Online einkaufen im World Wide Web - nirgendwo erhalten Sie ein vielfältigeres und günstigeres Angebot.» Mit derartigen Schlagzeilen sieht sich jeder Konsument heute konfrontiert. Das Ziel ist, den Verbraucher sukzessive für das noch neue Medium zu sensibilisieren und ihn schliesslich als Käufer zu gewinnen. Nach und nach wird das Internet zum integrierten Bestandteil unseres Alltags. Es hält nicht nur in den Büros Einzug, sondern beeinflusst immer mehr auch das Privatleben jedes Menschen. Information und Beschaffung von Waren und Gütern sind längst nicht mehr auf Investitionsgüter beschränkt. Das Online-Shopping wird immer häufiger auch im Konsumgütergeschäft zu einer wichtigen Stellgrösse.

Auch das Einkaufen im Internet wird immer attraktiver. Durch die weltweite Vernetzung kann jeder Mensch innert Minuten eine Vielzahl von Anbietern, ihre Produkte, ihre Preise, ihre Lieferkonditionen usw. vergleichen. Auch in der Schweiz können die Konsumenten einfach am virtuellen Einkaufsspass teilnehmen. Ein und denselben Artikel innert Kürze bei verschiedenen Anbietern im In- und Ausland zu vergleichen und schliesslich beim attraktivsten Online-Anbieter (Preis, Lieferzeit, Lieferkosten, Servicegrade) zu bestellen ist heute kein grosses Problem mehr. Allgemein wird die Entwicklung im Detailhandel massiv von der Globalisierung der Märkte beeinflusst. Die daraus entstehende internationale Konkurrenz macht sich auch in der Schweiz bemerkbar. Der Preiskampf lässt die Margen in allen Preislagen schwinden. Sukzessive gleicht sich die Schweiz dem EU-Margenniveau an. Für den Schweizer Detailhandel heisst dies: Eine Erhöhung des Marktanteils ist jeweils nur noch durch die Realisierung offensiver Verdrängungsstrategien möglich. Dementsprechend herrscht um die letzten weissen Flecken im Markt ein harter Konkurrenzkampf. Das Internet und die daraus entstehende Option Online-Shopping hat in diesem Verdrängungswettbewerb die Funktion eines wichtigen Hebels zur Generierung neuer Marktanteile.

Differenzierung ist auch im Internet- Shopping der Wettbewerbsvorteil

Das Medium Internet als neuer Vertriebs- und Absatzkanal für den Detailhandel existiert also. Und mit einer leistungsfähigen Logistik ist es heute beinahe jeder Firma möglich, mit vergleichsweise geringem Aufwand ihre Produkte weltweit zu kostengünstigen Preisen anzubieten. Kernfrage zur Generierung von Marktanteilen (und somit von profitablem Wachstum) ist jedoch für jedes das World Wide Web nutzende Unternehmen: Wie können wir uns gegenüber unseren Wettbewerbern differenzieren? Heute, da die Anzahl von Online-Shopping-Anbietern noch vergleichsweise gering ist, mag die Frage noch nicht für jede Firma opportun sein. Mit zunehmender Anzahl von Online-Shops wird die Differenzierung gegenüber den jeweiligen Wettbewerbern jedoch immer schwieriger werden. Ausser den klassischen Differenzierungsmerkmalen Produkt, Qualität, Verfügbarkeit des Produkts, Lieferkosten usw. bleibt letztlich der Preis als durchschlagendes Differenzierungsmerkmal. Die Folge: Ähnlich wie in den heute etablierten Branchen (zum Beispiel: Reisebürobranche) dürfte es mit zunehmender Entwicklung des Online-Shoppings auch unter diesen Anbietern einen Ausleseprozess und Strukturbereinigungen geben.

Erfolgreich werden all jene Anbieter sein, welche die Entwicklungen am Markt am besten zu interpretieren vermögen, welche die richtigen Schlüsse daraus ziehen und früher als ihre Wettbewerber ihr Leistungsangebot den neuen Erfordernissen anpassen.

Trends von heuteprägen den Konsum von morgen

Künftig dürften folgende Kundenbedürfniskriterien für den Detailhandel als Schwerpunkt-Handlungsfelder gelten:

Erlebnisbedürfnis: Der Kunde entscheidet sich situativ, ob er ein hochpreisiges, qualitativ hochstehendes Produkt erwerben möchte oder ob er bewusst einen Sparkauf tätigt, beispielsweise einen tiefpreisigen Modeartikel mit relativ kurzer Lebensdauer.

Convenience-Bedürfnis (Zeitmangel, Fast food): Infolge Zeitmangels stufen die Kunden die Informations- und Produktekonvenienz hoch ein. Das gewünschte Produkt muss genau seinen Zweck erfüllen. Beispielsweise vorgekochte Menüs (Convenience food) oder Fertig- und Halbfertigprodukte ohne Nährwertverlust, welche zu Hause nur noch kurz erwärmt werden müssen beziehungsweise in den Verkaufsfilialen bereits zubereitet werden. Die Information muss kurz, prägnant und übersichtlich sein.

