Die einen reden von der New Old Economy, andere von der Next Economy, Bill Gates wiederum spricht von einer «dritten Phase des Internets». Gemeint ist immer dasselbe: Indem das Internet aus dem akademischen Milieu ausgebrochen ist und einen völlig neuen Wirtschaftszweig hat entstehen lassen, ist es jetzt endgültig und branchenübergreifend zum Must geworden. Kurzum: Es gibt praktisch keine Unternehmen mehr, die sich nicht mit dem Web und den damit verknüpften Technologien beschäftigen.
Es erscheint daher nur logisch, dass sich immer mehr Manager und IT-Verantwortliche von Grossunternehmen unter jenen prägenden Köpfen finden lassen, die das Web in zunehmend grossem Stil zu nutzen beginnen. Ein Blick auf das «Who is who?» der BILANZ zeigt jedenfalls, dass jeder Zehnte in einem Finanzinstitut beschäftigt ist. Stellvertretend für diesen Trend stehen aber auch Leute wie der ABB-Mann Jouko Karvinen oder wie Yves Barbieux, der für Nestlé und andere Konsumgüterkonzerne einen B2B-Marktplatz aufbaut.
Grosse Budgets allein machen jedoch nicht glücklich. Das You-Debakel der Bank Vontobel hat deutlich gemacht, dass es auch in der zweiten Welle in erster Linie auf die Macher ankommt. Entscheidend ist die richtige Mischung aus solider Kenntnis des Kerngeschäfts und technologischem Flair. Das mussten im ersten Jahr nach dem grossen Crash auch manche Gründer erfahren. Viele von ihnen sind an den neuen Herausforderungen gescheitert. Einige wie die Viviance-Gründer, Røsa-Chef Marky Goldstein oder Search.ch-Gründer Rudolf Räber haben die Lektion jedoch gelernt und sind immer noch dabei.
Ebenso Daniel S. Aegerter oder Martin Altorfer: Sie haben ihre Jungunternehmen schon wieder verkauft und engagieren sich bereits als Geldgeber für die nächste Start-up-Generation. Beide sind vom kommerziellen Potenzial des Internets überzeugt. Aber eben nicht mehr blind. Ganz nach dem Motto: Die Interneteuphorie ist tot. Es lebe das Internet
 
DER E–JURIST
Rolf Auf der Maur (39), Experte
Mitgründer und Partner, Vischer Anwälte und Notare, Zürich

ram@vischer.com
In der Gesetzgebung haben kleine begriffliche Ursachen oft ungeahnte reale Wirkungen. Ein aktuelles Beispiel dazu ist das Gesetz über die elektronischen Medien. Da war der entscheidende Streitpunkt, ob das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) Webcasting und On-Demand-Streaming im Internet als Programmangebot bewertet und damit mit den im Radio- und Fernsehgesetz vorgeschriebenen Werberestriktionen belegt. Das Bakom hat sich dagegen entschieden. «Diese Regelung ist im Interesse der Wirtschaft», sagt Rolf Auf der Maur, der als Vizepräsident der Swiss Interactive Media Association (Sima) aktiv für die nun vorgeschlagene liberale Regelung lobbyiert hat. Die Einflussnahme auf die Rechtsetzung im Onlinebereich ist für Auf der Maur, einen der Schweizer Pioniere in Sachen Onlinerecht, ein wesentlicher Bestandteil seiner Arbeit als Wirtschaftsanwalt. Daneben betätigt er sich mit seinem Team von spezialisierten Anwälten vor allem als Berater. «Wir versuchen, die Verträge unserer Kunden so wasserdicht zu machen, dass keine Streitfälle entstehen.» Am meisten Arbeit bereiten ihm derzeit die Haftungsfragen im boomenden ASP-Geschäft sowie Fragen rund um Zusammenarbeitsverträge zwischen Onlineanbietern. Rechtsfragen, die noch an Bedeutung gewinnen werden, «weil sich die Unternehmen immer stärker auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren». In ruhigeren Gewässern, so der frühere Regattasegler, bewege sich hingegen das B2C-Geschäft. «Beim Online-Einkauf mit der Kreditkarte ist die Rechtslage klar: Das Risiko tragen die Händler.»
 
