Erstmals scherte Alexander Spillmann 2002 aus dem Banking aus, um die Geschäftsführung einer Weinhandlung zu übernehmen. Es war ein kurzes Schnuppern am Duft der Veränderung. Nach neun weiteren Jahren im Private Banking wagte Spillmann 2012 dann definitiv den Absprung: Der 47-jährige HSG-Absolvent wechselte zum Pensionskassen-Dienstleister Tellco. Ein weniger riskanter Move als derjenige ins Weinbusiness, aber doch eine radikale Veränderung.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Statt vermögende Privatkunden berät Spillmann heute Vorsorgeeinrichtungen in den Bereichen der versicherungstechnischen Organisationsform und der Anlagestrategie. Statt am noblen Zürcher Paradeplatz sitzt er an der Bahnhofstrasse in Schwyz – und hat Spass am neuen Job: «Es ist ein hochspannendes Gebiet, und meine Lebensqualität ist deutlich höher», sagt er. Opfer brachte er vor allem auf finanzieller Seite, ist der Bonus als Lohnzustupf doch massiv geschrumpft. Doch Spillmann bereut nichts: «Ich beneide meine Kollegen von früher nicht im Geringsten.»

Ein «Knochenjob»

Diese strampeln sich weiter ab in der Banking-Mühle, wo die guten Zeiten vorbei sind und die Neugelder nicht mehr so locker wie einst hereinfliessen. Ein «Knochenjob» sei die Tätigkeit des Relationship Managers geworden, meint Patrick Mack, seit vielen Jahren Headhunter im Banking. Vor allem bei den Grossbanken sei der Druck gross. «Die Leute werden an der kurzen Leine geführt und sehr viel stärker kontrolliert», stellt er fest.

Die Gründe dafür sind offensichtlich: Das Private Banking steckt in einem radikalen Wandel, der beeinflusst ist vom Commitment des Schweizer Bankenplatzes zur Weissgeldstrategie, von der Aufhebung des Bankgeheimnisses für ausländische Kunden, tieferen Margen und einem Tsunami an neuen Regulierungsvorschriften. Für die Relationship Manager heisst dies: Das Korsett für die Beratung ist sehr viel enger geworden – überall lauern Vorschriften und Formulare. Auch die Kunden fordern mehr ein, wo sie früher zufrieden waren, wenn ihr – häufig unversteuertes – Geld ordentlich verwaltet wurde. Teamleiter sitzen den Verkäufern an der Front im Nacken und wollen täglich wissen, wie viele Vermögensverwaltungsmandate in Aussicht stehen und wie viele Kunden an diesem Tag schon kontaktiert worden sind.

Strengere Spielregeln

«In ein paar Jahren wird es keine unternehmerisch denkenden Banker mehr geben», sagte der oberste Raiffeisen-Chef, Pierin Vincenz, kürzlich provokativ an einer Veranstaltung in Anspielung auf die wachsenden Regulierungsvorschriften. Sein Statement wird von Betroffenen bestätigt: «Man ist heute als Relationship Manager laufend unter Argumentationsdruck», sagt Martin Wegmüller. Auch er ist ausgestiegen – zumindest aus der Welt der Grossbank, der er 23 Jahre treu war. Seit wenigen Monaten arbeitet er bei der Trafina, einer kleinen Privatbank in Basel. Das Business ist das gleiche, Hierarchie und Unternehmenskultur sind indes näher an Wegmüllers Idealvorstellungen.

Etwas Neues wagen?

Mitmachen und sich auf härtere Zeiten einstellen oder etwas Neues wagen? Vor allem Private Banker, die schon lange dabei sind, stellen sich zunehmend die Sinnfrage, jetzt, da die Zeit der langen Mittagessen mit Kunden und der häufigen Golfplatzbesuche vorbei ist und strengere Spielregeln das Geschäft dominieren.

Johannes Toetzke kennt die Klagen. Der oberste Verantwortliche für globale und Schweizer Talententwicklung in der Vermögensverwaltung der Credit Suisse versucht in solchen Situationen, den Kundenberatern klarzumachen, dass auch das neue Private Banking Spass machen könne. «Diejenigen Mitarbeiter, die noch die alten Zeiten erlebt haben, sind sicher am schwierigsten ins Boot zu holen», sagt er. Er setzt auf Coaching und die Perspektiven der Branche: «Die weltweiten Vermögen wachsen, die Komplexität der Anlagemöglichkeiten steigt. Daher wird es immer gute Berater brauchen», so Toetzke. Und fügt an: «Der Job wird künftig noch anspruchsvoller, zugleich aber reizvoller in fachlicher Sicht wie auch punkto Sozialkompetenz und Kommunikation.»

18-monatiger Zertifizierungsprozess

Hunderte von Absolventen schleust die Credit Suisse jährlich durch den bis zu 18-monatigen Zertifizierungsprozess, den alle neuen Kundenberater durchlaufen müssen und der mit einer theoretischen und praktischen Prüfung endet. Diejenigen, die schon länger dabei sind, müssen zumindest einzelne Kurse absolvieren. Wer durchfällt, kann wiederholen oder erhält ein Coaching. Das führt zuweilen zu grotesken Situationen. «Wenn ein Seniorberater, der schon 20 Jahre dabei ist, plötzlich von einem 30 Jahre jungen Akademiker gecoacht werden muss, ist das für beide nicht so lustig», so Martin Wegmüller, der solches schon erlebt hat.

Mehr zum Thema lesen Sie in der aktuellen «BILANZ», seit Freitag am Kiosk oder mit Abo jeweils bequem im Briefkasten.