Der Pharmakonzern Roche baut Stellen ab, Clariant reduziert den Personalbestand, ABB will weltweit 12 000 Stellen kappen – wie viele davon in der Schweiz, ist noch unklar –, Sulzer ist in Turbulenzen, Feldschlösschen reduziert um 150 Arbeitsplätze, Silicon Graphics macht in der Schweiz dicht. Die Liste nimmt sich wie das Horrorszenario einer nahenden Rezession aus.

Und dennoch: Bis zum ersten Quartal des laufenden Jahres (letzte verfügbare Zahlen) ist im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Erwerbstätigen um rund 60 000 angestiegen. Viele Unternehmen – zum Teil die gleichen, die Personal abbauen – suchen verzweifelt nach qualifizierten Mitarbeitern. Zum Beispiel die UBS. Die hat zwar weltweit den Personalbestand um fast 23 000 aufgestockt, vornehmlich dank der Integration von PaineWebber, in der Schweiz aber mehr als 1800 Stellen gekappt und sucht nun rund 600 neue Mitarbeiter – ebenfalls in der Schweiz. «Insgesamt», erklärt die UBS das Phänomen, «ist die Entwicklung bei UBS in der Schweiz gekennzeichnet durch gleichzeitigen Stellenab- und -aufbau.» In Wachstumsbereichen wie dem E-Banking und dem Privatebanking werden laufend neue Stellen geschaffen, in anderen Bereichen fallen der Automatisierung und der Optimierung von Arbeitsabläufen Stellen zum Opfer.

Ähnliches gilt auch für die ABB. Die hat zwar soeben den Abbau von weltweit 12 000 Stellen angekündigt, meldet aber gleichzeitig allein in der Schweiz rund 240 offene Stellen, vornehmlich Ingenieure, Informatiker und Betriebsökonomen.

Von einer krisenhaften Entwicklung am Arbeitsmarkt kann keine Rede sein. Zwar häufen sich in jüngster Zeit Meldungen über geplante Personalreduktionen, zwar stieg im Juli des laufenden Jahres die Arbeitslosenquote erstmals seit vielen Monaten wieder leicht an, zwar verkünden die Arbeitgeber, dass in diesem Jahr kaum Spielraum für generelle Lohnerhöhungen bestehe. Aber: Die Erhöhung der Arbeitslosenquote dürfte vornehmlich saisonale Gründe haben – und dass die Arbeitgeber keinen Spielraum für Lohnerhöhungen zu erkennen vermögen, gehört im Vorfeld der herbstlichen Lohnrunde zum Courant normal der Auseinandersetzung.

Die Meldungen über geplante Personalreduktionen werden von jenen Unternehmen mehr als neutralisiert, die ihre Personalbestände aufbauen. Genau dies hat auch unsere Umfrage «Wer hat Arbeitsplätze geschaffen?» ergeben, die in diesem Jahr zum fünften Mal durchgeführt wurde. Zwar hat sich im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der teilnehmenden Firmen leicht vermindert (von knapp 300 auf knapp 250) – die Zahl der von ihnen neu geschaffenen Stellen hat sich dafür aber deutlich erhöht. Wiesen die teilnehmenden Firmen vor einem Jahr noch gesamthaft 15 000 neue Stellen aus, so bringen sie es heuer auf mehr als 17 000 neue Stellen. Mit diesen 17 000 neuen Arbeitsplätzen erfasst unsere Umfrage rund 28 Prozent aller in der Schweizer Wirtschaft neu entstandenen Arbeitsplätze. Sie ist also trotz der vergleichsweise geringeren Zahl der Teilnehmer in hohem Masse repräsentativ.

Als einziges Unternehmen der Schweiz ist McDonald’s Suisse bereits zum fünften aufeinander folgenden Mal in der Spitzengruppe der Arbeitsplatzschaffer vertreten. Zum absoluten Spitzenrang wie in den ersten drei Umfragen reichte es zwar abermals nicht, mit einem Plus von 607 Stellen aber allemal zu einem sehr guten siebten Rang. Die neuen Jobs bei McDonald’s gehen in erster Linie auf die Eröffnung der beiden weltweit ersten McDonald’s-Hotelbetriebe zurück, aber auch auf den weiteren kontinuierlichen Ausbau der Filialkette.

Getoppt wird der Schweizer Zweig des Fastfood-Konzerns von sechs Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen. Auffallend dabei ist, dass sich mit Ausnahme von Orange Communications kein Unternehmen der Informations- und Telekommunikationsbranche darunter befindet. Das Gros der neu geschaffenen Stellen fiel in durch und durch traditionellen Branchen an.

