Google unter dem Mutterkonzern Alphabet gehört zu den Top Ten der erfolgreichsten Unternehmen weltweit. 2019 machte Alphabet Umsätze von 161,9 Milliarden Dollar – davon 82 Prozent alleine durch die Werbeerlöse der Google-Suchmaschine.
Das Managementsystem Objectives & Key Results (OKR) gilt als Erfolgsrezept des Internetriesen und hat das Mindset im Silicon Valley massgeblich geprägt. Das im April erschienene Buch «Objectives & Key Results (OKR)» widmet sich diesem «agilen Betriebssystem für moderne Organisationen» – und zwar sowohl theoretisch als auch mit praktischen Anwendungstipps.
Selbst tun und anderen helfen
Die Autoren Patrick Lobacher und Christian Jacob sind mit ihrer GmbH Die Agilen in München seit fast zehn Jahren als Berater für Agilität, Innovation und Transformation mit Schwerpunkt auf Objectives & Key Results tätig. Und beide sammelten bereits Erfahrung als Autoren. Unter anderem veröffentlichten sie 2017 gemeinsam ein Buch zum Thema «Agiles Zielmanagement und modernes Leadership mit OKR» im Selbstverlag.
Im aktuellen Werk stellen sie ihr berufliches Kernthema erneut in den Fokus und richten sich dabei nicht nur an Führungskräfte, sondern an jeden einzelnen Mitarbeitenden und, der etwas poetisch klingenden Widmung des Buches entsprechend, an alle, «die sich für den Menschen im Mittelpunkt einer modernen Wirtschaft einsetzen».
OKR verstehen die Autoren weder als Methode noch als Tool oder Prozess, sondern schlicht «als Basis jeglichen agilen Handelns und damit der Kultur» eines Unternehmens. Doch bevor sie tief in die Werte, Begrifflichkeiten und Funktionsweisen von OKR eintauchen, widmen sie sich rund vierzig Seiten lang dem Begriff der Agilität.
Erst 2001 in der Software-Branche entstanden, «um den neuen Anforderungen des digitalen Zeitalters gerecht zu werden», ist dieses Wort heute kaum noch aus Wortschatz und Mindset moderner Unternehmen wegzudenken. Die Autoren stützen sich bei ihrer Definition von Agilität auf das «Manifest für Agile Softwareentwicklung» von damals.
Als Grundsätze gelten dabei: «Es selbst tun und anderen dabei helfen»; «Individuen und Interaktionen» seien wichtiger als Prozesse und Werkzeuge; «Funktionierende Software» sei wichtiger als umfassende Dokumentation; «Zusammenarbeit mit dem Kunden» sei wichtiger als Vertragsverhandlung und «Reagieren auf Veränderung» sei wichtiger als das Befolgen eines Plans.
Regeln, lange Pläne und Analysen seien Artefakte klassischer Methoden und würden im heutigen Zeitalter hoher Dynamik nicht mehr funktionieren. «Werte und Prinzipien sind die agilen ‹Pläne und Analysen›», schreiben die Autoren und bezeichnen OKR als «werte- und prinzipienbasiertes Framework».
Wolle man Objectives & Key Results in seinem Unternehmen anwenden, gelte es daher in einem ersten Schritt, ein klares Unternehmensleitbild zu formulieren und stets die grosse Frage nach dem Warum zu beantworten. Denn: Das stifte Sinn und motiviere Mitarbeitende in ihrer täglichen Arbeit.
Dann folgen ein bis vier klar formulierte Objectives, also Ziele, für die nächsten drei bis vier Monate, die in der neuen Welt nicht mehr vom Management alleine, sondern von den Teams definiert werden. Schliesslich folgt die Formulierung von maximal vier Key Results pro Ziel, also von Kernergebnissen, die dazu beitragen sollen, die Ziele tatsächlich zu erreichen.
Selbstorganisierte Teamarbeit, Kommunikation und Transparenz sind die zentralen Themen von OKR. Von allen einsehbare Whiteboards oder Softwaresammlungen sollen allen Mitarbeitenden jederzeit Einblicke in die Tätigkeiten der jeweils anderen geben.
Systemtheorie als Hintergrund
Die agilen Werte basieren laut den Autoren auf Selbstverpflichtung, Mut zur Veränderung, Offenheit durch schonungslose Transparenz, Fokus auf eine Aufgabe, um Energie zu sparen, und Respekt als Grundlage für eine funktionierende Teamarbeit. Den verbindenden und schulenden Überblick behält im Idealfall ein OKR-Master. Das Ziel: OKR «soll sicherstellen, dass Mitarbeiter besser, motivierter und effektiver zusammenarbeiten, sich dabei fokussieren und messbare Beiträge leisten, um die Organisation nach vorne zu bringen».
Lobacher und Jacob haben das Buch ohne Verlag veröffentlicht, was im Layout hier und da auffällt. Auf manchen Seiten sorgen bis zu drei Schriftarten ein wenig für Chaos. Auffällig breite (rund 4,5 Zentimeter) weisse Seitenränder treiben die Gesamtseitenzahl des Werkes künstlich in die Höhe.
Inhaltlich ist das Buch dennoch nachvollziehbar strukturiert. Das Inhaltsverzeichnis ist umfangreich, zahlreiche Zwischenüberschriften bieten zwar Orientierung, hätten aber prägnanter gewählt werden können, um den Leser gekonnter durch das Werk zu leiten.
Die Autoren begegnen dem Leser auf Augenhöhe und vermitteln verständlich, welche Werte, Prinzipien und Strategien für Agilität sorgen und worauf es bei der Einführung und Umsetzung von OKR ankommt. Sie stützen sich dabei immer wieder auf die Systemtheorie von Niklas Luhmann, begreifen Unternehmen und Organisationen als «soziale Systeme» und stellen den Menschen als notwendigen, kommunizierenden und aktiven Teil des Ganzen in den Mittelpunkt.
Wer OKR in seinem Unternehmen einsetzen möchte, findet in diesem Werk die zentralen Informationen.
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