Gutes tun und darüber schweigen, lautet die Devise vieler Schweizer. Auch Unternehmen, die sich sozial engagieren, schreiben sich dies ungern auf die Fahne. Dennoch ist Corporate Social Responsibility (CSR) oft ein wichtiger Bestandteil der Firmenkultur. Auch bei Synpulse. Die Consultingfirma ist mit sechs Standorten weltweit vertreten, in der Schweiz mit 115 Mitarbeitenden. «Wir haben immer schon sehr viel Wert auf unsere Unternehmenskultur gelegt», sagt Christoph Nützenadel, CEO und Partner in der Schweiz. «Wenn unsere Mitarbeiter zwischen einem Bonus und einem gemeinsamen Wochenende wählen können, ziehen die meisten das Wochenende vor.»
Sie sponsern den Bau von Schulen in Afrika oder engagieren sich für sauberes Trinkwasser: CSR – sozial und ökologisch verantwortungsvolles Handeln von Unternehmen – ist beliebt. Studien zeigen, dass sich das Engagement positiv auf die Firma und ihre Kultur auswirkt. Das Unternehmen verbessert sein Image, ist attraktiver für Kunden und Mitarbeiter. Im besten Fall steigt der Gewinn.
«Das Bewusstsein für Fragen rund um die soziale und ökologische Verantwortung hat in den letzten Jahren in der Bevölkerung an Bedeutung gewonnen», sagt Jürg Krummenacher. Der Dozent und Studienleiter des CAS Corporate Social Responsibility der Hochschule Luzern sieht, dass sich heute viele Unternehmen ihrer Verantwortung stärker bewusst sind als früher.
Hilfe zur Unternehmensgründung
Synpulse ging eine Kooperation mit der For-Impact-Organisation Aiducation ein. In Kenia und auf den Philippinen unterstützt die Organisation begabte und bedürftige Schüler. Neben Stipendien erhalten sie Mentoring-Programme durch die Unternehmen. Die Firma schickt ein Team ins Land und gibt ihr Wissen in Workshops weiter. Ziel ist es, die Schüler bis zur eigenen Unternehmensgründung zu coachen. In der Schweiz ist Aiducation seit 2007 tätig und hat bisher über 1200 Stipendien vergeben, elf Unternehmen wurden erfolgreich gegründet.
Kooperationen mit Schweizer Unternehmen bestehen unter anderen mit dem Gesundheitszentrum Fricktal, Google und der Swiss Re. «Durch die Workshops bekommen die Mitarbeiter nicht nur ein Gespür für andere Kulturen, sondern erhalten Zugang zu Talenten», sagt Florian Kapitza, Gründer und CEO von Aiducation International. Immer mehr Angestellte wollten einen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Unternehmen, die sich sozial engagierten, seien oft attraktiver, denn sie böten ihren Mitarbeitern neben dem Alltagsgeschäft die Möglichkeit der Selbstverwirklichung.
Man kann nicht jeder Firma einen CSR-Siegel aufdrücken
Vergangenes Jahr war Stefanie Wolff eine von vier Synpulse-Mitarbeitenden aus der Schweiz, die auf die Philippinen flogen. Das Geld dafür sammelte sie mit einem Team im Unternehmen. «Wir haben uns einmal im Monat getroffen und uns Aktionen wie einen Ricardo-Verkauf oder Sportveranstaltungen überlegt, an denen wir Geld für Aiducation sammeln konnten», sagt sie. Insgesamt seien so 15'000 Franken zusammengekommen. Den Rest zahlte die Firmenleitung.
Ein einwöchiger Workshop kostet rund 25'000 Franken. Dazu kann jeder Mitarbeiter freiwillig einem Schüler ein Scholarship zahlen: 3000 Franken kostet die ganze Ausbildung. «Bei uns sind es sicher an die 20 Personen, die privat einen Schüler unterstützen», sagt CEO Nützenadel. Dass man sich als Unternehmen in diesem Projekt engagiere, habe weniger mit dem Image zu tun, das man nach aussen kommunizieren wolle, als mit der bereits bestehenden Firmenkultur: «Wir sind dabei, weil es einfach zu uns passt.»
Für ihn stehen die Werte im Vordergrund, die auch über den Erfolg des sozialen Engagements entscheiden: «Man kann nicht einfach jeder Firma ein CSR-Siegel aufdrücken und dann erwarten, dass alles besser läuft.» Eine Firma, die von Hierarchien durchzogen und von Egoismus geprägt ist, sei auch durch CSR nicht zu heilen.
