Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz – ein Thema, das Ihnen als HR-Expertin schon begegnet ist?
Susanne Achermann: Absolut. Liebesbeziehungen gibt es praktisch an jedem Arbeitsplatz. Studien belegen, dass Liebesbeziehungen an Orten entstehen, wo viel Zeit mit einer Person verbracht wird: in der Ausbildung, beim Ausführen des Hobbys oder eben am Arbeitsplatz. Vermutlich kennen wir alle eine Person, die eine Romanze oder Beziehung am Arbeitsplatz hat, hatte oder gerne hätte.

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Wann müssen Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz offengelegt werden?
Die Entwicklung von Liebesbeziehungen ist etwas Normales, etwas Schönes. Und die Fälle gibts ja überall. Meist unter Mitarbeitenden auf gleicher Stufe, ab und an auch asymmetrisch: Anästhesiepflege und Arzt, Schulleiterin und Lehrperson, zwischen Lernendem und Ausbildungsperson, Vorgesetzter und Mitarbeitender. Unabhängig von der Branche müssen sich die Betroffenen die Frage stellen: Kann ich in dieser Beziehung meinen vertraglichen Pflichten, «insbesondere der Sorgfalts- und Treuepflicht», professionell nachkommen – oder muss ich situativ in den Ausstand treten und allenfalls sogar um eine Versetzung bitten? Gute Beziehungen können die Zusammenarbeit fördern, die Produktivität steigern – durch enge persönliche Beziehungen entstehen aber auch Abhängigkeiten. Sachlichkeit und Objektivität gehen verloren und die Arbeit sowie die Beziehung zu Teammitgliedern leidet potenziell darunter. Deshalb sollte es für den Umgang mit Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz Leitfäden oder Weisungen geben.

Susanne Achermann

Susanne Achermann ist Betriebswirtschafterin, HR-Fachfrau und Executive Coach. Mit ihrem HR Atelier, als Arbeitsrichterin an drei Zürcher Bezirksgerichten und als Partnerin von Mäder und Partner New Placement begleitet sie Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen von KMU, Führungskräfte und Privatpersonen. Sie unterstützt bei herausfordernden Personalentscheidungen und -prozessen, bei der Besetzung von Schlüsselstellen sowie der Entwicklung von Geschäftsbereichen.

Quelle: HZ

Ist gar eine Meldepflicht möglich?
Per se sind Paarbeziehungen Privatsache. Zur Schaffung klarer Vorgehensweisen in Fällen, wo die Arbeitsleistung, das Arbeitsklima oder das Paar selbst aufgrund der Liebesbeziehung leidet, existieren in den meisten Unternehmen Handlungsleitfäden oder Weisungen. Insbesondere bei stark regulierten Unternehmen wie Banken und Versicherungen oder in Kontroll- und Rechtsbereichen sind aus Compliance-Sicht Liebesbeziehungen mit Abhängigkeiten ein Tabu. Entsprechend haben gerade diese Unternehmen strenge Bestimmungen und ihre Mitarbeitenden unterliegen Mitteilungs- und Offenlegungspflichten. Viele Unternehmen gehen die Problematik proaktiv an und fordern halbjährlich oder jährlich ihre Mitarbeitenden digital zur Offenlegung auf. Werden darin Falschaussagen jeglicher Art getroffen, machen sich die Mitarbeitenden strafbar. Es folgt eine Verwarnung, in gravierenden Fällen mit weitreichenden Konsequenzen.

Stellen wir uns vor, der Partner einer Person wechselt direkt zu einem Konkurrenzunternehmen. Muss die Firma das akzeptieren? Es ist ja davon auszugehen, dass sich die beiden weiter austauschen. Würde das sogar eine Kündigung rechtfertigen?
Konkurrenzverbote sind inhaltlich, zeitlich und geografisch präzise zu verfassen. Auch enthalten Arbeitsverträge eine Klausel hinsichtlich der Geheimhaltung. Genauso wie beispielsweise der Arzt der Schweigepflicht unterliegt, gibt es für weitere Berufsgruppen vertrauliche Informationen, die strenger Verschwiegenheit unterliegen. Diese Geheimhaltung gilt für die Mitarbeitenden – auch nach Firmenaustritt. Aber eben, wir alle kennen brenzlige Situationen, denn wie rasch wird ein Dokument dem Partner zum Gegenlesen gegeben? Und schwups erhält dieser Informationen, einen potenziellen Wissensvorsprung, allenfalls sogar Insiderwissen. Es ist also unabdingbar, Mitarbeitende in regelmässigen Abständen an ihre Rechte und Pflichten zu erinnern, sie diese aktiv lesen und bestätigen zu lassen.

