I thought that love
would last forever.
I was wrong.

W.H. Auden

Die Menschen sind unbelehrbar. Jeder Raucher glaubt, ausgerechnet er werde von Lungenkrebs verschont bleiben; jeder Fettwanst ist überzeugt, nur die anderen stürben an Herzinfarkt; jede Braut und jeder Bräutigam sind sicher, gerade diese Ehe werde halten, «bis dass der Tod sie scheidet».

So früh kommt der Tod selten. Jede dritte Ehe endet in der Schweiz mit einer Scheidung, im Kanton Zürich ist es fast jede zweite, oft nach wenigen Jahren. Naiv wäre es zu glauben, die andere Hälfte schwelge ein Leben lang im Eheglück. So manche Paare arrangieren sich, leben aneinander vorbei oder trennen sich ohne Scheidung. Auch wenn es sich zynisch anhört: Die geglückte Ehe ist statistisch der Ausnahmefall, nicht die Regel.

Und doch gilt die Institution Ehe als staatserhaltend und wird gegenüber dem Konkubinat erb- und steuerrechtlich bevorzugt. Immerhin haben sich die Gesetzgeber aufgerafft und wichtige Bestimmungen des Zivilgesetzbuches von 1907 den gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst. Seit dem 1. Januar 2000 ist es weder für die Scheidungsklage noch für den so genannten «nachehelichen Unterhalt» entscheidend, wer die Schuld am Misslingen des vermeintlichen Lebensbundes trägt. Um einen menschenwürdigen Abschied voneinander zu ermöglichen, können Ehepaare nach einer vierjährigen Trennung gemeinsam die Scheidung verlangen und dem Richter gleichzeitig einen Vorschlag machen, wie sie die Unterhaltszahlungen und die Aufteilung des Vermögens regeln wollen. Das Gericht prüft nur noch, ob der eine den anderen über den Tisch gezogen hat, sofern es dazu überhaupt Zeit findet.

Das ist gut gemeint. Aber auch das neue Eherecht habe nichts daran geändert, meint der St.-Galler Rechtsprofessor Thomas Geiser, dass viele Ehepartner den Streit im Scheidungsverfahren ausdrücklich suchen, weil ihre Gefühle verletzt wurden. Auseinandersetzungen um Rechtsfragen sind lediglich eine Möglichkeit, emotionalen Aufruhr loszuwerden. Wer den Kampf will, findet auch nach neuem Eherecht Mittel und Wege, ihn zu führen. Die gesetzlich festgelegte vierjährige Trennungsfrist vor der Scheidung lässt sich beliebig verlängern, wenn der Mann oder die Frau die gütliche Einigung immer wieder hintertreibt und der andere Partner die finanzielle Regelung nicht dem Gericht überlassen will.

Um Recht zu erhalten, ist kein Aufwand zu gross. Da werden Anwälte unter anderem mit langwierigen Recherchen beauftragt, ob der Ehepartner nicht vor Jahren schon Geld beiseite geschafft und damit die finanzielle Ausgangslage für die Scheidung verfälscht hat. Der Zürcher Rechtsanwalt Bernhard Rüdy, der Scheidungsfälle vorwiegend für begüterte Klienten übernimmt, weiss, wie aufwändig es ist, auf Jahrzehnte zurück den gemeinsamen Verdienst, die Vermögensvermehrung und die Investitionen eines Partners beispielsweise in ein gemeinsames Haus zu verfolgen oder den Aktienbesitz einigermassen fair zu bewerten.

Besonders heikel ist die Situation, wenn die Ehepartner zusammen ein Unternehmen besitzen, das sich nicht einfach verkaufen lässt. Auch den einen Partner auszuzahlen, ist bei Vermögenswerten in Millionenhöhe nicht immer möglich. Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer müssen dann entwirren, was die Ehepartner vermeintlich auf ewig verknüpft hatten.

Gerade Manager und Unternehmer haben aber auch häufig ein eigenartiges Rollenverständnis. «Statt die Gattin auf Rosen zu betten, sollten sie mit Vorteil alles dafür tun, dass sich die Frauen ihr berufliches und soziales Umfeld erhalten», sagt Rechtsanwalt Rüdy. Die finanzielle und gesellschaftliche Abhängigkeit eines Ehepartners vom anderen wirkt sich in aller Regel nachteilig auf die Ehe, erst recht auf die Scheidung aus.

«Noch immer gehört es zum Stolz vieler Männer, ihre Ehefrau standesgemäss zu versorgen, und zum Selbstverständnis mancher Frauen, die Berufstätigkeit aufzugeben und stattdessen ein gastliches Haus zu führen und sich der Kindererziehung zu widmen.» Mit der Folge, dass die Persönlichkeit der Frau vernachlässigt wird und dass sie mit den Jahren keine adäquate Gesprächspartnerin für ihren Mann mehr ist. Nach Meinung von Bernhard Rüdy ist es verheerend, dass sich die klassische Rollenteilung – die Frau in den Haushalt, der Mann ins Geschäft – immer noch hartnäckig am Leben erhält.

