Alle wollen ihn, aber längst nicht jeder und jede kriegt ihn: den perfekten Abgang aus einem exponierten Job. Die letzten Tage haben wir mit Mitte-Parteipräsident Gerhard Pfister und Bundesrätin Viola Amherd zwei Beispiele von Rücktritten gesehen, die unterschiedliche Resonanz bekamen, obwohl die Ausgangslage ähnlich war: Beide traten freiwillig und unerwartet zurück.
Doch während Pfisters Verdienste als Parteipräsident nach dem ersten Erstaunen gebührend gewürdigt wurden, kam Viola Amherd unter die Räder. Die NZZ sprach von einer «durchzogenen Leistung» der «lächelnden Sphinx». Die «Handelszeitung» nannte sie eine «glücklose Verteidigungsministerin».
Die Gastautorin
Karin Kofler ist Geschäftsführerin der Zuger Wirtschaftskammer und freischaffende Publizistin.
Ob die Leistungsbewertung der beiden gerechtfertigt ist, kann ich nicht beurteilen. Die Merkmale eines geglückten Abgangs würde ich jedoch aus meiner langjährigen Beobachtung zahlreicher Managerrücktritte wie folgt beschreiben:
- Der gewählte Zeitpunkt kann mit guten Argumenten begründet werden.
- Die betroffene Person muss wirken, als sei sie Treiberin, nicht Getriebene.
- Ein paar relevante Highlights des eigenen Schaffens können klar benannt werden.
- Die Worte zum eigenen Rücktritt müssen entspannt, souverän und etwas emotional klingen, aber nicht vor Eigenlob triefen. Ein Schuss Selbstkritik kann nicht schaden.
- Nachtreten und austeilen gegen andere ist verboten – und wenn, dann höchstens mit einer lockeren ironischen Note (vorausgesetzt, der eigene Leistungsausweis stimmt).
Viola Amherds Rücktrittsworte an einer Medienkonferenz wirkten gehetzt, abgelesen, distanziert und teils frustriert: «Ich überlasse die Bilanz Ihnen, Sie haben das Sündenregister sicher schon bereit.» Bei Punkt drei blieb sie zu schwammig: «Es konnten wichtige Pflöcke eingeschlagen werden.» Und last but not least: Das Timing wirkte konstruiert. Am Ende blieb der Eindruck, dass sie einfach keine Lust mehr hatte, kaum war das Feuer des Highlights – ihr Präsidialjahr – erloschen.
Anders Gerhard Pfister: Der scheidende Zuger Parteipräsident der Mitte bettete seine überraschende Ankündigung in eine stimmige Story ein, indem er insinuierte, er habe 2025 immer als Entscheidungsjahr geplant – auch im Interesse seiner Partei. «Im Juni wird unsere Strategie 2033 abgeschlossen sein, und im Herbst beginnen bereits die Vorbereitungsarbeiten für die Wahlen 2027.» Auch machte Pfister klar, dass er keine Lame Duck sein werde bis zum Sommer 2025, wenn er den Stab abgibt, sondern noch die Strategie für die Wahlen mitprägen möchte. «Ein Mann, ein Plan» – das war die Wirkung.
Als alter Fuchs wusste Pfister natürlich auch, dass er dann gleich als möglicher Amherd-Nachfolger gehandelt werden würde. Auch da nahm er sich geschickt via «Sonntagszeitung» aus dem Rennen, indem er sich als selbstreflektierte Person darstellte, die das Amt zwar könnte, aber nicht wirklich glücklich darin wäre.
Fazit: Rücktrittsnote 5,5 für Geri Pfister – eine 3,75 für Amherd.