Manager-BILANZ: Corporate Governance ist für viele ein Schlagwort, für Sie aber Gegenstand Ihrer Forschungsarbeiten. Was haben Sie herausgefunden?
Rory Knight: Mein eigentliches Forschungsgebiet sind die Gründe für den Erfolg eines Unternehmens. Corporate Governance ist ein Teil davon.
Wie messen Sie den Erfolg?
Überhaupt nicht. Wir stellen nur fest, woran ihn andere messen.
Die Investoren?
Auch, ja. Aber die sind sich keineswegs einig, was Erfolg eigentlich ist. Die einen sehen die Entwicklung des Unternehmens eher als Marathon, die anderen als Kurzstreckenlauf. Erfolg ist für die beiden Gruppen etwas ganz anderes. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen dem europäischen und dem angloamerikanischen Zugang zu Fragen nach dem Erfolg. Europäer begegnen der, wie sie meinen, kurzfristigen Sicht amerikanischer Investoren mit grosser Skepsis. Tatsächlich wäre die Analyse allein der Quartalsabschlüsse keine gute Basis, um langfristig einen hohen Wert des Unternehmens aufzubauen. Aber wir können es auch anders sehen: Die Zeit wird alle hundert Meter gestoppt, um festzustellen, ob der Marathonläufer seine Kräfte richtig einteilt.
Die Befürchtung besteht aber, dass Manager wegen dieser dauernden Erfolgskontrolle gar nicht dazu kommen, langfristig zu denken.
Sicher, Manager sollen ihre Zeit nicht in Aktionärsversammlungen und Analystenmeetings verbringen. Sie sollten handeln statt ununterbrochen zu beschreiben, was gerade passiert. Andererseits hält das die Manager in Trab. Wo jederzeit eine Übernahme droht, geraten sie nicht ins Schlendern.
In Europa sind Firmenübernahmen sehr viel komplizierter als in den USA. Der Druck auf die Manager ist also viel weniger ausgeprägt.
Täuschen Sie sich nicht. Shareholder-Value ist auch in Europa wichtig geworden. Um ausreichend Kapital zu bekommen, müssen die Unternehmen vieles transparent machen, was sie traditionell als Interna betrachtet haben.
Ist der Unternehmenserfolg europäischer Firmen deshalb geringer als jener in den USA?
Wenn man Erfolg daran misst, ob Cashflow generiert wird, dann können die Europäer mit den Amerikanern jederzeit mithalten. Die US-Firmen sind den Europäern jedoch voraus, wenn es gilt, Shareholder-Value zu schaffen.
Daran dürfte sich in nächster Zeit kaum etwas ändern. Das Europäische Parlament hat die Vorschriften zum Schutz der Minderheitsaktionäre bei Firmenübernahmen abgelehnt.
Das ist eine Frage der Zeit. Gerade die deutschen Banken mit ihren hohen Industriebeteiligungen spüren den Druck des Marktes. Auch die mittelständischen Unternehmen brauchen zunehmend Aktienkapital. Das bekommt langfristig nur, wer die Investoren zufrieden stellt und ihre Regeln annimmt.
Sollten die Europäer die starren Vorschriften der Amerikaner übernehmen?
Warum denn? Die stammen aus den frühen Dreissigerjahren und waren die Antwort auf den Crash. Ich sage nicht, diese Vorschriften hätten sich nicht bewährt. Aber die Europäer sollten sie nicht unbesehen übernehmen. Das Problem in Europa besteht darin, dass die Unternehmen, genauer das Management, die Regeln bisher weit gehend selbst bestimmen konnten. Das wird sich die Finanzgemeinde in Zukunft nicht mehr bieten lassen.
Was würden Sie als europäischer Politiker ändern?
