«Mens sana in corpore sano», nur in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder und innovativer Geist. Energisch wiederholt Michael Pieper das Prinzip, und der Franke-Chef verfolgt es auch in der Firma konsequent. Seine Konzernleitung muss jährlich zum Gesundheits- und Fitness-Check, die Resultate werden jeweils vom Verwaltungsratspräsidenten geprüft.

Pieper kam vor einigen Jahren in Wolfgang Rohners (63) Praxis in Maur ZH. Ein Freund hatte mit dessen Ernährungskonzept in kürzester Zeit um die zwanzig Kilo verloren. Pieper, der damals gerade «etwas Mühe mit dem Abnehmen hatte», wie er sagt, folgte der Empfehlung und nahm in sechs Monaten über fünfzehn Kilo ab.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die Wirkung war augenfällig, der Unternehmer erschloss Rohner einen neuen Kundenstamm aus seinem Freundes- und Firmenkreis: «Ganz einfach alle, die mich fragten, wie ich denn das geschafft habe», so Pieper.

Mittlerweile pilgern zig Vertreter der Wirtschaftselite zum Ernährungsguru – Topbanker wie Industriekapitäne.

Angefangen hat Rohners Erfolgsstory ganz banal. Er startete als Allgemeinpraktiker in Zürich Nord mit Spitzenfrequenzen von 120 Patienten am Tag, darunter viele mit Übergewicht. Es war in den siebziger Jahren, in der Zeit, als allmählich qualitativ akzeptable Appetitzügler auf den Markt kamen.

Wirkung ungenügend. Die Medikamente hätten zwar gewirkt, erinnert sich Rohner, aber die Patienten hätten an den falschen Körperstellen abgenommen. Frauen meist am Busen und im Gesicht. «Die Figur verschlechterte sich eher, die Patienten sahen eingefallen aus, an den Problemzonen wie Bauch oder Becken hatten sie aber nur wenig abgenommen.» Zudem nahmen die meisten mit dem Jojo-Effekt rasch wieder zu.

Rohner ortete das Problem einerseits in den viel kleineren Mengen, die bei den Diäten gegessen werden. Zudem berücksichtigte er als entscheidenden Faktor die individuelle Fähigkeit, Reserven zu bilden. So begann er bei seinen Patienten Mass zu nehmen und setzte die Ungleichgewichte ins Verhältnis zur Idealfigur. «Der Rest war Lebensmitteltheorie», so Rohner. Er analysierte, welche Nahrungsmittel wo ansetzen und welcher Körpertypus was weglassen muss. Rohner unterscheidet elf Körpertypen und drei Kategorien von Nahrungsmitteln, die je nach Veranlagung entweder tabu sind, bedingt erlaubt oder aber ohne Probleme und Einschränkung gegessen werden dürfen (siehe «Das Rohner-Konzept» unter 'Weitere Artikel').

Im Unterschied zur verwandten Montignac-Methode gilt bei Rohner für bestimmte Nahrungsmittel die Nullregel, nicht wenig, sondern gar nichts darf konsumiert weden. «Die mathematische Klarheit entscheidet», sagt er. Egal welcher Körpertyp, Schoggi, Bier oder Spaghetti liegen bei allen im verbotenen Bereich.

Methode lizenziert. Wer sich daran hält, erlebt offenbar wahre Wunder. Der Erfolg von Rohners Methode war jedenfalls so offensichtlich, dass sich das Konzept von alleine verkaufte. In den acht-ziger Jahren lief das Business richtig an. Die Mund-zu-Mund-Propaganda funktionierte. Aus der Wirtschaftswelt entdeckte die Werberszene zuerst das Rohner-Konzept. Doyen Jean Etienne Aebi etwa war ein Kunde der ersten Stunde. Auf dem Höhepunkt verzeichnete der Arzt täglich bis zu einem Dutzend neue Kunden. Die langen Wartezeiten – bis zu elf Monaten – brachten manchen Anwärter an den Rand der Verzweiflung.

Rohner entschied sich, in einem Lizenzverfahren mit Partnerärzten zu arbeiten. Rund fünfzig sind es heute in der Schweiz, knapp dreissig in Deutschland. Mit diesem System weiss er die Unité de doctrine garantiert – und er kassiert Kommission. 3000 bis 3500 Kunden werden heute pro Jahr nach seiner Methode behandelt. Insgesamt haben bisher 35  000 Personen das Rohner-Konzept befolgt.

