Vor über zehn Jahren hat sich der liberale Flügel der Grünen Partei abgespalten. Seither präsidiert Martin Bäumle die Grünliberalen (GLP). Aktuell kämpft der studierte Chemiker an vorderster Front für die Volksinitiative «Energie- statt Mehrwertsteuer», die erste Initiative der jungen Partei. Das Schweizer Volk wird am 8. März darüber abstimmen.

Der Sinn der Initiative: Sie will die Mehrwertsteuer abschaffen. Im Gegenzug sollen nicht erneuerbare Energieträger wie Erdöl, Gas, Kohle und Uran besteuert werden. Die Energie soll so hoch besteuert werden, dass die gleichen Einnahmen erzielt werden wie heute mit der Mehrwertsteuer.

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Anreize für erneuerbare Energien

Die Grünliberalen führen ins Feld, dass ihre Initiative «liberal» und  «wirksam» sei. Sie setze Anreize, damit sich erneuerbare Energien ökonomisch lohnen würden. Ausserdem fördere man die Energie-Effizienz und das Energiesparen.

«Die Initiative sorgt endlich für Verursachergerechtigkeit und Kostenwahrheit», heisst es im Abstimmungsbüchlein des Bundes, das dieser Tage verschickt wurde. «Sie stärkt die erneuerbaren Energien und sichert so den wirtschafts- und klimafreundlichen Atomausstieg.»

Grosse Versprechen

Eine Annahme der Initiative käme allen zugute, verspricht die GLP. Konsumenten profitierten, weil die Mehrwertsteuer auf anderen Produkten wegfalle. Der Luzerner Nationalrat Roland Fischer hat nachgerechnet, was das genau bedeuten würde: Der durchschnittliche Schweizer Haushalt könnte mit einer monatlichen Entlastung von 0,3 Prozent rechnen. Das wären rund 30 Franken.

Unternehmen würden ausserdem gestärkt, so ein Argument, da die Abhängigkeit von ausländischem Öl, Uran und Gas reduziert würde. Die Cleantech-Industrie würde von einem Boom profitieren. Die aufwändige Mehrwertsteuer-Bürokratie könnte abgebaut werden, was einerseits die Administration der KMU entlasten und andererseits Staatsmittel frei werden liesse, meint das Initiativkommittee.

«Gefährliches finanzpolitisches Experiment»

Die Gegner – und diese sind zahlreich – schenken den wohlklingenden Worten aber keinen Glauben. Bundesrat, Parlament, SVP, FDP, BDP, CVP und SP stehen geeint gegen die Grünliberalen, die nur von der einstigen Mutterpartei, den Grünen, gestützt wird.

Der Bundesrat brandmarkt die Initiative als «gefährliches finanzpolitisches Experiment». Die Mehrwertsteuer sei mit über 22 Milliarden Franken jährlich die wichtigste Einnahmequelle des Bundes. «Sie ist verlässlich und gut planbar», schreibt die Landesregierung. «Es wäre riskant, die Mehrwertsteuer durch eine Energiesteuer zu ersetzen.»

BefürworterGegner
GLPBundesrat
Grüne Partei SchweizParlament
Konsumentenforum kfSVP
Pro Velo SchweizFDP
WWF SchweizBDP
Greenpeace SchweizCVP
VCS – Verkehrs-Club SchweizSP

Drei Franken pro Liter Benzin

Kritiker der Initiative fürchten, dass hohe Energiesteuersätze notwendig sind. «Um die gleichen Einnahmen wie aus der Mehrwertsteuer zu erzielen, müssten auf diesen Gütern sehr hohe Steuern erhoben werden», schreibt der Bund. Genaue Aussagen seien zwar schwierig, Schätzungen gingen aber davon aus, dass die Energiesteuer in einigen Jahren 33 Rappen pro Kilowattstunde betragen würde. Das bedeutet: Ein Liter Heizöl dürfte 3,3 Franken kosten, ein Liter Benzin circa drei Franken.

Derart hohe Preise dürften den Verbrauch von Energie aus nicht erneuerbaren Quellen zwar deutlich reduzieren, geben Kritiker zu. Sie wären aber nicht nötig, um die angestrebten Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen und des Energieverbrauchs zu erreichen. «Der Bundesrat vefolgt mit der Energiestrategie 2050 einen anderen, besseren Weg, um Energie effizienter einzusetzen», sagt die Landesregierung.

Steuersätze müssen immer höher werden

Ausserdem führt die Gegnerschaft an, dass die Steuersätze kontinuierlich erhöht werden müssten. «Durch die Lenkungswirkung, also die Verringerung des Energieverbauchs aufgrund der Steuer, würden die Steuereinnahmen sinken. Das hätte zur Folge, dass die Energiesteuersätze ständig weiter erhöht werden müssten, um die gleich hohen Einnahmen zu erzielen.»

Nicht zuletzt zweifeln fast alle Parteien – ausser der federführenden GLP und den Grünen –, dass die Initiative tatsächlich gut für Firmen und Familien ist. Tiefe Einkommen würden nachweislich schlechter gestellt. Hohe Einkommen stärker entlastet. Für Firmen im internationalen Wettbewerb ergäben sich Nachteile, so heisst es, da die Mehrwertsteuer weitestgehend aussenhandelsneutral sei, die Energiesteuer aber inländische Unternehmen gegenüber ausländischen Konkurrenten benachteiligen würde.

ProContra
Mehrwertsteuer fällt weg. Auf jedem Produkt.Hoher Benzin- und Heizölpreis
Kosten für Mehrwertsteuer-Administration entfallenÄrmere Haushalte stärker betroffen
Wettbewerbsvorteil für erneuerbare EnergienNachteile für Unternehmen im internationalen Wettbewerb
Reduktion der Abhängigkeit von fossilen BrennstoffenGrosse Unsicherheit durch Regimewechsel

Die Argumente der Kritiker scheinen die Bevölkerung bisher zu überzeugen. Die jüngste Trendumfrage des Instituts gfs.bern prophezeit ein klares Nein für die GLP-Initiative. Nur 29 Prozent der Befragten wollen demnach dafür stimmen, 58 Prozent sind dagegen und 13 Prozent haben sich noch nicht entschieden. Da die Zustimmung noch abnehmen dürfte, geben die gfs-Forscher dem Begehren keine Chancen an der Urne.