Spitzenreiter in diesem Jahr ist der Migros Genossenschaftsbund, der nicht weniger als 2338 neue Stellen geschaffen hat, in allen Bereichen und auf allen Funktionsstufen. Das Unternehmen, das in jüngster Zeit reichlich negative Schlagzeilen machte – Turbulenzen um die Everts-Nachfolge, juristisch fragwürdige Doppelarbeitsverträge in Zürich, zum Teil miserable Löhne unterhalb der 3000-Franken-Grenze beim Verkaufspersonal –, ist offenbar als Arbeitgeber dennoch attraktiv. Womöglich stimmt das Image des grössten Detailhändlers des Landes mit dem tatsächlichen Zustand des Unternehmens nicht überein. Vielleicht verhält sich auch der Hauptkonkurrent Coop in der Öffentlichkeitsarbeit derzeit ganz einfach geschickter.

Platz zwei in der Hitliste der Arbeitsplatzschaffer nimmt der Schweizer Zweig der Alstom ein. Das Unternehmen für Kraftwerkbau, Energieübertragung und Fahrzeugbau mit Sitz in Baden führt das Plus auf den allgemein guten Geschäftsgang sowie auf den Ausbau der Schweizer Niederlassung zurück. Und das heisst, dass da eigentlich gar keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, sondern hauptsächlich solche von ehemaligen ABB-Abteilungen übernommen wurden. Für unsere Betrachtungsweise – wir fragten nach netto neu geschaffenen Arbeitsplätzen – sind die 1592 Alstom-Arbeitsplätze also ein Grenzfall. Immerhin: Hätte Alstom die ABB-Bereiche nicht übernommen, wären diese Arbeitsplätze wohl verloren gegangen. Kommt hinzu, dass Alstom offenbar entschlossen ist, den Standort Schweiz auszubauen. Dafür spricht die Zahl der noch offenen Stellen: Mit 170 errang Alstom den vierten Rang, was die Zahl der offenen Stellen angeht – und 120 davon harren im Bereich Forschung und Entwicklung neuer Mitarbeiter.

Im dritten Rang der Stellenschaffer platziert sich die Swatch Group, die fast 1000 neue Arbeitsplätze in der Schweiz geschaffen hat. Auffallend ist hier, dass vom weltweit stattfindenden Personalaufbau (plus 1740) mehr als die Hälfte auf die Schweiz entfällt. Die Swatch Group glaubt also offenbar unentwegt an die Zukunft des Werkplatzes Schweiz. Dieser Glaube ist bei der Nummer vier der Rangliste, der CS Group, deutlich weniger ausgeprägt. Vom weltweiten Aufbau des Personalbestandes um mehr als 16 000 Mitarbeiter entfallen lediglich 781 auf die Schweiz, was aber immer noch locker für eine Position in der Spitzengruppe reicht.

Dort konnte sich wider Erwarten mit einem Plus von 737 Arbeitsplätzen auch die Post halten. Die 2600 neu geschaffenen Stellen im Vorjahr waren von der Post selber mit allerlei Vorbehalten gemeldet worden: Nachholbedarf nach der lange anhaltenden Konjunkturflaute, ausserordentlicher Personalbedarf durch Umstrukturierungen; der Zuwachs werde sich in den folgenden Jahren nicht einfach fortsetzen lassen. Gemessen an diesen zur Vorsicht mahnenden Aussagen, hat die Post abermals ein hervorragendes Resultat erzielt. Wie sich die in den nächsten Jahren geplante und politisch sehr umstrittene Redimensionierung des Poststellennetzes auf den Personalbestand auswirken wird, bleibt abzuwarten; beim erwarteten Sparpotenzial dieser Übung von rund 100 Millionen Franken dürften die Auswirkungen allerdings nicht allzu gravierend sein.

Orange Communications, vor Jahresfrist noch im dritten Rang der Stellenschaffer, ist in der Zwischenzeit auf Rang sechs abgerutscht, was aber immer noch fast 700 zusätzliche Arbeitsplätze bedeutet. Und auf Rang sieben folgt der Fünfjahreschampion McDonald’s Suisse: Seit die BILANZ die Rangliste der Stellenschaffer führt, war McDonald’s immer in der Spitzengruppe dabei, in den ersten drei Jahren gar in der unangefochtenen Topposition. In diesen fünf Jahren hat die Schweizer Filiale des amerikanischen Fastfood-Konzerns gut und gerne 3000 neue Arbeitsplätze geschaffen, sich also nahezu verdoppelt. Waren es in den ersten Jahren die jeweils zehn bis zwölf neuen Filialen pro Jahr, die für das Wachstum sorgten, so sind es heuer erstmals die beiden McDonald’s-Hotels, mit denen die Schweizer im weltweiten Hamburger-Verbund einen Feldversuch unternehmen.

