Was ist eine Schuld? Ganz einfach: Ein Geldbetrag, den ich von jemandem erhalten habe und den ich zu einem vereinbarten Zeitpunkt zurückzahlen muss. Dumm nur, dass ich Schuld auch dann habe, wenn ich ein Kind auf dem Fussgängerstreifen überfahre oder einen Mord begehe. Zurückzahlen geht dann nicht. Es hilft nur Reue.

Wegen des Doppelsinns von Schuld haben wir den Salat, aus dem David Graeber, Mitgründer der Occupy-Bewegung, in seinem Buch ein sehr schmackhaftes Gericht herstellt. Weil er kein Ökonom, sondern Anthropologe ist, bleibt bei seiner Analyse des Schulden-Tatbestands der entwicklungsgeschichtlich entstandene, real existierende Mensch im Zentrum der Betrachtung. Sein Fazit – gültig von der Antike bis zur aktuellen Finanzmarktkrise: Wer sagt denn, dass wir unsere Schulden zurückzahlen müssen? In der Natur des Menschen ist das gewiss nicht angelegt.

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Moralisch ist Schuldeneintreiben auch nicht. Schliesslich heisst es im «Vaterunser»: «… wie auch wir vergeben unseren Schuldigern». Praktikabel ist das Rezept, Schulden ganz einfach nicht zu bezahlen, dennoch nicht. Es sei denn, die Schuld ist gross genug. Dann gilt das amerikanische Sprichwort: «Wenn Sie der Bank 100 000 Dollar schulden, gehören Sie der Bank. Wenn Sie der Bank 100 Millionen Dollar schulden, gehört die Bank Ihnen.»

David Graeber
Schulden – die ersten 5000 Jahre
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart
525 Seiten, Fr. 36.90

Alle erwähnten Bücher können Sie bestellen unter www.bilanz.ch/shop