Servicebedürfnis: Angebotsbündelung der Produkte (beispielsweise alles fürs Frühstück), Heimlieferservice zur Kompensation von Zeitmangel, Produktekomfort im Sinne von transparenter Information.

Genussbedürfnis (Premium, Exotik): «Wenn schon, dann richtig» ist das Motto dieses Kundenbedürfnistyps (dieser Trend führte beispielsweise zu enormen Zuwachsraten im Bereich Premium-Doppelrahm-Eiscreme). Dieselbe Entwicklung spielt sich auch bei exotischen Artikeln ab (zum Beispiel bei Früchten: je unbekannter, desto besser).

Gesundheit (Wellness, Frische): Das Deklarieren der Produkteherkunft und Entwicklungen in Richtung Frischprodukte (Marktatmosphäre) werden für den Handel zu Pflichtkriterien.

Kundenloyalität dank günstiger Preise und Lieferkonditionen

Grenzen spielen beim Online-Shopping keine Rolle mehr: Ein Einkauf kann in den USA getätigt werden; die Produkte treffen innert kürzester Frist per Kurier in der Schweiz ein. Dadurch unterliegt der Vorgang des Einkaufens keiner lokalen Einschränkung mehr. Durch die Online-Vergleichbarkeit von Märkten, Produkten und Anbietern ist der Kunde weit unabhängiger als in den konventionellen Marktformen. Der Kunde verhält sich loyal gegenüber einem Anbieter, wenn dieser sich in puncto Preis und Lieferfrist positiv gegenüber seinen Wettbewerbern differenziert. Diese Verschiebungen der Marktleistungskriterien werden in der Zukunft erhebliche Veränderungen auch auf der Anbieterseite auslösen: Niedrigere Markteintrittsbarrieren, neue Anforderungen in puncto Leistungserstellung (Angebot, Preis, Lieferung) werden dazu führen, dass neue Unternehmen in den Markt eintreten. Darunter werden auch Firmen sein, die zuvor noch nie etwas mit dem Detailhandel zu tun hatten.

Entscheidend ist, dass diese Unternehmen über Infrastrukturen und Flexibilität verfügen, die nicht an herkömmliche Ladenöffnungszeiten gebunden sind (ähnlich den heutigen Tankstellenshops, Bahnhöfen usw.). Diese neuen Anbieter werden die ohnedies schon beträchtliche Dynamik noch zusätzlich verschärfen. Die Marktform Online-Shopping ist in der Schweiz noch relativ unerschlossen. Zwar nimmt die Zahl der Anbieter täglich zu. Doch auch hier gilt: Quantität ist nicht gleich Qualität. Erst wenige Unternehmen verfügen schliesslich über ein wirklich umfassendes Angebot, über einfach zu navigierende Internet-Plattformen und über ausgereifte Strukturen und Prozesse zur Leistungserbringung. Diese Firmen profitieren jedoch heute von der «First runners»-Situation. Sie bauen Wettbewerbsvorsprünge auf, von denen sie in den folgenden Jahren, wenn die sogenannten «followers» antreten, profitieren werden.

First runners in der Schweiz sammeln Wettbewerbsvorsprünge

Ein weiterer Pluspunkt für die Pioniere im Online-Shopping ist, dass der Markt noch nicht gesättigt ist. Wer jetzt mit dem richtigen Angebot auf dem Netz ist, kann über seine Pionierrolle einen Imagemehrwert verbuchen und möglicherweise sogar

-neue Kundensegmente ansprechen,
-Erfahrungen der ersten Stunde sammeln und sich dadurch
-strategische Wettbewerbsvorteile verschaffen.

In der jetzigen Aufbauphase des Online-Shoppings geht es darum, dem potentiellen Kunden das neue Medium näherzubringen, ihn für die sich daraus ergebenden Chancen zu sensibilisieren und ihm zu beweisen, dass er vom Internet-Shopping tatsächlich profitieren kann. Die dabei zu bewältigenden Herausforderungen und Hindernisse sind nicht zu unterschätzen:

-Gesetzliche Bestimmungen sind kaum vorhanden; richtungsweisende Präzedenzfälle sind nur wenige bekannt.
-Online-Shopping braucht neue Zahlungsprozesse (Bezahlung mit Kreditkarten über Internet).
-Natürlich ist die Geschwindigkeit der Datenübermittlung für den Kunden ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Hier liegt noch manches im argen. Da diese jedoch zu den externen Einflussfaktoren gehört, kann sie vom Warenanbieter (in diesem Fall von Migros) nur indirekt beeinflusst und optimiert werden. Die Entwicklung im Bereich der Übertragungsgeschwindigkeit schreitet jedoch rasant voran. Dank Web-TV, Übertragung mittels TV-Kabel, neuen Satelliten usw. werden sich die Transferzeiten sukzessive reduzieren lassen.
-Die im Moment noch relativ hohen Investitionskosten für die technische Applikation und den Aufbau neuer Logistikprozesse müssen finanziert werden, ohne dass ein rascher Return on investment erwartet werden darf.
-Folgende Prozesse und Ressourcen sind zu entwickeln: Back-office-Prozesse (Logistik, Bezahlung), Finanzen (mittelfristig - keine einmalige Investition, Folgekosten), personelle Ressourcen (auch hier gilt: weniger ist nicht mehr).

