«Sechs Korn Müesli», «Würfel Zucker», «Behinderten WC» - häufig werden zusammengesetzte Wörter durch Leerschläge getrennt. Das ändert ihre Bedeutung - und ist falsch. Experten sehen einen der Gründe in der Smartphone-Kommunikation.
Selten wurde über ein Satzzeichen so leidenschaftlich diskutiert wie zuletzt über den Bindestrich. Auslöser waren Wahlbenachrichtigungen in Deutschland in leichter Sprache, die vor regionalen Wahlen am kommenden Sonntag verschickt wurden. Von «Haus-Nummer» war da die Rede, von «Vor-Name» und «Post-Leit-Zahl"».
Lauter Bindestriche in Wörtern, die eigentlich zusammengeschrieben werden. Das war für viele deutsche Kommentatoren zu viel, die Aufregung gross. Dabei fristet der Bindestrich seit Jahren ein kümmerliches Schattendasein: Der «Deppenleerschlag» greift um sich.
Der was? Der Begriff Deppenleerschlag (oder in Deutschland Deppenleerzeichen) bezeichnet Leerschläge in Komposita, also zusammengesetzten Wörtern. Diese falsch gesetzten Leerstellen sind überall: an Gebäuden, auf Verpackungen, in der Werbung. Vom «Bauern Frühstück» ist die Rede und von «Würfel Zucker». Ein Film wirbt mit dem Untertitel «Die Party Bullen», der Japaner heisst «Sushi Bar». Liebhaber korrekter Rechtschreibung müssen - nun ja - Abstriche machen.
Altes Phänomen auf dem Vormarsch
Das Phänomen ist alt, hat aber an Fahrt gewonnen. «Mein Eindruck ist tatsächlich: Es wird mehr», sagt einer, der ein Bewusstsein für Sprache schaffen möchte. Titus Gast ist Journalist und Betreiber des Blogs deppenleerzeichen.de - einer «humoristischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Leerzeichen in Komposita».
Für ihn geht es um mehr als nur Pedanterie. Bedenklich sei, wenn durch ein falsches Leerzeichen die Verständlichkeit eingeschränkt werde. Beispiel «Zugang zum Behinderten WC»: «Da steht dann, dass das WC behindert ist. Es führt einfach auf eine falsche Fährte», sagt Gast.
Bestsellerautor und Sprachkritiker Bastian Sick («Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod») könnte etliche dieser Beispiele nennen. Er hat schon vor mehr als zehn Jahren «ein Traktat über depperte Leer Zeichen und unerträgliche Wort Spalterei» geschrieben. Heute sagt er: «Das Deutsche zeichnet sich durch die wunderbare Möglichkeit der Wortzusammensetzung aus. Keine andere Sprache kann so viele Bandwurmwörter erzeugen.»
Zu lange Komposita
Aber wo wird der Bindestrich denn nun eigentlich gesetzt? «In den allermeisten Fällen wird er genutzt, um die Struktur klarer erkennbar zu machen», sagt Kristin Kopf. Kopf ist Linguistin an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Oder, wie die Hochschule selbst schreibt: an der Johannes Gutenberg-Universität. «Namen werden oft anders behandelt als andere Wörter», sagt Kopf.
Der Leerschlag macht auch vor akademischen Einrichtungen nicht Halt. In Berlin entsteht das «Humboldt Forum», das Robert-Koch-Institut schreibt sich wahlweise «Robert Koch-Institut» (im Impressum) oder Robert Koch Institut (im Logo).
Grundsätzlich habe es sich in den vergangenen Jahrhunderten durchgesetzt, die Bestandteile von Komposita zu verbinden, sagt Kopf. Und Sick: «Es gibt im Deutschen keine Wortzusammensetzung, deren Bestandteile unverbunden nebeneinander stehen können.» Wem das Bandwurmwort Arbeiterunfallversicherungsgesetz wenig leserlich erscheint, der schreibt Arbeiterunfallversicherungs-Gesetz. In anderen Fällen ist der Bindestrich Pflicht, etwa, wenn eine Abkürzung Bestandteil des Kompositums ist: Akw-Bau.
Am Englischen orientiert
Aber warum sehen wir den Leerschlag immer öfter? Der deutsche Student Erik Lutz hat darüber an der Universität Eichstätt-Ingolstadt die Seminararbeit «Deppen Leer Zeichen» geschrieben. Darin nennt er drei Gründe: den Einfluss von Produktaufschriften und Werbung, das Vorbild des Englischen sowie das Schreiben auf Smartphone und Co.
Bei Produkt- und Markennamen lägen der Getrenntschreibung häufig gestalterische Überlegungen zugrunde. Produktnamen auf Verpackungen gehen oft über mehrere Zeilen, ein Bindestrich am Zeilenende sieht nicht gut aus. Die Ästhetik macht aus «Bergbauernmilch» «Bergbauern Milch». In manchen Fällen soll das auch internationaler wirken.
«Der allgemeine Trend ist eben, dass wir uns ganz und gar am Englischen orientieren», sagt Autor Sick. Im Englischen gibt es zusammengeschriebene Komposita nämlich nicht; stattdessen werden Leerzeichen gesetzt. Es heisst «online banking», nicht wie im Deutschen «Online-Banking» oder gar «Onlinebanking».
Smartphones sind schuld
Wesentlich jünger ist ein anderer Einfluss: das Tippen auf Mobilgeräten mit Worterkennungssystem (oder ist Worterkennungs-System besser lesbar?). Allerdings sei der Bindestrich auf den Tastaturen der meisten Smartphones nicht auf derselben Tastatur zu finden wie die Buchstaben, schreibt Lutz.
Komplexe Komposita erkennen die Systeme ohnehin nicht. Viele Nutzer verzichten deshalb auf den Bindestrich und schreiben die Wörter zusammenhanglos nebeneinander: «Kneipen Viertel Abend». In den meisten Fällen weiss der Leser dennoch, was gemeint ist.
Sprache ändert sich. «Aus sprachwissenschaftlicher Sicht finde ich das spannend», sagt Kopf über den Deppenleerschlag. Allerdings gehen auch Ausdrucksmöglichkeiten verloren. Ein «Chefingenieur» sei nun mal etwas anderes als ein «Chef Ingenieur», sagt Lutz.
(sda/ccr)