Viele Unternehmen wechseln allmählich zurück in den Normalbetrieb und beordern ihre Mitarbeitenden vom Homeoffice zurück ins Büro. Gemäss einer Studie der ZHAW und FHNW fühlen sich mehr als 70 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Home Office wohl oder sehr wohl und möchten diese Art der Arbeitsorganisation auch nach der Coronakrise beibehalten.
Yves Gogniat ist Anwalt bei der Kanzlei Wicki Partners in Zürich. Er ist vor allem im Vertragsrecht, im Gesellschafts- und Handelsrecht, im Immaterialgüterrecht sowie im Arbeitsrecht tätig.
Ein kürzlich ergangenes Bundesgerichtsurteil hat die Entschädigungsfrage für das Home Office aufgrund der aktuellen Situation in den Fokus der Diskussion gerückt. Im April 2019 wurde vom Bundesgericht entschieden, dass die Auslagen für das Homeoffice durch den Arbeitgeber entsprechend zu vergüten sind.
Im genannten Rechtsstreit ging es um unter anderem um Auslagenersatz für ein Zimmer in der Wohnung des Arbeitsnehmers, das als Home Office genutzt wurde. Das Bundesgericht sowie die Vorinstanz stützten ihr Urteil dabei auf Art. 327a Abs. 1 OR. Diese Bestimmung besagt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer alle durch die Ausführung der Arbeit notwendig entstehenden Auslagen zu ersetzen hat. Dem Argument des Arbeitgebers, dass das entsprechende Zimmer beziehungsweise die Wohnung nicht im Hinblick auf die Homeoffice-Arbeit gemietet wurde und somit die Kosten sowieso entstanden wären, wurde nicht gefolgt.
Wie ausschliesslich ist das Home Office?
Das Gericht sprach dem ehemaligen Arbeitnehmer einen Entschädigungsanspruch zu. Der Betrag wurde durch das Gericht geschätzt, da es unmöglich ist, den Anspruch genau zu beziffern. Grundsätzlich hat der Entschädigungsanspruch neben einem Mietanteil auch eine Entschädigung für die Nutzung des eigenen Materials zu beinhalten; hierbei ist insbesondere an die Nutzung von Druckern oder Telekommunikations-Mitteln zu denken.
Im vorliegenden Fall wurde dem Arbeitnehmer keinen geeigneten und dauerhaften Arbeitsplatz im Unternehmen zur Verfügung gestellt und die Arbeitsleistung wurde mehrheitlich im Homeoffice erbracht. Beim ausschliesslichen Home Office ist klar, dass ein Arbeitsplatz notwendig ist und dieser durch den Arbeitgeber deshalb zu entschädigen ist.
Wie freiwillig ist das Home Office?
Ob das Urteil für alle möglichen Home-Office-Konstellationen gleich ausfallen dürfte, ist zu bezweifeln. In den vielen Fällen besteht ein alternierendes Home Office, das heisst die Angestellten haben weiterhin einen Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin zur Verfügung. In dieser Konstellation ist die Arbeit im Home Office freiwillig und daher nicht notwendig, um die Arbeitspflicht zu erfüllen.
Sofern keine Notwendigkeit für das Home Office besteht, ist wohl kein Auslagenersatz dafür geschuldet. Die Entscheidung im Home Office zu arbeiten liegt ausschliesslich beim Arbeitnehmer.
Gibt es fix eingeplante Home-Office-Tage?
Beim alternierenden Home Office kann insofern ein Entschädigungsanspruch entstehen, wenn in der betrieblichen Arbeitsorganisation Home-Office-Tage fest eingeplant sind und im Ergebnis gar nicht genügend Arbeitsplätze für alle Mitarbeiter zur Verfügung stehen. In diesem Fall ist die dauernde Arbeit im Büro nicht möglich und die Arbeit muss zumindest teilweise im Homeoffice erbracht werden, weshalb möglicherweise eine Vergütung geschuldet ist.
Diese Abgrenzung ist jedoch nicht einfach, da andere Faktoren, wie die Flächenreduktion aufgrund von Teilzeitpensa ebenfalls berücksichtigt werden müssen.
Spezialfall Coronakrise
Während der Coronakrise waren viele Angestellte im Home Office tätig. Dies erfolgte aufgrund einer behördlichen Empfehlung und war temporärer Natur. Das Home Office wurde daraufhin in vielen Fällen durch die Arbeitgeberin angeordnet, was grundsätzlich für einen Entschädigungsanspruch sprechen würde. Die Anordnung erfolgte aber nicht im Interesse der Arbeitgeberin, sondern aufgrund der behördlichen Empfehlung. Es handelte sich um eine temporäre Massnahme zum Schutz der Arbeitnehmenden und es ist daher fraglich, ob ein Entschädigungsanspruch besteht.
Da eine Rechtspraxis fehlt, kann ein solcher Anspruch zumindest nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Aufgrund der kurzen Dauer und der aussergewöhnlichen Situation, scheint eine gewisse Solidarität durch die Arbeitnehmenden gegenüber den Arbeitgebenden angebracht. Es bleibt zu hoffen, dass sich in vielen Fällen eine für beide Seiten tragbare Kompromisslösung finden lässt.
Um Rechtsunsicherheiten vorzubeugen, sollte der Arbeitgeber seine Mitarbeiter bezüglich der Home-Office-Problematik proaktiv informieren. Da in Zukunft offensichtlich bei einigen Mitarbeitenden ein Bedürfnis für Home-Office besteht, sollten die Arbeitgebenden die aktuelle Situation zum Anlass nehmen und entsprechend klare Regeln bezüglich Homeoffice schaffen.
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