Die wichtigsten Aufgaben der Unternehmensführung sind meiner Meinung nach die Festlegung der Strategie einschliesslich der Kontrolle über die Umsetzung, die direkte Führung der zugeordneten Abteilungen, die Koordination der verschiedenen Unternehmensbereiche, die Festlegung der Organisationsstruktur, die Corporate Governance sowie alles, was mit Personalentwicklung zu tun hat.
Oft wird bei der Aufzählung der Aufgaben einer Firma etwas vergessen, das von grosser Bedeutung ist: der Einfluss des Führungsstils auf die Unternehmenskultur. Immer wichtiger werden überdies Aufgaben, die nach aussen wirken. Dazu gehört ebenso die Öffentlichkeitsarbeit wie die Mitwirkung an der Verbandsarbeit und an anderen Interessenvertretungen der Wirtschaft.
In einer überregulierten Firma muss man gegen die Bürokratie angehen und ihr Gewicht mindern. Wo hingegen nichts geregelt ist und Schlamperei herrscht, muss man Systeme und Regeln schaffen und darauf bestehen, dass sie konsequent eingehalten werden.
Dabei bewegt sich das Unternehmen stets in einem Spannungsfeld zwischen verschiedenen Anforderungen und Interessen. Der Unternehmer befindet sich heute in zunehmendem Mass in einem Dilemma. Er ist einerseits mit ständig wachsenden Anforderungen hinsichtlich Ethik, Ökologie und sozialen Verhaltens konfrontiert und spürt andererseits den Druck aus der Finanzwelt und durch den globalen Wettbewerb, der auf Kurzfristigkeit, Orientierung am Shareholder Value und Gewinnmaximierung gerichtet ist. Hier die Balance einer langfristigen Unternehmenspolitik zu halten, ist nicht einfach – aber sehr wichtig.
Es gibt weitere Gebiete, auf denen die Unternehmensführung häufig zwei gegensätzliche Gesichtspunkte in ein Gleichgewicht bringen muss: Langfristige und kurzfristige Aspekte müssen berücksichtigt werden. Es ist die Aufgabe, zu zentralisieren oder zu dezentralisieren. Offensives Marketing steht gegen eher defensives Controlling und Kosteneinsparungen. Wann ist Diversifikation, wann Fokussierung angesagt? Regeln und Vorschriften müssen sein, aber ohne individuelle Spielräume geht es ebenfalls nicht. Das Unternehmen muss auf Leistung und Wettbewerbsorientierung getrimmt sein, aber es darf seine soziale Verantwortung nicht vergessen. Es ist mit einer nationalen und kulturellen Identität ausgestattet, aber es muss auch internationalen Ansprüchen genügen, wenn es weltweit tätig sein will.
Und dann muss das Unternehmen noch mit dem Gegensatz zwischen Shareholder- oder Stakeholder-Orientierung umgehen. Wobei dieser Gegensatz bei einer langfristig ausgerichteten und damit nachhaltigen Unternehmenspolitik gar nicht existiert. Er entsteht hauptsächlich bei kurzfristiger Betrachtungsweise. Will man den Shareholder Value langfristig optimieren, kommt man gar nicht umhin, die Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, also der Stakeholder, zu berücksichtigen und Massnahmen zu treffen, die das Image des Unternehmens stärken. Bei einer langfristigen Wahrnehmung der Aktionärsinteressen werden also die Stakeholder-spezifischen Gesichtspunkte automatisch einbezogen.
Helmut Maucher, seit 2000 Nestlé-Ehrenpräsident. Er machte die Lehre bei Nestlé und blieb der Firma zeitlebens treu. Ab 1980 war er Generaldirektor, ab 1981 Delegierter, 1990 bis 1997 Präsident und Delegierter.