Es sei jugendlicher Leichtsinn gewesen, der Antonio Prioli mit 25 Jahren in die Selbstständigkeit geführt habe. Dies ist nicht etwa die Einschätzung eines Externen, sondern seine eigene nach 14 erfolgreichen Jahren als Unternehmer.
Vielleicht ist Prioli aber einfach ein klein wenig zu streng mit sich selber. «Unverfrorenheit» wäre wohl das geeignetere Wort, um seinen Sprung in die Selbstständigkeit zu beschreiben. Und dann scheint diese auch durch seinen unabhängigen Geist und seine Liebe zum eigenverantwortlichen Arbeiten vorgezeichnet gewesen zu sein. «Nach meiner Lehre als Elektromonteur in Lachen habe ich eine Anstellung als Servicemonteur in Zürich angenommen. Nachdem mein Chef den Betrieb gewechselt hatte, zog ich mit ihm weiter. Zuerst in einen Betrieb in Zürich und dann nach Wetzikon.» Sein Vorgesetzter habe ihn stets selbsttätig arbeiten lassen. «Kurz nach meiner Meisterprüfung gerieten sich mein Chef und unser damaliger Arbeitgeber in die Haare, und der Chef kündigte. Grund genug für mich, ebenfalls nach einer neuen Stelle Ausschau zu halten.»
Bei den Vorstellungsgesprächen merkte er, wie schön er es mit seinem ehemaligen Vorgesetzten gehabt hatte. «Mir war klar, dass es extrem schwierig sein würde, einen derart eigenverantwortlichen Job zu finden, wie ich ihn gehabt hatte.» Den Ausschlag zur Selbstständigkeit gab dann ein letztes, sehr frustrierendes Gespräch am alten Arbeitsplatz. «In diesem behandelte mich der Firmenpatron wie einen Lehrling. Ich ging nach Hause und sagte zu meiner Frau: ‹Ich mache mich selbstständig.›»
Das war im August 1991, und Priolis hatten soeben eine Wohnung gekauft. Dementsprechend leer war das Konto. «Ich besass noch 6000 Franken.» Im Kinderzimmer richtete er sich mit einem Occasionsschreibtisch und einem grossen Brett, das als Zeichentisch diente, sein erstes Büro ein. «Ich nahm das Telefonbuch, suchte die Adressen regionaler Architekturbüros heraus und bot diesen schriftlich an, Elektroinstallationen für sie zu planen.»
Obwohl Prioli am oberen Zürichsee aufgewachsen war und auch die Lehre dort gemacht hatte, tat er sich in den ersten Jahren seiner Eigenverantwortlichkeit schwer damit, an lokale Aufträge heranzukommen. «Die dachten wohl alle, ich sei jung und unerfahren und würde bestimmt nicht lange geschäftlich überleben.» Und so streckte er seine Fühler in Richtung Zürich aus, wo er seit seiner Lehre immer gearbeitet hatte und auch über einige Kontakte verfügte. Mit Erfolg. Im ersten Geschäftsjahr erzielte er einen Umsatz von 140000 Franken.
Ende 1992 hatte er genügend Aufträge, um einen Mitarbeiter einzustellen. Damit war auch der Zeitpunkt für ein externes Büro gekommen. Während dreier Jahre hangelten sich die beiden von Auftrag zu Auftrag. Und dann machte Prioli den Fehler, sich in einer Bürogemeinschaft mit einem Architekten zusammenzutun. «Das sorgte in der Region für ziemlich böses Blut, denn viele Leute dachten, wir betrieben Vetterliwirtschaft.» Durch diesen Schritt hatte der Jungunternehmer einige Aufträge verloren, doch bevor er seinen Mitarbeiter entlassen musste, zog er aus der Bürogemeinschaft aus. Das war 1996.
Just nach dem Umzug schneite die Möglichkeit ins Haus, eine Offerte für die Elektroplanung der drei neuen Schweizer Paketpostzentren einzureichen. Nach monatelangem Hin und Her kam eines Freitagnachmittags der Bescheid, man habe sich für einen Mitbewerber entschieden. «Da ich den Auftrag partout wollte, fragte ich den Verantwortlichen der Generalunternehmung, ob er den Gewinner schon informiert habe. Als dieser verneinte, sagte ich ihm, er solle doch bitte noch bis Montag damit zuwarten.» Nach diesem Gespräch setzte sich Prioli hin und schrieb die Argumente, warum besser seine Zweimannfirma zum Zug käme, in Briefform nieder. Abgeschickt hat er den Brief nie.
Stattdessen stand er am Montagmorgen um sieben Uhr im Büro des Auftraggebers und verharrte dort, bis der Generalunternehmer um neun Uhr eintraf. «Ich bat ihn darum, mir zwei Minuten zuzuhören, und nannte ihm meine Argumente.» Seine Bemühungen hatten zur Folge, dass die Geschäftsleitung sich noch einmal Gedanken über die Auftragsvergabe machte. Nach einem weiteren Monat kam dann der erlösende Anruf.
Doch nun stand der hartnäckige Unternehmer vor einem Problem: Er brauchte dringend mehr Mitarbeiter, denn die drei Paketpostzentren in Härkingen, Frauenfeld und Daillens VD mussten gleichzeitig gebaut werden. Zudem öffnete dieser Auftrag Türen, und das Unternehmen konnte sich der Anfragen kaum mehr erwehren.
