Der Bundesrat will die Masseneinwanderungsinitiative mit Kontingenten und einem Inländervorrang umsetzen. Gegenüber EU-Bürgern sollen diese Regeln aber nur gelten, wenn die Schweiz eine Änderung des Freizügigkeitsabkommen erreichen kann.
Damit versucht sich der Bundesrat weiterhin in der Quadratur des Kreises. Einerseits soll die Schweiz die Zuwanderung beschränken können. Andererseits soll die Personenfreizügigkeit erhalten bleiben. Um das zu schaffen, hat die Landesregierung ein Mandat zur Verhandlung des Freizügigkeitsabkommens verabschiedet.
Spitzenverbände sind skeptisch
Die Spitzenvertreter der Schweizer Wirtschaft betrachten den Gesetzesentwurf mit grosser Skepsis. Ein «Mangelhaft» gab es vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Auch der Schweizerische Arbeitgeberverband nannte den Bundesrat-Vorstoss in einer ersten Stellungnahme ein «riskantes Spiel». Daniella Lützelschwab, Ressortleiterin Arbeitsmarkt und Arbeitsrecht, erläutert im Gespräch mit «Handelszeitung.ch» die Gefahren, die ihr Verband für die Schweizer Wirtschaft sieht.
Der Bundesrat will die Personenfreizügigkeit verhandeln. Ist das eine Erfolg versprechende Strategie?
Daniella Lützelschwab: Wir zweifeln daran, dass sich die Europäische Union plötzlich kompromissbereit gibt. Wir begrüssen, dass der Bundesrat versucht, einen Mittelweg zu finden und die Bilateralen nicht aufgibt. Seine Strategie ist aber riskant. Er wählt ein zu enges Korsett bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative.
Fordern Sie denn eine weichere Auslegung des Initiativtextes?
Nein. Die Umsetzung des Volkswillens ist natürlich prioritär. Dass die Bilateralen erhalten bleiben, ist aber mindestens so zentral und die Initiative lässt Spielraum für eine weniger enge Umsetzung. Für die Zuwanderung aus EU- und EFTA-Staaten befürworten wir die Einführung einer Schutzklausel. Bis zu einer noch festzulegenden Obergrenze soll weiterhin die volle Personenfreizügigkeit gelten.
Wie sieht das genau aus?
Der Bundesrat soll auf Verordnungsstufe ein Globalkontingent festlegen, das jeweils angepasst werden kann. Ist dieses ausgeschöpft, wird die Einwanderung von Arbeitskräften vorübergehend kontingentiert. Ein solches Modell könnte den Weg ebnen zu einer Einigung mit der EU und einer Rettung der bilateralen Verträge.
Offenbar zeigt sich die Union aber bereits gesprächsbereit. Zumindest beteuerte Bundesrätin Sommaruga, dass ihr Kommissionspräsident Juncker Konsultationen zugesichert hat.
Für Aussenstehende sind diese Aussagen schwer zu beurteilen. Die Bedenken der Wirtschaft wurden damit sicherlich nicht zerstreut, die Situation bleibt angespannt. Dies gilt umso mehr nach dem SNB-Entscheid, die Euro-Untergrenze aufzugeben. Die neue Frankenstärke befeuert die Unsicherheit in der Zuwanderungs- und Europapolitik. Die Firmen suchen Planungssicherheit. Das Umfeld dazu bietet sich aber bisher nicht. Das ist fatal für den Wirtschaftsstandort Schweiz.
Eine Abstimmung über die bilateralen Verträge würde zu mehr Sicherheit führen. FDP-Präsident Philipp Müller fordert das schon lange.
Wir zielen vorerst auf die Umsetzung des Masseneinwanderungsentscheides – und damit auf die Umsetzung des Volkswillens. Das ist unser Fokus. Gleichzeitig müssen die Bilateralen erhalten bleiben. Ein Wegfall hätte ernste Konsequenzen.
Die Unsicherheit über den Wegfall der Bilateralen könnte man aber ein für alle Mal aus der Welt räumen. Mit einer Volksabstimmung.
Nochmals: Das ist nicht das vorrangige Ziel. Klar ist aber: Eine Lösung muss her, und zwar bald. Es braucht klare Zeichen, wohin unsere Politik steuert.