MARKTMACHER
Yves Barbieux (63), Experte
Chairman, CPGmarket.com, Genf

yves.barbieux@cpgmarket.com
Der gebürtige Franzose Yves Barbieux, von Beruf Ingenieur, trat in den frühen Siebzigerjahren bei Nestlé ein. Als Generaldirektor war er in mehreren Ländergesellschaften in aller Welt tätig. Im Sommer letzten Jahres nahm er den Posten als CEO von CPGmarket.com an.
Für diesen Business-to-Business-Marktplatz im Internet haben sich die Unternehmen Danone und Nestlé, Henkel und SAP zusammengeschlossen. Für Yves Barbieux war das ein äusserst ungewöhnlicher Schritt: «Zum ersten Mal in der Geschichte des Kapitalismus haben sich miteinander konkurrierende Unternehmen zusammengetan, um ihre Produktivität zu verbessern.»
Hinter dieser Allianz steht die nahe liegende Idee, die Einkaufskosten zu senken und die Beziehungen zwischen den Lieferanten und den Käufern im Konsumgütergeschäft zu vereinfachen. Heute sind die administrativen Abläufe sehr viel einfacher. «Es genügt, auf einen Knopf zu drücken, und schon ist der Vertrag abgeschlossen.»
Als Nächstes will CPGmarket Nordamerika als Markt erschliessen und später sogar auf der ganzen Welt aktiv werden. Das Ziel von CPGmarket ist eine Supply Chain, die vom Endverbraucher bis zum Einkauf von Rohmaterialien reicht.
Yves Barbieux nimmt an, dass bis in zwei, drei Jahren rund hundert Unternehmen über CPGmarket bei rund 15 000 Lieferanten einkaufen werden, was zu einem Umsatz von geschätzten 250 Millionen Euro führen sollte.
 
ONLINEBANKER
Oliver Benz (38), Experte
CEO, bbtrade.ch, Zürich

obenz@bbtrade.ch
In der Schweizer Bankenszene gibt es zurzeit nur ein Thema: Der 150-Millionen-E-Banking-Flop der Bank Vontobel. Schadenfreude ist jedoch, zumindest bei den Grossbanken und den unabhängigen Onlinebrokern, nicht angezeigt. Denn dort wurde zum Teil noch viel mehr Geld in ähnlich waghalsige Projekte gesteckt. Bestätigt fühlen können sich hingegen Leute wie Oliver Benz. Seit Mitte 1999 hat er unter dem Namen bbtrade.ch für die Bank am Bellevue (BAB) das Onlinebanking aufgebaut und ist dabei nicht von hochfliegenden Annahmen, sondern von realen Bedürfnissen der Kundschaft sowie von einer glasklaren Kosten-Nutzen-Rechnung ausgegangen. «Wir machen nur, was rentiert», sagt er. So offeriert bbtrade nebst dem Zugriff auf ausgewählte Resultate der eigenen Analysten lediglich die Möglichkeit, mit SWX-Aktien und -Optionen zu handeln.
Auf der bbtrade-Lohnliste stehen nur fünf Namen, und da man bei den Ausgaben für externe Fachleute ebenfalls zurückhaltend war, kostete der Onlinebereich der BAB bisher bei weitem keine zehn Millionen Franken. Als passionierter Marathonläufer hat Benz seine Kräfte gut eingeteilt: Er sitzt deshalb nicht auf einer teuren Investitionsruine und kann seine laufenden Kosten bereits aus den Erträgen decken. Mehr noch: Da viele unabhängige Onlinebroker mit der E-Baisse kämpfen und ihre Dienste auch Drittanbietern zur Verfügung stellen, kann bbtrade jetzt Rosinen picken. «Die Anbindung an die grossen Börsenplätze bauen wir zum Beispiel nicht selber», sagt Benz, «dafür arbeiten wir mit Partnern zusammen.» Die Verhandlungen seien im Gange.
 