Weniger Fehler und grösseres Commitment
Für Professor Krummenacher fängt CSR schon im Betrieb an. Dazu gehöre ebenso die Möglichkeit von Teilzeitarbeit wie die Unterstützung von Mitarbeitenden, die sich in der Freiwilligenarbeit engagieren. «Wir wollen den Mitarbeiter als ganzheitlichen Menschen ansprechen», sagt Gerhard Lohmann.
Der CFO der Business Unit Reinsurance der Swiss Re brachte die Kooperation mit Aiducation vor drei Jahren ins Rollen. «Sie können jemanden für sich arbeiten lassen und ihm einen Bonus zahlen. Dann erreichen Sie die Person vielleicht zu 30 Prozent. Wenn Sie der Person aber einen Mehrwert zusätzlich zu ihrer Arbeit bieten, erreichen Sie sie vielleicht zu 70 Prozent.» Ein Mitarbeiter, der sich sozial engagiere, mache weniger Fehler und habe ein grösseres Commitment gegenüber seinem Unternehmen.
Fünf Mal im Jahr nach Kenia
Mit der Swiss Re Foundation verfolgt der Rückversicherer seit Jahren philanthropische Aktivitäten. Durch Kooperationen mit anderen Stiftungen wie auch Aiducation wird der Mitarbeiter direkt eingebunden: Je mehr Verantwortung jeder übernimmt, umso erfolgreicher könne das Unternehmen sein, sagt Lohmann.
Zusammen mit Aiducation wurde die Swiss Re Start Up Academy entwickelt: Fünf Mal im Jahr fliegen je fünf Angestellte des Grosskonzerns nach Kenia und auf die Philippinen, um dort Workshops durchzuführen. Pro Jahr spendet die Swiss Re einen sechsstelligen Betrag im Rahmen dieses Projekts. Das Engagement in Subsahara-Afrika kommt auch bei den dortigen Kunden des Rückversicherers gut an. Es werde als Commitment gegenüber der Region wahrgenommen, sagt Gerhard Lohmann.
Positive Wirkung auf Kunden-Mitarbeiter-Beziehung
Dass sich CSR positiv auf die Kunden-Mitarbeiter-Beziehung auswirkt, wurde erstmals 2014 in einer Studie der Drexel University unter der Leitung von Daniel Korschun herausgefunden. Laut Korschun definiert CSR die Werte einer Firma und kann somit die Werte des Kunden ansprechen. Wer die gleichen Werte teilt, kommt eher ins Gespräch und zum Geschäftsabschluss. Zudem würden Mitarbeiter selbstbewusster ins Kundengespräch gehen und seien motivierter.
Shazia Khan war Mentorin an einer der Swiss Re Academies in Kenia und unterstützt seitdem privat den Lebensunterhalt einer Studentin. «Ich war zwar immer schon sehr motiviert, aber die Erfahrung, die ich in Kenia sammeln durfte, hat meine Motivation noch gesteigert», sagt die Direktorin im Bereich Finanzen. Zudem sei ihre Verbundenheit ihrem Arbeitgeber Swiss Re gegenüber gestiegen.
In der Schweiz gibt es weitere Organisationen, die Kooperationen mit Unternehmen anstreben: Ashoka Schweiz, Euforia oder Bookbridge. Hier wird gemeinsam mit Mitarbeitenden ein Geschäftsplan für ein Lernzentrum in einem Schwellenland entwickelt. Dabei arbeiten die Teilnehmer aus Unternehmen wie Swiss Re oder Trafigura mit Talenten aus Ländern wie Kambodscha oder Sri Lanka zusammen – virtuell und vor Ort. «Wir wollen durch die Lernzentren die Lebenschancen der Menschen vor Ort verbessern, indem wir ihnen beibringen, wie Unternehmer zu denken», sagt Carsten Rübsaamen, CEO von Bookbridge.
Verschiedene Ansichten
Trotz überwiegend positiver Erfahrungen mit CSR gibt es Stimmen, die im sozialen Engagement der Firmen eher den Wunsch nach einem reinen Gewissen sehen. 2015 wertete Katja Rost, Professorin für Soziologie an der Universität Zürich, 162 Studien aus, die positive Auswirkungen von CSR auf Gewinn, Börsenkurs und die Reputation von Unternehmen zeigten. Rost kam aber zu dem Ergebnis, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen CSR und Unternehmensperformance gebe, da nur Positivbefunde veröffentlicht wurden, Negativbefunde hingegen nicht.
Bei Synpulse schaut man das selbst gedrehte Video von den Philippinen gerne an. Neben motivierten Studenten sind Mitarbeiter wie Stefanie Wolff zu sehen. Statt Business-Outfit trägt sie Jeans und T-Shirt und lacht in die Kamera – CSR scheint hier zu funktionieren.
In welchen Schweizer Städten die Mitarbeiter am zufriedensten mit ihrem Lohn sind, sehen Sie in der Bildergalerie: