Kontrollen, Zäune, Rucksackverbot. Dem Terror nicht weichen - und trotzdem reagieren. Auch beim Oktoberfest versuchen die Verantwortlichen diesen Spagat. Selbst wenn alle betonen, dass die Stimmung nicht leidet: Die Wiesn wird dieses Jahr anders sein.
Hotels verzeichnen weniger Buchungen, Wiesn-Tische werden storniert, zwei Trachtenvereine sagten für den Umzug zur Festwiese ab, Prominente streichen Einladungen: Die Terrorangst hat das Münchner Oktoberfest erreicht.
Neues Sicherheitskonzept
Aus Sicherheitsgründen dürfen erstmals keine grossen Taschen und Rucksäcke mitgenommen werden. Ein mobiler Zaun sperrt die bisher noch offene Seite am Festgelände ab. An den Eingängen werden die Besucher kontrolliert.
Mit dem neuen Sicherheitskonzept reagieren die Veranstalter auf die Serie von Gewalttaten im Juli in Bayern: ein Amoklauf mit neun Todesopfern in München, das erste mutmasslich islamistische Selbstmordattentat in Deutschland mit 15 Verletzten in Ansbach und eine vermutlich islamistisch motivierte Axt-Attacke mit fünf Verletzten bei Würzburg.
Keine konkrete Gefährdung
«Das Thema Sicherheit steht ganz oben», sagt der Wiesn-Chef und zweite Bürgermeister Josef Schmid. Er betont zugleich: München werde sich das Volksfest «nicht vermiesen lassen».
Der Wiesn-Chef, die Stadt, die Wirte - alle sind sich einig in der Zielrichtung: Ruhe bewahren, dem Terror nicht nachgeben, trotzdem feiern. Seitens der Sicherheitsbehörden heisst es bisher auch unisono: Es gibt für die Wiesn keine konkrete Gefährdungslage.
Weniger Buchungen
Dennoch ist die Stimmung schon vor dem Volksfest anders als sonst. «Ich geh heuer nicht auf die Wiesn» - den Satz hört man von vielen Einheimischen.
Hoteliers verzeichnen eine geringere Nachfrage. Gut zwei Wochen vor dem Anstich gab es noch Zimmer in der Nähe des Festgeländes, sogar am besonders gefragten zweiten Wochenende. Der Vize des Hotel- und Gaststättenverbandes in der Kreisstelle München, Martin Stürzer, geht von 10 bis 15 Prozent weniger Buchungen aus.
Ersatz ist kein Problem
Regine Sixt sagte ihre traditionelle Damen-Wiesn mit Prominenten ab. Die Verantwortung für ihre mehr als 1000 Gäste könne sie nicht übernehmen, teilte die Unternehmerin mit. Mancher Wiesn-Tisch wird storniert. Wirtesprecher Toni Roiderer sagt freilich, das sei «überhaupt nicht erwähnenswert» und für jede Stornierung gebe es Dutzende neuer Anfragen.
Für den traditionellen Trachten- und Schützenzug mit 9000 Trachtlern am Sonntag nach dem Anstich sagten zwei Vereine aus Sorge um die Sicherheit ab. Ersatz sei kein Problem, sagt der Präsident des Festrings, Karl-Heinz Knoll. Der Festring München könnte auf Grund der Bewerbungen mehrere Züge ausrichten.
Er habe Verständnis, sehe die Sache aber anders: «Wenn wir den Befürchtungen nachgeben, wird es unmöglich sein, grössere, öffentliche Veranstaltungen durchzuführen.»
Angst vor Anschlag nicht neu
Die Angst vor einem Anschlag auf der Wiesn ist nicht neu. 1980 hatte ein Rechtsradikaler eine Bombe gezündet, 13 Menschen starben. Seit Drohungen des Terrornetzwerks Al Kaida 2009 gibt es drei Sperrgürtel. Elektronisch steuerbare Poller wurden installiert, damit niemand mit einem Auto oder Lastwagen wie in Nizza auf das Volksfest rasen kann.
Dieses Jahr sollen nun 450 Ordner für Sicherheit sorgen, 200 mehr als bisher. Die Stadt muss für die Sicherheit ein paar Millionen Euro mehr hinblättern. Sicherheitsunternehmen sind in Zeiten von Terrorangst und Flüchtlingskrise gefragt, die Stundensätze mit 60 Euro saftig.
Keine Billigveranstaltung
Medien zufolge kosten allein die Ordner 3,6 Millionen Euro. Dazu kommen eine neue Lautsprecheranlage für Warndurchsagen, zusätzliche Gepäckaufbewahrungsstellen und 350 Meter mobiler Zaun.
Voraussichtlich nächstes Jahr wird das alles auch auf die Preise durchschlagen. «Dass das Oktoberfest keine Billigveranstaltung sein kann, ist klar», sagt Wirtesprecher Roiderer. «Alle Kosten, die mehr anfallen, schlagen sich auf die Preise von Produkten nieder.» Zum Beispiel auf die Mass Bier, die in diesem Jahr 10,40 bis 10,70 Euro kostet.
Umstrittener Zaun
Der mobile Zaun war monatelang umstritten. Manche erinnerten besorgt an die tödliche Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg. Darüber hört man nun aber keine Debatten mehr.
Ursprünglich sollte der Zaun gegen eine mögliche Überfüllung helfen - die bis vor kurzem noch als Hauptgefahr galt. Bis zu 500'000 Menschen schieben sich an manchen Tagen über das rund 30 Hektar grosse Areal. Dann wird es teils so eng, dass Zelte kaum zu evakuieren wären und Rettungskräfte nur schwer durchkämen - egal, ob bei einem Anschlag, Brand oder Unfall.
Zumindest an den Wochenenden werden die Besuchermassen weiter eine Hauptaufgabe sein. Dann wird sich zeigen, ob die zusätzliche Gepäckaufwahrung ausreicht und die Ordner die neuen Kontrollen meistern, ohne dass es lange Schlagen gibt.
(sda/ccr)