eine vorzeitige Abberufung des Fed-Vorsitzenden durch den US-Präsidenten vorerst unwahrscheinlich. Schon die sehr langen Amtszeiten der Mitglieder im Board of Governors dürften schnelle Personalrochaden verhindern. Zudem müsste der amerikanische Senat, der zumindest derzeit noch von den Demokraten dominiert wird, einem Wechsel an der Fed-Spitze zustimmen. Auch ein Mitspracherecht für den amerikanischen Präsidenten bei geldpolitischen Entscheidungen erscheint nicht ohne Weiteres umsetzbar zu sein. Dass die Unabhängigkeit der Zentralbank de jure ausgehöhlt wird, ist deshalb zwar nicht ausgeschlossen, aber doch recht unwahrscheinlich. 

Problematischer ist, dass eine Zentralbank de jure unabhängig sein kann, de facto aber trotzdem nicht frei ist. Schon die Androhung, die Zentralbank an die politische Leine zu nehmen, wenn sie den Wünschen der Regierung nicht nachkommt, könnte das Verhalten der geldpolitischen Entscheidungsträger im Sinne eines «vorauseilenden Gehorsams» beeinflussen. Auch wenn Notenbanker nüchtern und technokratisch veranlagt sein mögen, so handeln sie doch nicht im luftleeren Raum. Insofern ist es für den Erfolg der Geldpolitik hilfreich, wenn die Notenbank nicht nur formell unabhängig ist, sondern auch indirekter Druck von politischer Seite unterbleibt.

«Fiskalische Dominanz» als grösste Gefahr 

Unabhängig von Trumps Einlassungen dürfte für die amerikanische Notenbank die enorme Staatsverschuldung zum grössten Problem werden – und das unabhängig vom Wahlausgang. Beide Kandidaten – Donald Trump und Kamala Harris – stehen für eine lockere, defizitäre Finanzpolitik. Damit werden die Staatsschulden, die jetzt schon mehr als 120% des BIP betragen, weiter steigen.  

Höhere Staatsschulden und höhere Zinslasten bedeuten, dass die Handlungsspielräume des Staates und letztlich auch die Schuldentragfähigkeit sinken. Damit nimmt der Druck auf die Fed zu, die Geldpolitik zu lockern, um den Staat zu entlasten. Der Fachbegriff für eine solche Konstellation lautet «fiskalische Dominanz»: Die Notenbank ist nicht mehr frei und unabhängig, diejenigen Massnahmen zu ergreifen, die sie für notwendig erachtet, um ihr geldpolitisches Mandat zu erfüllen, weil sie indirekt gezwungen wird, die Solvenz des Staates zu sichern.

Gefährlicher Politik-Cocktail 

Die Unabhängigkeit der Notenbank einzuschränken, ist nur eine von Trumps ungewöhnlichen wirtschaftspolitischen Ideen. Seine Pläne, flächendeckend Zölle auf alle Importe zu erheben und Migranten umfassend abzuschieben, dürften das Gegenteil dessen bewirken, was Trump den amerikanischen Bürgern verspricht. Modellrechnungen zeigen, dass die Beschäftigung leiden, das Wirtschaftswachstum drastisch geschwächt und die Inflation kräftig steigen würde, sollten der Trump-Cocktail wirklich angerührt werden. Den USA drohte ein deutlicher Wohlfahrtsverlust. Es ist schwer vorstellbar, dass die ökonomischen Berater von Trump mit diesen Zahlen und Argumenten nicht bis zu ihm durchdringen. Insofern ist zu erwarten – oder zumindest zu hoffen –, dass Trump seine Wahlkampfankündigungen nur sehr abgeschwächt in die Tat umsetzen würde, sofern es die Wahlergebnisse für ihn und die Mehrheitsverhältnisse im Kongress denn überhaupt hergeben. 

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