Firmen wandern ab, die Industrie stirbt, die Wirtschaft blutet aus: Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump zeichnet ein düsteres Bild der Konjunktur in den Vereinigten Staaten. Sollte er das Rennen machen, will er eine Mauer an der Grenze zum langjährigen Handelspartner Mexiko hochziehen. Zudem sollen Steuererleichterungen mit dafür sorgen, Amerikas Wirtschaft zu kurieren.
Nach Ansicht seiner demokratischen Rivalin Hillary Clinton beschwört er damit eine Rezession herauf, die den mühsam in Gang gebrachten Aufschwung am Arbeitsmarkt abwürgen würde. Die erhitzte Debatte macht deutlich: Beim Rennen um das Weisse Haus steht eine Richtungswahl an, wie die Wirtschaftsmacht Nummer eins die Folgen der Globalisierung bewältigen soll.
Selbst für Amerika riskant
«Ein zentrales Thema Trumps ist die Behauptung, dass die USA im internationalen Handel benachteiligt werden und deshalb viele gut bezahlte Jobs verloren gehen», sagt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Der Republikaner wolle deshalb aus der mit Kanada und Mexiko gebildeten Nordamerikanischen Freihandelszone (Nafta) aussteigen. «Solche brachialen Eingriffe in den Aussenhandel wären selbst für eine Wirtschaft von der Grösse der amerikanischen riskant.» Auch Handelsabkommen wie die von Washington bereits unterzeichnete Transpazifische Partnerschaft TPP oder das geplante Abkommen mit Europa (TTIP) würden von einem Präsidenten Trump blockiert und wären damit «klinisch tot».
Bei den Steuern sehen Clinton wie auch Trump Handlungsbedarf, wollen den Hebel jedoch an unterschiedlichen Stellen ansetzen: Mit 35 Prozent belastet der US-Fiskus Firmen weit höher als es in anderen Industrienationen der Fall ist. Trump möchte die Bundessteuer auf Unternehmensgewinne auf 15 Prozent drücken. «Die Effekte für den US-Aktienmarkt wären enorm. Höhere Gewinn- und Wachstumsraten und letztendlich auch attraktivere Bewertungen wären die Folge», meint Ökonom Rolf Kuster von der VP Bank.
Trump warnt vor «grosser Blase»
Trump warnt seinerseits vor dem Platzen einer «grossen, fetten und hässlichen Blase» an der Wall Street, die von der US-Notenbank Fed mit extrem niedrigen Zinsen aufgepumpt worden sei. Seine These: Fed-Chefin Janet Yellen halte auf Geheiss des demokratischen Präsidenten Barack Obama die Zinsen niedrig, um einen Ausverkauf am Aktienmarkt während dessen Amtszeit zu verhindern.
Ein Sieg Trumps, der in Umfragen derzeit deutlich hinter Clinton liegt, wäre laut Bankvolkswirt Harm Bandholz von der UniCredit ein Schreckensszenario für Investoren: Die konjunkturellen Bremswirkungen seiner Einwanderungs- und Handelspolitik überstiegen die Impulse der geplanten Steuersenkungen bei weitem. Sollte er seine protektionistische Linie umsetzen, würde dies die US-Wirtschaft nach Berechnungen des Bankhauses Sal. Oppenheim zwischen 0,5 und 0,8 Prozentpunkte Wachstum pro Jahr kosten. «Das wäre ein ordentlicher Schlag ins Kontor. Die USA hätten dann einen Globalisierungsgegner als Präsidenten. Das wäre das Neue», so Sal. Oppenheim-Chefvolkswirt Martin Moryson.
Superreiche stärker zur Kasse zu bitten
Clinton hat es sich auf die Fahnen geschrieben, superreiche Amerikaner steuerlich stärker zur Kasse zu bitten. Sie will damit Mehrausgaben für Bildung und Verkehrsprojekte finanzieren. In den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit sollen Investitionen von 275 Milliarden Dollar auf den Weg gebracht werden. «Doch auch Donald Trump lässt sich nicht lumpen. Er plant sogar Ausgaben in doppelter Höhe», sagt Experte John Tierney von der Deutschen Bank.
Die Demokratin wolle ihr Programm durch die Schliessung von Schlupflöchern bei der Körperschaftsteuer und somit haushaltsneutral finanzieren. «Trumps Programm hingegen soll mit Schulden finanziert werden und entspricht somit dem herkömmlichen Konzept einer Konjunkturspritze.»
«Sorgenkind der US-Konjunktur»
Dabei hat die US-Wirtschaft zuletzt wieder mehr Fahrt aufgenommen. Für die am Freitag anstehenden Daten für das dritte Quartal erwarten Experten ein auf das Jahr hochgerechnetes Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 2,5 Prozent. Im Frühjahr waren es nur magere 1,4 Prozent. Doch noch lasten die Spätfolgen des Ölpreiseinbruchs und die Dollar-Stärke auf der Industrie.
Trump legte in einer Fernsehdebatte mit Clinton den Finger in die Wunde und prangerte den Niedergang der Branche in den alten Industrierevieren im Nordosten der USA an: «Ob Neuengland, Ohio oder Pennsylvania, überall dasselbe verheerende Bild: Die Industrie ist um 30, 40 oder manchmal 50 Prozent zurückgegangen.» Auch nach Ansicht des Ökonomen Bernd Krampen von der NordLB bleibt der Industrie-Sektor trotz jüngster Aufwärtstendenz das «Sorgenkind der US-Konjunktur».
(reuters/ccr)