BANKPIONIERE
Marc Bürki (39), Experte, Paulo Buzzi (39), Experte
Co-CEO Swissquote Group, Gland

marc.burki@swissquote.ch, paolo.buzzi@swissquote.ch
Neun Monate nach dem Börsengang ihres Unternehmens, sechs Monate nach der offiziellen Anerkennung der Swissquote Bank als erstes Bankinstitut mit ausschliesslich Online-Aktivitäten zeigen sich die beiden Gründer befriedigt, obwohl sie wie alle Dotcom-Unternehmen von Schwierigkeiten nicht verschont bleiben. Gewiss ist der Aktienkurs von Swissquote nicht besonders hoch – um es höflich auszudrücken. Er liegt bei weniger als 90 Franken, der Ausgabepreis betrug 250 Franken. Gewiss haben die beiden Unternehmer viel Zeit und Energie in die Beziehungen mit ihren Investoren stecken müssen. Aber «wie gut die Matrosen sind, zeigt sich bei hohem Wellengang», wie sie sagen. Im Übrigen habe sich Swissquote besser als andere börsenkotierte Internetfirmen der Schweiz gehalten. Und noch ein Trost: Trotz dem Auftauchen der Konkurrenten Fimatex und besonders Consors auf dem Schweizer Markt sind die Courtage-Gebühren nicht zusammengebrochen, wie man hätte erwarten können. Der Betriebsverlust lag letztes Jahr unter den budgetierten vier Millionen Franken, und hinter den zwei Grossbanken steht Swissquote mit einem Marktanteil von 15 Prozent auf dem dritten Platz, was Onlinetransaktionen an der Schweizer Börse betrifft.
Die Firma beschäftigt heute 160 Mitarbeiter. Marvel Communications, ein Mitglied der Swissquote-Gruppe, hat mit Zurich Financial Services einen wichtigen Kunden gewonnen, für dessen Webauftritt Swissquote als Dienstleister auftritt.
 
PORTALBAUER
Daniel Grossen (37), Experte
VR-Delegierter und CEO, Scout24 (Schweiz), Baar

dgrossen@scout24.ch
bernischen Flamatt ist eine kerngesunde Internetfirma. Sie hat Kunden wie die Post, für die sie das Portal Yellowworld aufgebaut hat, verfügt mit dem gelben Riesen auch über einen starken Partner im Aktionariat und ist selbst wiederum an anderen Firmen aus dem Internetbusiness beteiligt. Kurzum: Xmedia-Gründer Daniel Grossen, der als Einzelmaske die Firma 1995 gegründet hat, ist ein Unternehmer mit Meriten. Deshalb wundert es nicht, dass sich die Zuger Beisheim Holding (BHS) an ihn wandte, als sie sich vor gut zwei Jahren mit dem Gedanken trug, einen gesamteuropäischen B2C-Handelsplatz aufzubauen. Sie brachte Grossen mit der deutschen Firma Mastercar an einen Tisch, und zusammen entwickelten die Partner schliesslich die Software, die heute sämtlichen Scout24-Plattformen zu Grunde liegt.
Doch Grossen wollte nicht nur Entwicklungspartner sein. Den Verkäufer aus Leidenschaft zog es in die operative Führung; seit knapp einem Jahr ist er Geschäftsführer der Scout24 (Schweiz) und betreibt Marktplätze für Immobilien, Jobs und Autos. «Unser Autoscout vernetzt bereits über 1500 Automobilhändler in der Schweiz», schwärmt Grossen. Die Geldgeber von der Beisheim Holding erwarten viel von Grossen: Er muss die Schweizer Scout-Tochter zum Marktführer machen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird nicht gespart in Baar. Grossen kann allein heuer einen «hohen siebenstelligen Betrag» in die Werbung investieren. Auch für Akquisitionen ist Geld vorhanden. Soeben hat Grossen für 15 Millionen Franken die Jobplattform Topjobs gekauft.

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