Als die UBS im Jahr 2008 alle Konten ihrer US-Kunden zu schliessen begann, eröffneten Kundenberater der Bank Wegelin nach und nach Dutzende neuer Schwarzkonten. In der Privatbankerszene war es ein offenes Geheimnis, dass etliche Ex-UBS-Kunden bei Wegelin eine neue Zuflucht fanden. Zwischen 2005 und 2010 parkten gemäss Anklageschrift «Case 1:12-cr-00002-JSR» über 100 US-Kunden bei der Bank Wegelin ihre Gelder schwarz.
Die Wegelin-Banker lockten Steuerhinterzieher gemäss der Anklageschrift auch mit dem Argument an, man habe eine lange Tradition im Bankkundengeheimnis und verfüge über keine Niederlassungen in den USA. Darum sei man im Gegensatz zur UBS nicht anfällig auf mögliche Aktionen der US-Justiz. Auch intern fühlte man sich sicher: Man sei eine kleine Bank, nicht in den Medien. Und es lockten hohe Profite: Die Ex-UBS-Kunden könne man mit hohen Kommissionen schröpfen, denn sie hätten Angst vor der US-Justiz.
Zürcher Filialleiter beim Verkaufstraining
Diese neue Strategie wurde gemäss der Anklageschrift vom Filialleiter (und Bank Wegelin-Teilhaber) C. H. in Zürich mitgetragen. Immer wieder taucht in der Anklageschrift C.H. auf, er überwachte auch entsprechende Verkauftsgespräch-Trainings seiner Angestellten. Die angeklagten Banker sollen diverse Scheinfirmen und Stiftungen in Liechtenstein, Panama oder Hong Kong für ihre Klientschaft unterhalten haben.
Auch für einen Datendiebstahl war Wegelin gewappnet: Die Konten bei der Bank wurden auf Codenamen ausgestellt («N1 PULTUSK», «N1 DREW», «N5771») oder gehörten Scheinfirmen in Offshore-Paradiesen (White Tower Holdings/Nevis, Magabri Foundation/Liechtenstein), so dass die wahren Inhaber nicht ersichtlich waren. Auch wurde tunlichst darauf geachtet, keine Bankauszüge per Post in die USA zu schicken.
Die Schwarzgeld-Akquisitionen wurden aktiv betrieben, indem mögliche Kunden durch E-Mails oder Postmailings angegangen wurden. Dazu benutzten die Wegelin-Banker weitere Dienstleister, etwa die Hintermänner der Website Swissprivatebank.com. Diese Homepage richtete sich in deutlicher Sprache an Steuerhinterzieher. Wenn sich dort Schweizer Nummernkonto-Interessenten meldeten, wurden sie auch an Wegelin-Banker weitergeleitet und bekamen entsprechende Offerten – per E-Mail oder gleich per Post.
2005 schon 240 Millionen Dollar eingesammelt
Der Zürcher Filialleiter C.H. erhielt gemäss Anklageschrift quartalsweise Updates und zahlte die zwischengeschalteten Webseiten-Verantwortlichen. Schon im frühen Stadium 2005 soll sich diese Werbeaktion mehr als gelohnt haben: Die US-Behörden beziffern die versteckten Gelder auf 240 Millionen Dollar. 2010 soll es bereits 1,2 Milliarden Dollar Schwarzgeld gewesen sein.
Nachdem es den Finanzberatern zu heiss wurde, per E-Mail oder Telefon mit den Steuerhinterziehern zu kommunizieren – auch wenn die Kunden schon damals gerne Codenamen benutzten, etwa «Elvis» - veranlassten die Banker ihre Klienten, in die Schweiz zu reisen um hier die einschlägigen Geschäfte zu regeln. In einigen Fällen wurde den Kunden auch geraten, nur per SMS mit den Bankern zu kommunizieren, «weil die Strafverfolgungsbehörden noch nicht in der Lage sind, die Riesenvolumen an Textnachrichten zu verfolgen».
Um die Schwarzgelder wieder in die USA zurückzuführen, stellten die Banker Checks aus, die auf ein Korrespondenz-Konto der Bank bei der UBS lautete oder schickte die Checks gleich per Post durch eine Privatfirma nach Amerika.
Bei der Scheckausgabe wurde jeweils darauf geachtet, den Betrag von 10'000 Dollar nicht zu überschreiten. Denn im Zuge der Drogen- und Geldwäschereibekämpfung machten die USA in den 70er-Jahren Beträge über 10'000 Dollar meldepflichtig.