Wieso gab es ein Ja zum Energiegesetz?
Michael Hermann*: Es zeigt sich einmal mehr: Wenn es darum geht, Geld auszugeben und Subventionen zu sprechen, sind Schweizer eher veränderungsfreudig, als wenn es darum geht, harte Reformen mit Einschnitten zu machen.

Die Vorlage war erfolgreich, weil viele von ihr profitieren werden?
Offenbar sind Abstimmungen wie die Unternehmenssteuerreform, bei denen es um Verzicht geht, nicht mehrheitsfähig. Sobald Geld verteilt wird, wie bei Verkehrsinfrastrukturvorlagen oder nun beim Energiegesetz, stimmt das Stimmvolk zu. Das ist eine einseitige Entwicklung. Die Bevölkerung unterstützt die Ausbauvorlagen, sagt aber Nein zu Sparvorlagen. Eine Stärke der Schweiz war einst der durch die direkte Demokratie gebremste Staatsausbau. Mittlerweile bremst die direkte Demokratie eher das Fitmachen des Staats.

Das Energiegesetz fand breite Unterstützung in Politik und Wirtschaft. Hatten die Gegner überhaupt eine Chance, zu gewinnen?
Es war ein harter, offener Abstimmungskampf. Ich denke nicht, dass es für die Gegner besser hätte funktionieren können. Es lag nicht am Abstimmungskampf, dass sie verloren haben. Das Regierungslager mit Doris Leuthard an der Spitze war schlicht vertrauenswürdiger.

Die Übermacht war zu gross?
Nicht unbedingt – die war ja bei der Steuer- oder Zuwanderungsvorlage ähnlich stark. Das Gesamtpaket der Vorlage hat offenbar die Mehrheit überzeugt. Die Kostenfrage hat das Stimmvolk weniger gestört als die Gegner.

Die SVP ist mit dieser Vorlage gescheitert. Hat es ihr politisch geschadet?
Früher konnte die SVP oft brillieren, wenn sie alleine gegen alle angetreten ist. Jetzt gab es aber einer Serie von Abstimmungen –  die Durchsetzungsinitiative, die Abstimmung über die erleichterte Einbürgerung oder jetzt diese Vorlage – wo sie wieder alleine gegen alle angetreten ist, und verloren hat. Für die SVP wäre es wichtig gewesen, wieder einmal zu punkten. Es schadet der SVP nicht grundsätzlich – sie hat ja mehr als ihren Wähleranteil überzeugt und es ist kein Kernthema von ihr. Aber es verstärkt das leichte Verlierer-Image, welches ihr zuletzt angehaftet ist.

Ihr Ruf nimmt Schaden?
Es ist ein weiterer Kratzer an ihrer Ausstrahlung. Der Einfluss der SVP liegt nicht zuletzt darin, dass die anderen Angst haben vor ihr und vor dem Volk, das sie vermeintlich vertritt. Doch wenn diese Drohkulisse nicht mehr wirkt, leidet ihr wirksamstes Mittel, Politik zu machen.

Werden Umweltthemen jetzt wieder aktuell?
Ich sehe keine Trendwende. Es ist kein Thema wie Migration, Islam oder Europa, welches die Leute sehr stark beschäftigt. Die veränderten Rahmenbedingungen machten es nötig, sich damit zu befassen. Sobald der Schritt gemacht ist, verschwindet das Energiethema wieder von der Agenda. Das Thema ist auch nicht mehr «grün», sondern in der politischen Mitte angekommen.

Dann werden die Grünen nicht von diesem Erfolg profitieren können?
Ich sehe kein Revival von ökologischen Themen. Es ist wie nach der Atom-Katastrophe von Fukushima: Sobald die anderen Parteien sich dem Thema angenommen haben, können die Grünen nicht mehr profitieren. Alternative Energien sind nicht mehr nur ein Thema für «grüne Spinner». Es sind die Hausbesitzer, die heute Solaranlagen haben. Alternative Energie ist zu einem Anliegen der Bürgerlichen geworden.

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*Michael Hermann ist einer der bekanntesten Schweizer Politikexperten. Der Politologe leitet die Zürcher Forschungsstelle «Sotomo» und nimmt regelmässig in Medien zur Schweizer Politik Stellung.

 

 

 

Wie hitzig die Debatte um das Energiegesetz war, bekam man auch am «Bilanz»-Business-Talk zu spüren. Im Video eklärt SP-Fraktionsschef Roger Nordmann, warum gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für die Energiestrategie ist: