Frau Perrig, wo verortet die Forschung die Lebensmitte, ab wann gilt man offiziell als «Senior»?
Als Lebensmitte gilt grundsätzlich die Spanne zwischen 40 und 60 Jahren. «Senior» ist, wer die staatlich verordnete Arbeitsgrenze von 64 beziehungsweise 65 Jahren erreicht hat. Obwohl das heute, da viele länger arbeiten wollen oder müssen, keine Rolle mehr spielt.

Was richtet die Zahl 50 mit den Menschen an?
In dieser Altersregion geschieht etwas, das man die «Radikalität des Nullpunkts» nennen könnte. Man langt quasi in einem Niemandsland an, ist nicht mehr jung und noch nicht alt. Identitätsfragen werden wichtig. Man rechnet nicht mehr so sehr in Jahren ab der Geburt, sondern mit der Zeit, die einem noch zu leben bleibt.

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Gehen Frauen anders damit um als Männer?
Die Herausforderungen sind die gleichen, der Umgang ist aber unterschiedlich. Es tönt nach Klischee, bewahrheitet sich aber immer wieder: Frauen haben generell ein besser gestricktes soziales Netzwerk, unterhalten sich mit Kolleginnen, Freundinnen und Verwandten über den Umbruch. Männer haben häufig nur eine einzige Ansprechperson: ihre Frau. Extreme Krisen im Zusammenhang mit der Lebensmitte sind bei Männern häufiger als bei Frauen.

Vieles verschlechtert sich nach 50. Verbessert sich auch irgendetwas?
Was sich ganz bestimmt verbessert, ist die kristalline Intelligenz. Also die Kombination aller Fähigkeiten, die man im Laufe seines Lebens erworben hat – die Erfahrung.

Jüngeren Chefs ist die Erfahrung der über 50-Jährigen oft lästig. Sie wollen Mitarbeiter mit aktuellem Know-how.
Dieses Thema dringt immer wieder zu mir. Am Arbeitsplatz herrscht diesbezüglich eine gewisse Kurzsichtigkeit. Wissen mag heute zwar schneller veralten als früher. Aber wer sich von Mitarbeitern trennt, die grundlegendes Fachwissen haben, wird sich dieses Know-how früher oder später wieder einkaufen müssen.

Seniors begeistern sich nicht mehr für die zehnte Reorganisation und können demotivierend wirken.
Natürlich muss sich das Individuum an die neuen Zeiten anpassen. Sätze wie «Das hat schon 1979 nicht geklappt» mag keiner hören. Wer solches sagt, schaufelt sich im Berufsleben quasi sein eigenes Grab. Es ist eine Realität, dass im Alter über 50 ein darwinistischer Ausscheidungsprozess stattfindet in der Wirtschaft. Aber die allermeisten packen das. Sie erkennen Weiterbildung als Kernthema. Und die Chefs sehen ein, dass gemischte Teams – Elan und Tempo von Jungen, Erfahrung und Einschätzung von Älteren – Erfolg bringen.