Ich stehe, Gott sei Dank, nicht vor dieser Frage. Aber ich vertraue doch zu einem guten Teil auf die Selbstregulierung des Marktes. Martin Ebner hat in der Schweiz eine Vorreiterrolle gespielt, indem er als Investor Druck auf die Unternehmen aufsetzte. Ich bin, was Europa betrifft, optimistisch. Und vielleicht ist es ganz gut, dass die ablehnende Haltung des Europäischen Parlaments Zeit verschafft, die Probleme weiterzudiskutieren.
Und die Lösung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben.
So lange werden die Märkte nicht Geduld haben. Denken Sie an die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone. Sogar Bundeskanzler Gerd Schröder hatte die Meinung kundgetan, Mannesmann müsste deutsch bleiben. Gegen die Kräfte des Marktes anzurennen, hat aber nichts genützt.
Nicht alle Unternehmen sind in diesem Ausmass auf Kapital angewiesen.
Das stimmt. Von den am New York Stock Exchange kotierten Unternehmen haben nur fünf eine Kriegskasse, die mit fünf bis sechs Milliarden Dollar gefüllt ist, darunter Microsoft oder Intel; in Europa sind es aber an die sechzig Unternehmen, von den Banken einmal abgesehen. Wer keine oder nur geringe Reserven hat, muss hart arbeiten, um an das nötige Kapital heranzukommen. Und wer davon zu viel hat, muss damit Aktien zurückkaufen. Die Investoren sind in den USA bis heute eben viel härter gewesen. Europa hat da noch einiges zu gewärtigen.
Was sich nicht zum Nachteil europäischer Unternehmen auswirken muss.
Nein, überhaupt nicht. Ich bin überzeugt, dass sie grosse Chancen haben. Investitionen in Europa werden in den nächsten Jahren interessant sein. Da gibt es gute Ideen, starke Marken, hervorragende Unternehmen mit ausgezeichnetem Ruf.
Das sind verborgene Werte, die zu entdecken sind. Die Anerkennung dieser Werte wird nicht lange auf sich warten lassen und sich in den Aktienkursen sehr bald ausdrücken. Ich bin sicher, dass sich Investitionen in europäische Unternehmen lohnen werden. Natürlich ist die Einführung des Euro ein gewisses Risiko. Aber das wird durch die Vorteile mehr als wettgemacht.
Haben Sie keine Zweifel, dass die Manager in Europa dieser Herausforderung gewachsen sind?
Sie werden vor der Aufgabe stehen, den Erwartungen der Investoren die richtigen Antworten zu geben. Das ist nicht einfach, aber lernbar. Umso mehr, als ihre Saläre zunehmend mit dem Shareholder-Value verknüpft sind.
Was voraussetzt, dass der CEO auch einen substanziellen Einfluss auf den Aktienkurs eines Unternehmens hat.
Dieser Einfluss wird eher überschätzt. Was aber gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, ist der Ruf eines Unternehmens, und der ist oft mit der Person an der Spitze verbunden. Jack Welch, CEO von General Electric, ist ein gutes Beispiel dafür. Die Märkte bringen ihm so viel Vertrauen entgegen, dass nicht einmal die Ankündigung seines Rücktritts zu einem Einbruch des Börsenkurses geführt hat. Offenbar trauen sie ihm eine erfolgreiche Nachfolgeregelung zu. Er selber hat ja auch gesagt, er fürchte nichts so sehr, wie wenn jemand etwas tue, was dem Ruf des Unternehmens schade.
Andererseits büsste Coca-Cola das Missgeschick mit verschmutzten Flaschen in Belgien mit einem Kurssturz. Der Grund war nicht, dass die Firma einen Fehler gemacht hätte, sondern das Versagen des Managements, das die Wahrheit nur scheibchenweise und auf Druck der Medien herausgerückt hat. Die Manager wurden auf diese Weise einem Test unterzogen und haben ihn nicht bestanden.
Vertrauen schaffen ist demnach ein wichtiger Teil der Corporate Governance?
Wahrscheinlich der wichtigste. Die Märkte verlangen kein Feuerwerk. Die Entwicklung der New Economy hat sie skeptisch gemacht. Aber sie verlangen Ehrlichkeit. Leadership zeigt sich eben auch darin, wie man schlechte Nachrichten überbringt.