1998 wandelte Antonio Prioli seine Einzelfirma daher in eine Aktiengesellschaft um, ohne Fremdkapital, wie er betont. «Zu Beginn meiner Selbstständigkeit als Einzelunternehmer eröffnete ich auf der Schwyzer Kantonalbank ein Kontokorrent von 20000 Franken. Doch diesen Kredit habe ich nie gebraucht, und seither ist die Firma eigenfinanziert. Die finanzielle Unabhängigkeit und die Tatsache, dass er weder eine Bank noch einen Treuhänder je um Rat gefragt hat, führt er als wichtigste Punkte für die Innovationskraft seines Unternehmens an.
Mit dem steigenden Personalbestand musste sich Prioli nach grösseren Büroräumlichkeiten umschauen. Dank Verhandlungsgeschick hatte er abermals Glück. Für einen guten Preis konnte er eine sanierungsbedürftige Etage in einer Gewerbeliegenschaft kaufen. Nach deren Renovation bezog er die Hälfte der neuen Büros, die andere Hälfte vermietete er.
Kaum war der Grossauftrag für die Post abgeschlossen, konnte das Lachener Unternehmen die neue Gepäcksortieranlage am Zürcher Flughafen planen. Dass die Firma mit nur neun Mitarbeitenden laufend rund 30 Aufträge abwickeln kann, liegt gemäss Prioli an der Struktur. «Für unsere Kernbereiche Wohnungsbau, Gewerbe und Industrie und Grossaufträge habe ich je einen Projektleiter. Jeder von ihnen funktioniert wie ein eigener Unternehmer; dasselbe gilt für die jeweiligen Sachbearbeiter der Projektleiter.» Selbstverantwortung heisst eine von Priolis wichtigsten Führungsmaximen. «Die Projektleiter sind für ihre Kunden von A bis Z verantwortlich. Sie geniessen alle Freiheiten, solange der Job pünktlich und zur Zufriedenheit des Kunden abgewickelt wird.»
Fluktuationen gibt es in seiner Firma so gut wie keine. Nur die Lehrlinge verlassen das Unternehmen nach Abschluss der Lehrzeit. Auch Priolis erster Mitarbeiter ist noch immer dabei. «Ich hatte stets Glück bei der Personalauswahl», meint er auf die Frage, wie er es denn geschafft habe, verantwortungsvolle Mitarbeiter zu finden. Zudem hätten Führung und damit eine gute Unternehmenskultur nichts mit Hexerei oder einer Vielzahl von Weiterbildungsgängen zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand.
In der A. Prioli AG stehen ganz klar die Menschen im Mittelpunkt. Intern und extern. Daher widmet sich Prioli auch sehr intensiv der Beziehungspflege. Dazu nutzt er die klassischen Mittel wie Vereinsmitgliedschaft und Kommunalpolitik. Inzwischen hat er es geschafft, rund 60 Prozent der Aufträge aus der Region des oberen Zürichsees hereinzuholen – 40 Prozent kommen von Kunden aus dem Grossraum Zürich.
Unter den rund 30 Aufträgen, die das Unternehmen synchron bearbeitet, ist laufend einer ein Grossauftrag. «Dies gibt uns eine gewisse finanzielle Basis. Den restlichen Umsatz erzielen wir mit kleinen bis mittelgrossen Aufträgen, um das Klumpenrisiko nicht unnötig gross zu halten.» Wachstum ist für Prioli eine Option, doch kein Zwang. «Wenn sich der Umstand ergibt, werde ich vielleicht noch eine Niederlassung in Zürich eröffnen, doch ich kann gut auch so weitermachen wie bis anhin.» Was er sich aber nie wieder vorstellen könnte, sei das Dasein als Angestellter. «Obwohl ich vor 14 Jahren leichtsinnig gehandelt habe, habe ich es nie auch nur eine Sekunde bereut. Ich habe damals aus der Not eine Tugend gemacht und bin zwar sehr oft enorm unter Druck gestanden, das ist wahr. Doch Druck erzeugt Innovation, und dadurch sind wir zum grössten Ingenieurbüro der Region geworden.»
A. Prioli AG
Umsatz: 1,3 Millionen Franken
Geschäftsleitung: Antonio Prioli
Verwaltungsrat: Yvonne Prioli
Anzahl Mitarbeiter: 9
Finanzierung: eigenfinanziert
Geschäftsidee: Planung und Koordination von elektrischen Installationen und Kommunikationsanlagen in Gebäuden.
Firmenphilosophie: «Man soll sich gegenüber Wachstum nicht verschliessen, aber man soll es auch nicht erzwingen. Gute Geschäfte müssen reifen.»
Führungsgrundsätze: «Dem Mitarbeiter Kompetenzen und Verantwortung geben, sodass jeder in seinem Bereich als ‹Unternehmen im Unternehmen› funktionieren kann. Die Mitarbeiter dürfen und sollen Fehler machen, nur so können sie sich weiterentwickeln.»
Junior Chamber
BILANZ präsentiert in jeder Ausgabe ein Beispiel von jungem Unternehmertum – in Zusammenarbeit mit der Junior Chamber Switzerland (JCS). Die Chamber ist das grösste Netzwerk von jungen Führungskräften und Unternehmern in der Schweiz. Weitere Infos und Angaben zu JCS-Veranstaltungen auf www.juniorchamber.ch