«Insbesondere bei stark regulierten Unternehmen wie Banken und Versicherungen oder in Kontroll- und Rechtsbereichen sind aus Compliance-Sicht Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz ein Tabu.»

Susanne Achermann

Wie sieht die Situation bezüglich der Offenlegung von Beziehungen im Bewerbungsprozess aus?
Wie bereits erwähnt, sind Beziehungen per se Privatsache. Eine Frage in die Richtung ist jedoch Standard bei jedem Bewerbungsprozess: Gibt es etwas, das wir in Bezug auf die Einstellung über Sie wissen müssen? Das kann eine Krankheit sein, familiäre Angelegenheiten oder eben die Liebe zu einer bereits im Unternehmen tätigen Person. Themenfelder also, die je nach Aufgabenbereich besonderer Aufmerksamkeit bedürfen oder offenzulegen sind. Wer sich bewirbt und geschäftsrelevante Informationen und Beziehungen verschweigt, riskiert im schlimmsten Falle die Kündigung, sollten später Unterschlagungen ans Licht kommen.

Welche Auswirkungen kann eine Liebesbeziehung auf das Team haben?
Die Auswirkungen der Liebe am Arbeitsplatz müssen den Betroffenen und ihrem Team klar sein. Bei asymmetrischen Beziehungen gibt es Abhängigkeiten und Weisungsbefugnisse, deshalb ist eine Beziehung in derselben Linie zu vermeiden. Auch eine Führungsperson sollte ihren Partner nicht in den gleichen Unternehmensbereich holen. Ich nehme hier den Spezialfall der Kleinst-KMU aus, wo oft beide Partner und weitere Familienmitglieder im Geschäft arbeiten, und spreche von Corporates. Liebespaare sind für die meisten Teams, Projekte oder Geschäftseinheiten eine belastende Situation. Jede Führungsperson, jedes Paar muss für sich und mit dem Team schauen, ob das für alle stimmt oder nicht. In regelmässig geführten Mitarbeitergesprächen sollten schwelende oder akute Konflikte angesprochen werden. Falls notwendig, müssen Lösungen eruiert, Massnahmen definiert oder gar Verweise adressiert und festgehalten werden. Wenn es nicht mehr stimmt, sind gemeinsame konstruktive interne und externe Lösungen gefragt. Denn ein Verlust von kompetenten Kollegen und Kolleginnen wäre schmerzlich.

«Liebesbeziehungen sind so vielschichtig und vielseitig – versteckt kommen sie meist nur zum Vorschein, wenn sie nicht mehr laufen!»

Susanne Achermann

Es scheint, früher oder später kommt es trotz aller Vorsicht zum Konflikt?
Liebesbeziehungen sind so vielschichtig und vielseitig – versteckt kommen sie meist nur zum Vorschein, wenn sie nicht mehr laufen! Dabei ist niemand vor der Liebe und volatilen Beziehungen gewappnet. Ganz ehrlich, es wäre doch schön, wenn am Valentinstag Büros und Homeoffices voller Blumen wären. Da hätten alle Freude, gerade jetzt in Zeiten der Pandemie, wo durch die physische Distanz viele Mitarbeitende und Vorgesetzte an ihre Belastungsgrenzen kommen. Viele führen eine Liebesbeziehung stillschweigend, und das tut weder dem Umfeld noch der Beziehung gut. Im Extremfall rennt einer der Partner in ein Burnout, weil er oder sie die Doppelbelastung nicht mehr aushält. Generell zu empfehlen ist: Bei Konflikten durch die Beziehung im Team, das Ende einer Beziehung, aber auch bei starker psychischer Belastung sollten sich die Betroffenen Hilfe bei Fachstellen und Fachpersonen holen. Zuvor gilt stets die Eigenverantwortung, die Selbstreflexion, ob man mit der aktuellen Situation klarkommt, sodass keine unkontrollierbare oder gefährliche Konfliktsituation aufkommen kann.