Rory Knight: Mein eigentliches Forschungsgebiet sind die Gründe für den Erfolg eines Unternehmens. Corporate Governance ist ein Teil davon.
Wie messen Sie den Erfolg?
Überhaupt nicht. Wir stellen nur fest, woran ihn andere messen.
Die Investoren?
Auch, ja. Aber die sind sich keineswegs einig, was Erfolg eigentlich ist. Die einen sehen die Entwicklung des Unternehmens eher als Marathon, die anderen als Kurzstreckenlauf. Erfolg ist für die beiden Gruppen etwas ganz anderes. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen dem europäischen und dem angloamerikanischen Zugang zu Fragen nach dem Erfolg. Europäer begegnen der, wie sie meinen, kurzfristigen Sicht amerikanischer Investoren mit grosser Skepsis. Tatsächlich wäre die Analyse allein der Quartalsabschlüsse keine gute Basis, um langfristig einen hohen Wert des Unternehmens aufzubauen. Aber wir können es auch anders sehen: Die Zeit wird alle hundert Meter gestoppt, um festzustellen, ob der Marathonläufer seine Kräfte richtig einteilt.
Die Befürchtung besteht aber, dass Manager wegen dieser dauernden Erfolgskontrolle gar nicht dazu kommen, langfristig zu denken.
Sicher, Manager sollen ihre Zeit nicht in Aktionärsversammlungen und Analystenmeetings verbringen. Sie sollten handeln statt ununterbrochen zu beschreiben, was gerade passiert. Andererseits hält das die Manager in Trab. Wo jederzeit eine Übernahme droht, geraten sie nicht ins Schlendern.
In Europa sind Firmenübernahmen sehr viel komplizierter als in den USA. Der Druck auf die Manager ist also viel weniger ausgeprägt.
Täuschen Sie sich nicht. Shareholder-Value ist auch in Europa wichtig geworden. Um ausreichend Kapital zu bekommen, müssen die Unternehmen vieles transparent machen, was sie traditionell als Interna betrachtet haben.
Ist der Unternehmenserfolg europäischer Firmen deshalb geringer als jener in den USA?
Wenn man Erfolg daran misst, ob Cashflow generiert wird, dann können die Europäer mit den Amerikanern jederzeit mithalten. Die US-Firmen sind den Europäern jedoch voraus, wenn es gilt, Shareholder-Value zu schaffen.
Daran dürfte sich in nächster Zeit kaum etwas ändern. Das Europäische Parlament hat die Vorschriften zum Schutz der Minderheitsaktionäre bei Firmenübernahmen abgelehnt.
Das ist eine Frage der Zeit. Gerade die deutschen Banken mit ihren hohen Industriebeteiligungen spüren den Druck des Marktes. Auch die mittelständischen Unternehmen brauchen zunehmend Aktienkapital. Das bekommt langfristig nur, wer die Investoren zufrieden stellt und ihre Regeln annimmt.
Sollten die Europäer die starren Vorschriften der Amerikaner übernehmen?
Warum denn? Die stammen aus den frühen Dreissigerjahren und waren die Antwort auf den Crash. Ich sage nicht, diese Vorschriften hätten sich nicht bewährt. Aber die Europäer sollten sie nicht unbesehen übernehmen. Das Problem in Europa besteht darin, dass die Unternehmen, genauer das Management, die Regeln bisher weit gehend selbst bestimmen konnten. Das wird sich die Finanzgemeinde in Zukunft nicht mehr bieten lassen.
Was würden Sie als europäischer Politiker ändern?
Ich stehe, Gott sei Dank, nicht vor dieser Frage. Aber ich vertraue doch zu einem guten Teil auf die Selbstregulierung des Marktes. Martin Ebner hat in der Schweiz eine Vorreiterrolle gespielt, indem er als Investor Druck auf die Unternehmen aufsetzte. Ich bin, was Europa betrifft, optimistisch. Und vielleicht ist es ganz gut, dass die ablehnende Haltung des Europäischen Parlaments Zeit verschafft, die Probleme weiterzudiskutieren.
