Im Sommer waren die Abbau- und Sparplänen der Migros in der Genossenschaft und in den Medien ein grosses Thema. Um zu überprüfen, wer mit wem redet und ob jemand allenfalls auch mit Journalisten spricht, wurden offenbar auch Kontakte auf Geschäftstelefonen von Migros-Mitarbeitenden überprüft.
Hat sich der Konzern damit rechtlich auf Glatteis begeben?
«Die Überwachung der Telefone ohne Einwilligung der Arbeitnehmer und gegebenenfalls des Gesprächspartners durch den Arbeitgeber ist klarerweise unzulässig», stellt Professor Thomas Geiser, Arbeitsrechtspezialist an der Universität St. Gallen klar.
«Eine heimliche personenbezogene Überwachung halte ich nicht für zulässig», sagt auch Irmtraud Bräunlich Keller, Arbeitsrechtsexpertin und Teamleiterin im Beratungszentrum des «Beobachters». «Man müsste aber genauer wissen, wie die Überwachung abgelaufen ist, ob es ein Nutzungsreglement gab und ob die Mitarbeiter grundsätzlich informiert waren», so Bräunlich Keller weiter.
Überwachung muss bekannt gegeben werden
In einem Merkblatt des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten EDÖB sind die Grenzen bei der Überwachung von Telefonen am Arbeitsplatz genau definiert. «Der Einsatz von Überwachungssystemen zur Kontrolle der Einhaltung der Nutzungsregelung für die Telefonie kann zu unzulässigen Eingriffen in die Persönlichkeit des Arbeitnehmers führen, wenn gewisse Voraussetzungen nicht eingehalten werden», heisst es im Dokument.
Eine eventuelle Überwachung des Telefonverkehrs muss vom Arbeitgeber transparent kommuniziert werden. «Der Arbeitgeber hat insbesondere darüber zu informieren, dass die Möglichkeit der personenbezogenen Kontrolle der telefonischen Protokollierungen besteht und dass die Auswertungsresultate Grundlage einer Sanktionierung darstellen können, falls ein Missbrauch festgestellt wird», erläutert Silvia Böhlen Chiofalo vom EDÖB.
Ob die Migros ihre Mitarbeiter über die Möglichkeit einer solchen Kontrolle informiert hat, ist nicht bekannt. In jedem Falle wäre das Vorgehen eher gerechtfertigt, wenn das Unternehmen ein spezielles Überwachungsreglement besitzt, das die Überprüfung von Kontaktdaten bei geschäftsschädigendem Verhalten beinhaltet.
Verhältnismässigkeit fragwürdig
Grundsätzlich kann eine Firma durchaus Massnahmen ergreifen, wenn ein Mitarbeiter gegen die Interessen des Unternehmens verstösst, also beispielsweise Geschäftsgeheimnisse systematisch an die Konkurrenz weitergibt. Die Firma könne dann auch Überwachungsmassnahmen setzen, dürfe aber auch dann die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter nicht systematisch verletzen, also beispielsweise alle Geschäftshandys einsammeln und auswerten. Besteht ein begründeter Verdacht, muss sich die Massnahme auf einen begrenzten Personenkreis beziehen.
Die befragten Experten sehen in der Auswertung von Kontaktdaten, mit Hilfe einer externen Forensik-Firma ein überschiessendes Verhalten. Nur aufgrund beispielsweise eines Medienberichts sei es eher angezeigt, das persönliche Gespräch mit Mitarbeitern zu suchen, bei denen man die Quelle für eine Informationsweitergabe vermutet. Ansonsten stehe die Verhältnismässigkeit der Reaktion des Arbeitgebers auf ein vermutetes Verhalten der Mitarbeiter in Frage.
Migros suchte nach Verbindungsnachweisen
Die Migros-Pressestelle schreibt in einer Stellungnahme: «Aufgrund eines begründeten Verdachts auf eine unbefugte Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen hat eine interne Untersuchung stattgefunden mit dem Ziel, die möglichen Ursachen der Vertraulichkeitsverletzung zu identifizieren. Dabei wurde, bezogen auf einen zurückliegenden kurzen Zeitraum, nach einem bestimmten Verbindungsnachweis auf Geschäftstelefonen gesucht.» Die Überprüfung sei eine ausserordentliche Massnahme und unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden abgewickelt worden. Eine eigentliche Telefonüberwachung habe nicht stattgefunden.
Hält eine Firma die Regeln bei einer Telefonüberwachung nicht ein, weist sie ihre Mitarbeiter also nicht auf diese Möglichkeit hin, etwa im Rahmen eines Nutzungsreglements oder wertet systematisch alle Handys aus, kann dies als Persönlichkeitsrechtsverletzung angefochten werden.
«Mitarbeitende, die sich in ihrer Privatsphäre verletzt fühlen und keine Einigung erreichen können, müssten dann aber eine Zivilklage erheben, was angesichts des Subordinationsverhältnisses und der damit verbundenen Risiken eher schwierig ist», sagt Böhlen Chiofalo. «In krassen Fällen könnten sie sich eventuell auch an das zuständige kantonale Arbeitsinspektorat wenden.»