Diese Abhängigkeit führt bei einer Scheidung fast unweigerlich zu hässlichen Auseinandersetzungen. Nach altem Eherecht wurden die Unterhaltsbeiträge nach dem Grad des Verschuldens bemessen. Die Gesetzgeber haben mittlerweile offenbar erkannt, dass es für einen Richter nicht nur unappetitlich ist, im Privatleben anderer Menschen zu wühlen, sondern auch schlicht unmöglich, die Schuldfrage abschliessend zu klären. Heute richteten sich die Unterhalts- oder Solidaritätsbeiträge danach, wie «lebensprägend» die Ehe gewesen sei, sagt Professor Thomas Geiser.

Das lässt der Interpretation durch die Gerichte weiten Spielraum. Kann die einige Jahre dauernde Ehe einer mässig verdienenden ehemaligen Sekretärin mit einem gut bezahlten Manager – das Beispiel ist aus dem Leben gegriffen, obwohl es sich wie ein Klischee anhört – so prägend gewesen sein, dass der 35-jährige Mann bis zum Pensionsalter für den standesgemässen Unterhalt seiner Exfrau zu sorgen hat? Oder war sie lediglich ein Durchlauferhitzer für einen gehobenen Lebensstil? Weil das neue Scheidungsrecht erst eineinhalb Jahre in Kraft ist, wäre es zu früh, aus der Praxis einen Trend herauszulesen. Auf die Gerichte kommen jedenfalls schwierige Entscheidungen zu.

Nicht einmal die Ansprüche an die Vorsorgeleistungen sind so klar geregelt, wie es ein Blick ins Zivilgesetzbuch vermuten lässt. «Jeder Ehegatte hat Anspruch auf die Hälfte der nach dem Freizügigkeitsgesetz für die Ehedauer ermittelte Austrittsleistung des anderen Ehegatten», heisst es in Artikel 123. Die Austrittsleistungen, die man von der Pensionskasse berechnen lassen kann, werden also zusammengezählt und durch zwei geteilt. Was aber, sagt Thomas Geiser, wenn der eine Partner bereits Vorsorgegelder bezieht? Was, wenn mit den Pensionskassengeldern Wohneigentum finanziert worden ist? Wird es dann zwingend verkauft und der Erlös geteilt, wenn der Partner nicht durch andere Vermögenswerte in gleichem Mass abgefunden werden kann? Auch in dieser Frage lässt die allzu kurze Gerichtspraxis noch keine Schlüsse zu.

Da kommt was auf uns zu. Die Verhältnisse werden nicht einfacher, sondern noch sehr viel komplizierter. Besteht der Lohn des einen Ehepartners nämlich zu einem guten Teil aus Aktienoptionen und ähnlichen Erfolgsprämien, wie sie für Manager gang und gäbe sind, bietet deren Bewertung Raum für endlose Geplänkel. Das Gleiche gilt für komplexe Vorsorgelösungen.

Nachdem die Detektive eine Pfründe verloren haben, weil sie keine Beweise für den Seitensprung und also die Schuld von Ehepartnern mehr aufspüren müssen, kommen jetzt die Wirtschaftsprüfer und Anlagespezialisten zum Zug. Scheidungen werden damit aufwändiger und teurer. Ohnehin beklagen sich schon viele Anwälte, nach dem alten Scheidungsrecht sei die Konventionalscheidung, die gütliche Einigung der beiden Partner, einfacher gewesen. Da genügte oft eine viertelstündige Verhandlung, und der Fall war erledigt.

Heute müssen die Richter die beiden Ehepartner gemeinsam und separat befragen, danach werden den Scheidungswilligen zwei Monate Bedenkzeit aufgebrummt. Haben beide bis dahin die Meinung nicht geändert, wird das Urteil schriftlich und ohne erneute Verhandlung zugestellt. Manche Anwälte halten diese Frist für eine Schikane und Bevormundung ihrer Klienten.

Dabei ist die Trennung ohnehin schon belastend genug. Immerhin ist für die meisten Paare damit ein Traum zerflossen, ganz zu schweigen von gegenseitigen Verletzungen, bösartigen Vorwürfen und oft jahrelangem Misstrauen. Zudem verhindern hohe Unterhaltszahlungen oft eine neue Beziehung. «Allein die Tatsache, dass die monatliche Belastung des Kontos jahrelang die Erinnerung an die vergangene Partnerschaft wach hält, ist eine grosse Belastung», sagt Bernhard Rüdy.

Er ist sich bewusst, dass die meisten Ehepaare seinen vielleicht wichtigsten Rat in den Wind schlagen, auch wenn er ihn auf Grund jahrelanger Erfahrung mit Scheidungen für überaus nützlich hält. «Jedes Paar sollte regelmässig die finanziellen Verhältnisse durchleuchten und sich fragen: Was geschähe, wenn wir uns heute trennten?» Das würde bei einer allfälligen Scheidung die Auseinandersetzungen und Recherchen wesentlich abkürzen. Aber wer glaubt denn schon an die Trennung, bevor sie absehbar ist und – immer häufiger – sich der eine oder der andere Ehepartner beim Anwalt unverbindlich nach den Folgen einer Scheidung erkundigt? Also empfiehlt Bernhard Rüdy, wenigstens alle Quittungen für Anschaffungen und Investitionen in den gemeinsamen Haushalt aufzuheben. Auch daran werden sich die wenigsten halten. Andere Ehen mögen scheitern, sagen sie sich, unsere nicht. Die Hälfte befindet sich mit dieser Meinung im Irrtum.
Partner-Inhalte