Und die Lösung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben.
So lange werden die Märkte nicht Geduld haben. Denken Sie an die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone. Sogar Bundeskanzler Gerd Schröder hatte die Meinung kundgetan, Mannesmann müsste deutsch bleiben. Gegen die Kräfte des Marktes anzurennen, hat aber nichts genützt.
Nicht alle Unternehmen sind in diesem Ausmass auf Kapital angewiesen.
Das stimmt. Von den am New York Stock Exchange kotierten Unternehmen haben nur fünf eine Kriegskasse, die mit fünf bis sechs Milliarden Dollar gefüllt ist, darunter Microsoft oder Intel; in Europa sind es aber an die sechzig Unternehmen, von den Banken einmal abgesehen. Wer keine oder nur geringe Reserven hat, muss hart arbeiten, um an das nötige Kapital heranzukommen. Und wer davon zu viel hat, muss damit Aktien zurückkaufen. Die Investoren sind in den USA bis heute eben viel härter gewesen. Europa hat da noch einiges zu gewärtigen.
Was sich nicht zum Nachteil europäischer Unternehmen auswirken muss.
Nein, überhaupt nicht. Ich bin überzeugt, dass sie grosse Chancen haben. Investitionen in Europa werden in den nächsten Jahren interessant sein. Da gibt es gute Ideen, starke Marken, hervorragende Unternehmen mit ausgezeichnetem Ruf.
Das sind verborgene Werte, die zu entdecken sind. Die Anerkennung dieser Werte wird nicht lange auf sich warten lassen und sich in den Aktienkursen sehr bald ausdrücken. Ich bin sicher, dass sich Investitionen in europäische Unternehmen lohnen werden. Natürlich ist die Einführung des Euro ein gewisses Risiko. Aber das wird durch die Vorteile mehr als wettgemacht.
Haben Sie keine Zweifel, dass die Manager in Europa dieser Herausforderung gewachsen sind?
Sie werden vor der Aufgabe stehen, den Erwartungen der Investoren die richtigen Antworten zu geben. Das ist nicht einfach, aber lernbar. Umso mehr, als ihre Saläre zunehmend mit dem Shareholder-Value verknüpft sind.
Was voraussetzt, dass der CEO auch einen substanziellen Einfluss auf den Aktienkurs eines Unternehmens hat.
Dieser Einfluss wird eher überschätzt. Was aber gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, ist der Ruf eines Unternehmens, und der ist oft mit der Person an der Spitze verbunden. Jack Welch, CEO von General Electric, ist ein gutes Beispiel dafür. Die Märkte bringen ihm so viel Vertrauen entgegen, dass nicht einmal die Ankündigung seines Rücktritts zu einem Einbruch des Börsenkurses geführt hat. Offenbar trauen sie ihm eine erfolgreiche Nachfolgeregelung zu. Er selber hat ja auch gesagt, er fürchte nichts so sehr, wie wenn jemand etwas tue, was dem Ruf des Unternehmens schade.
Andererseits büsste Coca-Cola das Missgeschick mit verschmutzten Flaschen in Belgien mit einem Kurssturz. Der Grund war nicht, dass die Firma einen Fehler gemacht hätte, sondern das Versagen des Managements, das die Wahrheit nur scheibchenweise und auf Druck der Medien herausgerückt hat. Die Manager wurden auf diese Weise einem Test unterzogen und haben ihn nicht bestanden.
Vertrauen schaffen ist demnach ein wichtiger Teil der Corporate Governance?
Wahrscheinlich der wichtigste. Die Märkte verlangen kein Feuerwerk. Die Entwicklung der New Economy hat sie skeptisch gemacht. Aber sie verlangen Ehrlichkeit. Leadership zeigt sich eben auch darin, wie man schlechte Nachrichten überbringt.
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