Ein Aushängeschild ist Patricia Boser, die TeleZüri-Moderatorin, die seit 2008 konsequent nach dem Rohner-Prinzip isst und damit von Kleidergrösse 42 auf 36 umsteigen konnte.

Doch Wolfgang Rohner – ein Cousin des designierten Credit-Suisse-Präsidenten Urs Rohner – ist speziell in der Wirtschaftswelt gefragt.

UBS-VR und Roche-Vizepräsident Bruno Gehrig etwa befolgt das Rohner-Konzept seit drei Monaten und hat bisher sechs Kilo verloren, von 89 auf 83 Kilo. Gehrig hatte nach seinem Hirnschlag vor fünf Jahren zuerst massiv abgenommen, dann aber ging es «rauf und rauf», beklagt er: «Ich wollte nicht, dass ich irgendwann 100 Kilo auf die Waage bringe, und lieber vorher handeln.» Jetzt sei er dank der Rohner-Methode nahe am Idealgewicht, fühle sich nicht nur wohler, sondern auch deutlich fitter und treibe mehr Sport.

Die Empfehlung für den Doktor bekam er beim Jass-Stammtisch, vom langjährigen Wirtschaftschef der «NZZ am Sonntag», Fritz Pfiffner. Der hatte sich daran gestört, dass er «trotz viel Sport und vernünftigem Essen» in der Bauchgegend immer etwas mehr zulegte. Nach einem Tipp von einem Ex-Banker ging Pfiffner vor vier Monaten mit 80 Kilo in Rohners Praxis. Nach zwölf Wochen hatte er acht Kilo verloren und wies wieder das Idealgewicht auf. Und dies, ohne zu hungern, wie er betont. Zum Frühstück gibt es bei Pfiffner statt Vollkornbrot nun eben Spiegeleier und Rohschinken.

Adieu, Business Lunch. Mit seinem Konzept trifft der Arzt den Nerv der Zeit: «Leistungsfähig, fit und attraktiv zu sein und zu bleiben, ist ein Muss.» Und «gerade bei Leistungsträgern ist das Bewusstsein für Ernährung und Gesundheit deutlich gestiegen», sagt er.

Ein Manager müsse mittlerweile ja «den ganzen Tag präsent sein» und könne sich nach einem üppigen Mittagessen nicht mehr ausruhen. «Vorbei die Zeiten, als es sinnlos war, um 15 Uhr ein wichtiges Gespräch zu führen, weil der Körper mit der Reservebildung beschäftigt und müde war», weiss Rohner.

Der ausgiebige Business Lunch mit Wein und Zigarre gehört der Vergangenheit an. «Das ist schon lange vorbei», sagt der frühere Nationalbanker Gehrig. Und Unternehmer Pieper winkt ab. Man sei bei Franke «schon immer sehr diszipliniert» gewesen. «Bei uns gibts mittags Früchte, ein Joghurt und höchstens ein Sandwich.»

Für ihn allerdings kaum, denn Kohlenhydrate sind im Rohner-Konzept selten bis gar nicht erlaubt. Das braucht tatsächlich Disziplin. «Gewisse Dinge sind vielleicht manchmal schwierig, aber ich halte mich meistens daran, ganz einfach weil es wirkt», versichert Pieper. Er habe ein halbes Jahr gewartet und sei dann zum Schneider gegangen, um alle Kleider enger zu machen. «Jetzt kann ich mir gar nicht mehr leisten zuzunehmen», witzelt der Franke-Patron. Auch Bruno Gehrig gibt sich eisern: «Man gewöhnt sich daran.» Der Vorteil bei der Methode sei ja gerade, dass es keine befristete Therapie sei, sondern eine neue Art, sich zu verpflegen. «Und dabei bleibt es dann», meint der Profi-VR.

Nicht alle Spitzenleute sprechen so offen über ihr Körperbefinden. Topmanager beider Grossbanken gehen in Rohners Praxis ein und aus, wollen aber lieber inkognito bleiben. Und der Arzt hält sich strikte ans Berufsgeheimnis, obwohl es ihn schon ein bisschen zu wurmen scheint, dass viele der grossen Namen lieber nicht genannt werden wollen.