Die Bewältigung der vorgängig beschriebenen Herausforderungen erfordert neben Finanzkraft und Innovationsgeist auch viel einschlägiges Wissen zum Aufbau einer zukunftsträchtigen Marktform. Notwendig ist jedoch auch der Sinn fürs Reale: Geld verdient nach rund zwei Jahren Pionierzeit im Online-Shopping zurzeit kaum ein Unternehmen. Firmen, die erst künftig in den Online-Shopping-Markt eintreten, werden es diesbezüglich nicht einfacher haben. Denn sie werden auf einen zusehends gesättigten Markt treffen. Je später der Markteintritt, desto schärfer wird der Verdrängungswettbewerb. Vorteilhaft für später einsteigende Unternehmen sind sicherlich die konstant sinkenden Softwarepreise für Online-Shop-Lösungen. Diesen stehen aber nicht zu unterschätzende Kosten für Marketing und Werbung gegenüber.

Das Praxisbeispiel: Online-Shopping in der Migros

Der Migros-Online-Shop (http://migros shop.ch) ist seit Mai 1998 mit rund 3000 Artikeln auf dem Web. Der gesamte Shop wurde in weniger als neun Monaten entwickelt und realisiert. In einer ersten Testphase stand er 2000 Mitarbeitern zur Verfügung. Nach Erweiterungen im Sortiment und kleineren Umstellungen in der Logistik wurde der Migros-Online-Shop im Mai auf das Internet geschaltet. Sowohl Lebensmittel (Frischprodukte wie Joghurt, Gemüse, Früchte) als auch Hartwaren des täglichen Bedarfs können online bestellt werden. Die Waren werden am selben Tag entweder nach Hause oder in eine Migros-Filiale geliefert, wo sie der Kunde abholen kann.

Die Marktimplementation verlief überaus positiv, und die ersten Erfahrungen bestätigen den eingeschlagenen Weg. Die Marketingziele der kommenden Jahre sind ambitiös und peilen Umsätze und Investitionen einer kleineren Migros-Filiale an. Schwarze Zahlen werden in einigen Jahren erwartet. Personen, die im Online-Shop einkaufen, sind oft wiederkehrende Kunden, die genau wissen, was sie wollen. Spontankäufe sind weniger häufig als in einer realen Filiale, werden aber durch neue Softwareentwicklungen gefördert. Dank Internettechnik ist es besser als bisher möglich, gezieltes Marketing zu betreiben: Es wird sukzessive möglich werden, Angebote zu entwickeln, die aufgrund früher getätigter Einkäufe exakt den jeweiligen Kundenbedürfnissen entsprechen.

Indes: Was in dieser Hinsicht theoretisch möglich ist, wird in der Praxis erst vereinzelt und elementar realisiert. Zum einen sind die Kosten für die erforderlichen Datenauswertungs-Tools zurzeit noch sehr hoch. Zum andern muss für die Auswertung von persönlichen Daten zu Marketingzwecken das Einverständnis des Kunden vorliegen. Ungeachtet dieser teils rechtlichen, teils technischen Barrieren, die es zu überwinden gilt: Ziel der Migros ist es, dem Kunden weiterhin günstige und qualitativ hochwertige Produkte anzubieten - das Internet ist dazu ein neuer, zusätzlicher Vertriebskanal.

Online-Shopping ist eine Investition in die Zukunft

Im Hinblick auf die Marktentwicklung und die sich abzeichnenden Veränderungen in den Kundenbedürfnissen kann Online-Shopping - trotz erst wenig empirisch vorliegendem Wissen - als klarer Mehrwert für den Kunden bezeichnet werden. Denn schliesslich:

-Der Kunde wird autonomer. Er kann per Knopfdruck Preise, Leistungen, Qualität, Servicegrade usw. verschiedenster Anbieter vergleichen.
-Der Kunde muss die Waren nicht mehr holen. Er bekommt sie geliefert (gegebenenfalls gegen Lieferpauschale).
-Die Produkte- und Leistungsangebote können noch besser als bisher auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse zugeschnitten werden.

Vor diesem Hintergrund ist zu formulieren: Wer heute schon im Online-Shopping tätig ist, investiert in den Aufbau eines neuen Vertriebskanals - und somit in die Zukunft. Es geht darum, Wissen und Erfahrungen zu sammeln, die geeignete Logistik und Infrastruktur aufzubauen und die Kundenbedürfnisse richtig zu interpretieren und umzusetzen. Wer dies erfolgreich angeht, wird Erfolg haben. Die Frage stellt sich für jeden Detaillisten: Was geschieht, wenn nichts geschieht? - Wer macht das Geschäft in Zukunft, wenn wir uns jetzt nicht engagieren? Jeder muss sich diese Frage selbst beantworten. Die Zukunft lässt sich nicht voraussagen, aber mit Pioniergeist, Unternehmertum, einer Portion Mut und Optimismus lässt sie sich gestalten.
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