Gemäss Roger Schawinski in der «SonntagsZeitung» beklagt der Zürcher Stadtrat Martin Vollenwyder, «dass das Niveau mit jeder neuen Politikergeneration sinke». Diesen Eindruck bekommt man auch als naiver Zuschauer beim politischen Theater rund um Bankgeheimnis, Libyen- oder Teheranreise von Bundesräten, inklusive Bundesrats-Sesselkleben. Dass sich nur die Fähigsten um Schauspielerrollen bemühen, wird weitherum bezweifelt. Trotz Gedränge scheint der Mangel an luziden Köpfen offensichtlich. Der Versuch der SVP, den Wirbelsäulenchirurgen Karl Zweifel mit seinen Fantasien, politische Gegner zu vierteilen, in den Zürcher Stadtrat zu hieven, kann nur als Folge fortgeschrittener Ratlosigkeit gewertet werden.

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Erfolgreiche Wirtschaftskapitäne, die den Gang nach Bern machen, werden abgewählt oder wie der Riese in «Gullivers Reisen» durch Berufspolitiker, Juristen und Lobbyisten blockiert.

Für manche kommt Hoffnung auf, wenn der dreissigjährige Raphaël Comte, der noch nie einer normalen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, für den Kanton Neuenburg in den Ständerat einzieht. Doch auch der arg gebeutelte Finanzminister war ja kaum je im operativen Geschäft tätig. Andere Quereinsteiger, wie Mediziner oder Landwirte, die allenfalls Reformen bewirken könnten, werden gekauft. «Das Magazin» berichtete über einen Mehrfachverwaltungsrat und Zürcher Ständerat, der für zwei Sitzungen im Beirat der Credit Suisse jährlich 100  000 Franken erhielt. Offensichtlich lassen sich die meisten Volksvertreter von Lobbyisten kaufen und vertreten dann die Interessen der Banken, Wirtschafts- oder Bauernverbände im Hintergrund. Intrige regiert gemäss «NZZ» selbst in Bern, die Multikulti-Schweiz betreibt eidgenössische Balkanisierung im Bundeshaus. Besonders unappetitlich daran ist, dass darüber eisern geschwiegen wird. Und das Volk schreit nicht auf, es ist nur verdrossen. Ich jedenfalls habe nur noch wenig Lust, zur Urne zu gehen.

Peter von Matt hat kürzlich im Radio die Pfaffen als eine Pest qualifiziert, die Politiker wären dann die Cholera.

Natürlich ist es an anderen Orten noch schlimmer. Da ist das globale Gruselkabinett mit Figuren wie Berlusconi, Mugabe, den Herrschern von Burma, Sudan oder dem Despoten Lukaschenko, dem gar im Vatikan die Absolution erteilt wird.

Hat aber Vollenwyder recht, dass die Politiker immer schlechter werden? War es nicht schon immer so wie heute? Ein Blick in die Literaturgeschichte lässt auch für die Vergangenheit nicht auf Gutes schliessen. Allerorten «ein garstig Lied! Pfui! Ein politisch Lied!», heisst es in der Szene in Auerbachs Keller in Goethes «Faust». Und Gottfried Benn schrieb: «Der soziologische Nenner, / der hinter Jahrtausenden schlief, / heisst: ein paar grosse Männer / und die litten tief.» In «Der Ptolemäer» spricht er vom «Zoon politikon – ein griechischer Missgriff, eine Balkanidee».

Das heisst wohl nichts anderes, als dass die meisten Führer der Vergangenheit Taugenichtse waren wie heute. Denken Sie an die Auslöser des Ersten Weltkriegs, die Naziverbrecher oder die Kreuzzüge. Auch zu Bern war es früher nicht anders. Jeremias Gotthelf äusserte sich in einer Predigt über die Tätigkeit der Gnädigen: «Donners Schelme und Spitzbuben, Meineidige und Hosenscheisser: Wenn das heisst regieren, dann heisst furzen Musik.»

Es ist also heute wohl nicht schlechter als in der Vergangenheit. Das ist tröstlich. Und trotzdem haben wir es herrlich weit gebracht. Politiker werden weiterhin Darmgase produzieren und die Atmosphäre aufheizen. Aber wenigstens sollten sie über ihre wahren Beweggründe und ihre Bezüge Auskunft geben.

Prof. Dr. med. Oswald Oelz war bis Ende Juli 2006 Chefarzt für Innere Medizin am Triemli-Spital Zürich. Der Bergsteiger und Buchautor liess sich mit 63 Jahren pensionieren.