Ein drittel Männer. Ein weiterer Grund für den Erfolg: Der Diätdoktor verströmt keinen missionarischen Gesundheitsgeist. Bis vor einigen Jahren habe er noch täglich drei Pakete Gauloises geraucht, verrät er freimütig, heute steht ein Mega-Multipack zuckerfreier Kaugummi als Ersatz in der Praxis.

«Feste gehören zum Leben», sagt Rohner. Bei Gelegenheit dürfen auch seine Jünger sündigen. Im Alltag allerdings ist Disziplin angesagt, ein falscher Bissen, und «der Körper stellt wieder auf Reserve um», warnt er.

Ist das Bewusstsein für die eigene Befindlichkeit bei der Wirtschaftsklientel mit der Krise gewachsen? Auf dem Tiefpunkt, im Oktober und November 2008, verzeichnete Rohner eher einen Einbruch. Denn zu seinen Patienten gehören nicht nur Topbanker und Industriekapitäne, sondern auch Coiffeusen, Aussendienstler, Sachbearbeiter und Putzfrauen. Und bei dieser Klientel bekam der Arzt die Krise negativ zu spüren, schliesslich kostet sein Basisprogramm fast 1000 Franken. Bei der Wirtschaftselite hingegen habe sich durch die Krise «das Bewusstsein eher verstärkt, dass man nur in Topform bestehen kann und Denkpausen oder Ausfälle verheerend sein können», meint Rohner. Grundsätzlich habe sich das Körper- und Gesundheitsbewusstsein in den Chefetagen in den vergangenen Jahren verbessert. Er sieht es am stetig steigenden Absatz seiner All-inclusive-Programme, die für Manager massgeschneidert sind und möglichst ohne grossen Zeitaufwand durchgeführt werden.

Dass Firmen für ihre Mitarbeiter Behandlungen buchen, passiert noch immer selten. «Dabei könnten Unternehmen von der geistigen Fitness und langfristigen Gesundheit ihrer Mitarbeiter viel mehr profitieren als durch das Einrichten von Fitnessstudios», glaubt Rohner.

Im Vergleich zur Anfangsphase hat sich Rohners Publikum verändert. Früher betrug das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Patienten neun zu eins, heute sind ein Drittel seiner Kunden Männer. Zudem haben sich die Bedürfnisse gewandelt. Kamen in den achtziger Jahren noch stark übergewichtige Menschen, haben heute die meisten nur noch zwischen fünf und fünfzehn Kilo zu viel. Rohner: «Da neue wissenschaftliche Erkenntnisse über den Stoffwechsel den Wert dieser Ernährungsform als Prävention aufzeigen, hat sich unser Kundenbereich um Personen erweitert, die kaum Gewichtsprobleme haben, aber möglichst optimal älter werden möchten.»

Präventiver Einsatz. Auch gertenschlanke Frauen gehören längst zu seinen Kunden. Die möchten, so erklärt Rohner, die paar Kilo zu viel vermeiden, die in den besten Jahren drohen, weil der Stoffwechsel mit dem Alter träger wird. Oder aber sie wollen an ihren kritischen Stellen arbeiten, zum Beispiel «Reiterhosen» oder Bauchansatz bekämpfen.

Das ist charakteristisch für eine Wohlstandsgesellschaft, während echte Gewichtsprobleme oft Armutsprobleme seien, sagt der Arzt. «Natürlich betreiben wir letztlich eine ‹Kaschmir-Medizin›», also eine Luxusmedizin, meint Rohner selber. Allerdings: «Was nützt die beste Altersvorsorge, wenn wir durch Fehlernährung chronisch krank werden und das Gesparte nicht mehr geniessen können?»

Seine Idee gehe sowieso weit über die Erhaltung der schlanken Linie hinaus. Rohner verweist auf neue Forschungs-resultate, die zeigten, dass die kohlenhydratarme, eiweiss- und fettreiche Ernährung viele zivilisationsbedingten, degenerativen Krankheiten zu verhindern vermag. Und gemäss jüngsten Erkenntnissen aus der Krebsforschung lasse sich durch gezielte Ernährung auch Krebsprävention betreiben und im Fall einer Erkrankung die Behandlung unterstützen, meint Rohner.