Insgesamt zeichnet sich unsere Arbeitsplatzschaffer-Rangliste durch eine erstaunliche Kontinuität aus. Von den 20 besten Unternehmen des Vorjahres finden sich die Hälfte auch in diesem Jahr wieder in der Liste der Arbeitsplatzschaffer, 6 davon abermals in den top 20. Deutlich verändert hat sich freilich die Branchenstruktur der Spitzenreiter. Fanden sich vor Jahresfrist noch zehn Unternehmen aus Telekommunikation, Informatik und Hightechgeräten unter den top 20, so sind es heuer gerade noch drei. Nicht dass die anderen ganz einfach verschwunden wären. Aber die Wachstumsdynamik ist erst einmal weg. Die Funktion der Tempomacher am Arbeitsmarkt haben Unternehmen der traditionellen Branchen übernommen: Detailhandel, Restaurantketten, Banken, Versicherungen, ja sogar erstmals wieder einige Bauunternehmen. Darunter im 19. Rang die Batigroup, die ihren Personalbestand in der Schweiz um 203 Personen aufstockte und noch immer 110 offene Stellen zu besetzen hat.

Dass nicht alle Unternehmen der New Economy einfach vom Erdboden verschwunden sind – auch wenn dies etlichen passiert ist –, geht aus unserer Rangliste der Unternehmen mit dem grössten prozentualen Stellenwachstum hervor. Hier tummeln sich die meist kleinen bis allenfalls mittleren Unternehmen, die sich vom Einmannbetrieb zum Unternehmen mit einem halben Dutzend Beschäftigten entwickeln, was ein Personalwachstum von mehreren Hundert Prozent bedeutet. Der Schwerpunkt dieser Unternehmen liegt meist in der Softwareentwicklung für alle möglichen Anwendungen – von der Kommunikation wie bei der Tenovis über das Gesundheitswesen wie bei Medgate bis zur Prozessplanung wie bei Iclip. Oder es geht um neue technische Verfahren wie bei Eldesign, die ein neues Verfahren der Oberflächenbeschichtung entwickelt hat und damit derzeit in der Automobilindustrie Fuss fasst.

Dass der Stellenaufbau bei den meisten von unserer Umfrage erfassten Unternehmen nicht auf Zufall beruht oder auf einmaligen, besonders günstigen Umständen, geht daraus hervor, dass deutlich mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen nicht nur Stellen aufgebaut haben, sondern immer noch über etliche offene Stellen verfügen – insgesamt rund 3000 an der Zahl. Gesucht sind natürlich vorwiegend hoch qualifizierte Mitarbeiter, diese aber quer durch alle Berufskategorien. Deutliche Schwerpunkte liegen dabei in allen Branchen im Bereich Informationstechnik und in der Kundenberatung vor allem im Bank- und im Versicherungswesen.

Insgesamt zeichnet unsere Umfrage also ein deutlich positives Bild des schweizerischen Arbeitsmarktes. Ein Bild, das durch die Statistik der Erwerbstätigkeit bestätigt und durch die neuerdings wieder leicht anziehende Zahl der Arbeitslosen nicht grundsätzlich widerlegt wird. Überhaupt scheint es ratsam, bei der Beurteilung der Arbeitslosenstatistik auf dem Teppich zu bleiben. Mit einer Arbeitslosenquote von immer noch deutlich unter zwei Prozent ist die Schweiz im europäischen und weltweiten Umfeld weiterhin eine Insel der Vollbeschäftigung – zwei Prozent Arbeitslosigkeit würden in anderen Ländern bereits als Anzeichen für ein Austrocknen des Arbeitsmarktes gewertet. Selbst dort, wo Arbeitsplätze abgebaut werden, geschieht dies häufig nicht aus akuter wirtschaftlicher Not, sondern einfach, um sich veränderten Marktbedingungen anzupassen. Häufig wird nämlich nicht einfach weniger Personal gebraucht, sondern anderes. Nur das erklärt, warum Unternehmen, die Abbaumassnahmen in grossem Umfang ankündigen, gleichzeitig zum Teil Dutzende von offenen Stellen ausweisen. Und da sich der marktgetriebene Umbauprozess dank den neuen Technologien beschleunigt vollzieht, wird dieses Phänomen zum Normalfall. Will heissen: Der Zustand absoluter Vollbeschäftigung (null Prozent Arbeitslosigkeit) gehört definitiv der Vergangenheit an.

Umso wichtiger wird es, jene Unternehmen und Branchen zu kennen, in denen sich die Personalbestände kontinuierlich nach oben bewegen. Und genau diesem Zweck dient unsere jährliche Umfrage «Wer hat Arbeitsplätze geschaffen?». Sie soll ein Spiegelbild der tatsächlichen Bewegungen am Arbeitsmarkt bieten – und ein Schaufenster für jene Unternehmen, die diesen Markt in positivem Sinne beeinflussen.

Die tabellarischen Auswertungen entnehmen Sie aus der September-Ausgabe der BILANZ
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