Wenn die Mitarbeiter von Altitec sich im Arbeitseinsatz an Hauswänden, Türmen oder anderen hohen Gebäuden entlanghangeln, wirken sie für manche Passanten wie Zirkusakrobaten. Görgen Carron macht diesen Vergleich nicht gerne. «Das tönt irgendwie unseriös und entspricht unserer professionellen Arbeit überhaupt nicht», sagt der Gründer und Geschäftsführer der auf Arbeiten in grosser Höhe spezialisierten Firma. «Daher beschäftigen wir auch nicht primär Alpinisten, sondern schwindelfreie Spezialisten wie Dachdecker, Maurer oder Restauratoren, die wir speziell für den Einsatz an hohen Gebäuden ausbilden lassen.»

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Die Altitec-Spezialisten reinigen Fassaden und Fenster, machen Installations- und Renovationsarbeiten an Mauern sowie Dächern, sanieren Risse in Mauern und installieren Netze und andere Schutzmassnahmen gegen nistwillige Vögel. Und hin und wieder gehört auch das Entfernen von riesigen Eiszapfen, die sich im Winter an Balkonen, Balustraden und Dachrändern bilden und dadurch Passanten gefährden, oder das Aufstellen von Antennen zum Pflichtenheft von Carrons Truppe.

Seit zwei Jahren bietet das Unternehmen mit dem Installieren von Sicherheitssystemen gegen Unfälle in hoher Höhe eine weitere Dienstleistung an. Diese Systeme bestehen aus Sicherungsleinen sowie speziellen Geländern und Leitern. «20 bis 30 Prozent der Berufsunfälle sind Stürze während Bau- oder Renovationsarbeiten auf Dächern, Balkonen und an anderen exponierten Orten. Aus Mangel an Schutzsystemen.»

Im EU-Raum ist es Standard, dass alle Personen, die Arbeiten über Boden ausführen, einen mehrere Wochen dauernden Sicherheitslehrgang absolvieren müssen. Ein solcher Lehrgang ist in der Eidgenossenschaft inexistent, die Unfallprävention liegt deshalb in den Händen des einzelnen Unternehmens. Um diese Ausbildungslücke zu schliessen, ist Görgen Carron zurzeit zusammen mit der Suva daran, ein Schulungsprogramm auszuarbeiten, das die Arbeitgeber für dieses Thema sensibilisieren soll. «In einem zweiten Schritt möchten wir dann verbindliche Schweizer Standards ausarbeiten.»

Carrons Firma ist auf Arbeiten in grosser Höhe spezialisiert. Ab wann denn gilt ein Gebäude als hoch? «Das kommt darauf an. Bei den Sicherheitssystemen bereits ab drei Metern, für alle anderen Arbeiten ungefähr ab zwei oder drei Stockwerken», erklärt Carron.

Solche Gebäude gibt es in der Schweiz zuhauf. Zu den Kunden von Altitec gehören viele KMU in der Romandie, verschiedene Universitätsspitäler, Philip Morris, die Swisscom, die Post oder auch die SBB. Und über Arbeitsmangel kann sich der 39-Jährige nicht beklagen. Im Gegenteil. «Wir müssen zahlreiche Aufträge ablehnen, weil wir keine Kapazität mehr haben.» Volle Auftragsbücher also, obschon Görgen Carron seit der Firmengründung im Jahr 1998 kaum Geld für Werbung ausgegeben hat. «Wir machen gute Arbeit, und das spricht sich herum.»

In grosse Höhen und zum Geschäftsführer ist Carron per Zufall aufgestiegen. «Während der Schule war es mein grösster Wunsch, in Paris bildende Künste zu studieren.» Da das von ihm ins Auge gefasste Institut Kandidaten erst ab 18 Jahren aufnahm, musste er nach dem Schulabschluss noch irgendwie die Zeit überbrücken. «Mein Vater riet mir, doch bitte noch etwas Rechtes zu machen, bevor ich mich in eine brotlose Zukunft stürzen würde …»

Görgen Carron entschloss sich dann, eine Maurerlehre zu absolvieren. «So richtig motiviert war ich nicht, denn ich sah das Ganze als Zwischenlösung an. Doch an diesem Beruf gefiel mir, dass ich mit den Händen arbeiten und etwas erschaffen konnte.» Aus einer Zwischenlösung wurde irgendwann eine Leidenschaft. Und so geriet auch der Wunsch, Künstler zu werden, immer mehr in den Hintergrund. Nach der Weiterbildung zum Vorarbeiter machte sich Görgen Carron mit achtundzwanzig Jahren mit einem eigenen kleinen Baugeschäft selbstständig.

Selbstständig zu arbeiten, hiess für Carron einen Traum verwirklichen. «Das war mindestens so kreativ, wie als Künstler zu arbeiten, und brachte mir erst noch Geld ein.» Neben der Kreativität zählen für Görgen Carron die Freiheit sowie die Tatsache, dass jedes einzelne Projekt nicht nur handfest, sondern auch zielorientiert ist, zu den schönsten Dingen an seinem Unternehmertum.

