Die digitale Transformation schreitet mit hoher Geschwindigkeit voran. Wir sind alle davon betroffen. Kaum eine Publikation erscheint ohne eine Abhandlung zum Thema, Veranstaltungen wie der Digital Day kürzlich stärken das öffentliche Bewusstsein dafür. Auch die Privatwirtschaft bereitet sich aktiv auf diesen Wandel vor. Doch all das nützt nichts ohne moderne Rahmenbedingungen der öffentlichen Hand.

Die Lektüre des kürzlich erschienenen IMD World Digital Competitiveness Ranking 2018, in dem die Schweiz auf dem fünften Rang abschliesst, legt unsere Schwachstellen gnadenlos offen: Politiker und Behörden verschlafen die Digitalisierung. So liegen wir in gewissen Teilgebieten wie «E-Participation» (Rang 51 von 63), «E-Government» (27), «Starting a business» (37), «Immigration laws» (39) abgeschlagen im Mittelfeld oder sogar noch dahinter.

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Der Bundesrat hat diese Schwächen erkannt und will mit dem Beirat für die digitale Transformation sowie der im September präsentierten Strategie «Digitale Schweiz» endlich Gegensteuer geben. Doch vermutlich reicht das nicht. Vermutlich braucht die digitale Transformation sogar ein eigenes Bundesamt. Sicher ist: Jetzt müssen auch alle Politiker und Beamten bei Bund, Kantonen und Gemeinden mitziehen und moderne Rahmenbedingungen schaffen.

Moderne Rahmenbedingungen werden benötigt

Was sind moderne Rahmenbedingungen? Die Digitalisierung, wie zum Beispiel die Blockchain-Technologie, kratzt am Fundament unseres Zivilrechts. Als Eugen Huber 1892 das Schweizerische Zivilgesetzbuch entwarf, gab es noch keine digitalen Assets oder digitales Eigentum. Entsprechend musste solches auch nicht rechtssicher übertragen werden. Kreative Juristen versuchen heute die bestehende Rechtsordnung zu biegen und, so gut es geht, den aktuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Aber das reicht nicht. Für digitales Eigentum brauchen wir zeitnah einen rechtlichen Rahmen, der Rechtssicherheit und Vollstreckbarkeit garantiert. Im gleichen Zug müssen auch das Handels- und das Grundbuchregister vollständig digitalisiert werden. Die Gründung einer Gesellschaft mit ihrer Registrierung beansprucht heute zu viel Zeit und ist zu aufwendig. Solcher Wandel braucht Mut, den ich schmerzlich vermisse!

Zu modernen Rahmenbedingungen zählt auch eine effiziente unbürokratische Zusammenarbeit zwischen dem Staat und seinen Bürgern. Estland kommt hier die Vorreiterrolle zu, der Verkehr zwischen dem Staat und seinen Bürgern erfolgt ausschliesslich digital. Jeder Bürger erhält dort eine digitale Identität (eID), die er im Verkehr mit den Behörden verwendet. Wir Schweizer haben auch eine eID. Aber leider können wir sie kaum einsetzen, weil die Behörden zu wenig an die Möglichkeiten glauben. Auch in diesem Bereich müssen wir dringend Fortschritte machen.

Erfolgreich dank Migration

Das Erfolgsmodell der Schweiz basiert seit Jahrhunderten auch auf der Migration. Es ist uns immer wieder gelungen, brillante Menschen anzuziehen und zu integrieren. Sie tragen viel zu unserer Wirtschaftsleistung bei. So profitierten wir vom Intellekt und von der Schaffenskraft solcher Menschen, ohne dabei unsere eigene Identität aufzugeben.

Dieser Weg muss weiterverfolgt werden. Viele Start-ups werden heute durch ausländische Absolventen von schweizerischen Hochschulen gegründet. Alle, die in der Schweiz studiert haben, müssen auch in der Schweiz arbeiten oder eine Unternehmung gründen können. Jeder Studienabsolvent sollte hierzulande entsprechend formlos ein Start-up-Visum erhalten. Auf diese Talente können und wollen wir nicht verzichten!

*Christian Wenger ist Wirtschaftsanwalt und engagiert sich seit 1996 für die Digitalisierung der Schweiz, zuletzt auch als Präsident von Digitalswitzerland.