Doch nicht nur die Praxis fasziniert ihn, sondern auch die administrative Seite seiner Firma. Im Trial-and-Error-Verfahren, mit vielen Büchern sowie offenen Augen und Ohren eignete er sich die buchhalterischen Kenntnisse an, sodass er sich nie aufs Glatteis begeben musste. «Ich wollte alle Schritte verstehen. Denn ich bin kein Hasardeur. Zudem hatte ich damals schon Personal beschäftigt, und für dieses trug ich die Verantwortung.»

Um die Firma zu gründen, griff er auf sein Erspartes zurück und eröffnete ein Kontokorrent bei einer Grossbank. «Dieses erhielt ich allerdings nur, weil mein Vater bei dieser Bank relativ viel Geld liegen hat und so für mich bürgen konnte.» Er sei sich bewusst, dass er Glück gehabt habe, ist das Thema Finanzierung für Jungunternehmen doch ein leidiges Kapitel. «Wer das Pech hat, in einer Branche tätig sein zu wollen, die in der Finanzwelt nicht gerade völlig in ist, hat kaum Chancen auf Unterstützung von den Banken oder anderen Kapitalinstitutionen.» Viele seiner Kollegen und Bekannten hindere dies daran, ein Unternehmen aufzubauen und dadurch Arbeitsplätze zu schaffen.

Im Jahr 1997 erhielt Görgen Carron mit seinem Maurergeschäft den Auftrag für die Restauration einer Stadtmauer in Frankreich. Mit von der Partie war auch ein französisches Unternehmen, das die Arbeiten, die nicht mehr vom Boden aus erledigt werden konnten, übernahm. «Ich war fasziniert und wusste: So etwas wollte ich auch in der Schweiz anbieten.»

Er gab seinem bereits existierenden Einzelunternehmen mit «Altitec» einen neuen Namen und schwebte schon bald den ganzen Tag über Boden. Dies natürlich lediglich bei der Arbeit, denn ansonsten steht der 39-jährige Carron mit beiden Beinen auf der Erde.

«Als Unternehmer trage ich Verantwortung. Neben einer sauberen Auftragsabwicklung ist es für mich das Wichtigste, meinen Mitarbeitenden ein gutes Arbeitsumfeld zu bieten, die Saläre pünktlich zu zahlen sowie den Gewinn wieder in die Firma zu investieren.» Was heute so souverän klingt, verursachte Görgen Carron bis vor drei Jahren immer wieder schlaflose Nächte. Diese gebe es ab und zu zwar noch immer, doch er habe gelernt, dass Unternehmer zu sein, ein stetiger Prozess mit vielen Hochs und Tiefs sei. «Mit den Jahren habe ich gelernt, diese Tatsache gelassener zu ertragen.» Mitunter vermisse er jedoch die körperliche Arbeit, «um Dampf abzulassen». Seit vier Jahren ist Görgen Carron nur noch administrativ tätig, pflegt die Kunden, verhandelt über die Vergabe von Aufträgen und schmiedet Pläne.

Sein nächstes Ziel ist es, die Einzelfirma in eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft umzuwandeln und das Unternehmen so auf eine noch solidere Basis zu stellen. Viel Energie fliesst auch in die Entwicklung des erwähnten Suva-Sicherheitslehrgangs sowie die Einstellung neuer Mitarbeiter. Denn die braucht er bei der stetig wachsenden Auftragslage dringend. «Ich habe stapelweise Bewerbungen von Saisonniers, die bei uns arbeiten möchten. Da mein bestehendes Team jedoch aus vielen langjährigen Mitarbeitern besteht, möchte ich auch bei den Neuen die Auswahl im Hinblick auf eine langjährige Zusammenarbeit treffen.»

Neben einer fundierten handwerklichen Erfahrung setze er auf ernste und motivierte Leute, die in stabilen familiären Verhältnissen leben. «Unsere Arbeit erfordert nicht nur Präzision, sondern auch absolute Verlässlichkeit in heiklen Situationen. Zudem arbeiten wir aus Sicherheitsgründen immer im Team, und wenn einmal ein Unfall passieren würde, dann müssten sich die Teampartner zu hundert Prozent aufeinander verlassen können.»

Altitec

Gegründet: 1998
Umsatz: wird nicht bekannt gegeben
Anzahl Mitarbeitende: zwischen vier und zehn, je nach Saison
Geschäftsleitung: Görgen Carron
Verwaltungsrat: kein Verwaltungsrat, weil Einzelfirma
Finanzierung: privat sowie Kontokorrent
Geschäftsidee: Nutzung von alpinen Techniken für Arbeiten an Fassaden und auf Dächern
Firmenphilosophie: Kundenprobleme rasch und massgeschneidert lösen
Führungsgrundsätze: das langfristige Überleben des Unternehmens sichern.

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BILANZ präsentiert in jeder Ausgabe ein Beispiel von jungem Unternehmertum – in Zusammenarbeit mit der Junior Chamber Switzerland (JCS). Die Chamber ist das grösste Netzwerk von jungen Führungskräften und Unternehmern in der Schweiz. Weitere Infos und Angaben zu JCS-Veranstaltungen auf www.juniorchamber.ch