Bill Clinton, der schon allerlei Höhepunkte erleben durfte, zieht es gemäss Interview im deutschen Magazin «Cicero» neuerdings in die Höhe: Er wolle mit Hillary den Kilimandscharo besteigen, solange auf dem Gipfel noch Schnee liege. Eine solche Klimax würde ich den beiden gönnen, es wäre ja auch ein Triumph der Herzchirurgie.
Auch andere Erfolgreiche streben nach ganz oben. So weiss ich von einem Kanadier, der in der Ölindustrie ein Vermögen machte und für die Erklimmung des Mount Everest drei Millionen Dollar einsetzte. Zwanzig Sherpas sorgten für sein Wohl. Vom Südsattel auf 8000 Metern bis hinauf zum Gipfel spurten und zogen fünf Sherpas vorne, weitere fünf schoben hinten und schleppten Sauerstoffflaschen und all das, was sonst noch benötigt wurde. Der Gipfelstürmer kehrte mit geschwellter Brust zurück. Fast vergessen sind die Zeiten der Pioniere, als Reinhold Messner gänzlich auf sich gestellt und ohne fremde Hilfe zum Endpunkt wankte.
Neuerdings liest man vom Rennen der Höhenbergsteigerinnen um den Ruhm, als Erste alle 14 Achttausender bezwungen zu haben. Messner machte dies 1986 vor, es folgten Jerzy Kukuczka, Erhard Loretan und 13 weitere Männer; einige andere sind in den vergangenen Jahren dabei verunglückt. Bei den Frauen ist die Statistik weit grimmiger: Die Erfolgreichste ihrer Zeit, Wanda Rutkiewicz, ist 1992 am Kangchendzönga verschollen, ihrem neunten Achttausender. 1995 riss eine Sturmböe Alison Hargreaves aus der Gipfelregion des K2 in den Abgrund. 1998 starb Chantal Mauduit in einer Lawine am Dhaulagiri, ihrem achten Achttausender, ein Jahr später Ginette Harrison an derselben Stelle auf dieselbe Art an ihrem fünften. Und 2009 stürzte die Italienerin Cristina Castagna an ihrem fünften Achttausender ab, dem Broad Peak.
Das Rennen kommt langsam in die heisse Phase: Gerlinde Kaltenbrunner hat bereits zwölf Achttausender in ihrer Sammlung und ist noch gesund, Edurne Pasabán ebenfalls zwölf, aber abgefrorene Gliedmassen, Nives Meroi elf. Diese drei Frauen klettern «by fair means» auf die Riesen und gemäss Eigendarstellung nicht für die Rekordbücher, sondern für ihre Selbsterfahrung.
Nun droht Gefahr aus dem Fernen Osten: Asiatinnen wollen die Serie um jeden Preis erzwingen, also auch mit Hilfe von Führern, Sauerstoff und Seilgeländern. Im Juli 2009 erreichten zwei konkurrierende Südkoreanerinnen den Gipfel des Nanga Parbat: Go Mi-Sun stürzte beim Abstieg von ihrer Nummer elf zu Tode, Oh Eun-Sun liess sich gleich anschliessend zum nächsten Berg fliegen. Jetzt fehlt ihr nur noch der Annapurna.
Da bekomme ich schon Mühe mit Marie-Theres Nadigs Aussage: «Die Frau ist vielleicht etwas humaner.» Sie erklärte damit den Mangel an Trainerinnen im Skisport. Eher ins Drama der wilden Girls an den Achttausendern passt da die jüngste Studie, dass Frauen wohl weniger Verbrechen begehen – aber wenn, dann gleich richtig: Sie werden zu Mörderinnen und Brandstifterinnen («NZZ» vom 22. Januar 2010).
Andere wie Roman Abramowitsch bauen an immer höheren Geldtürmen und lassen Fussballstars für sich rennen. Doch irgendwann juckt es sie doch: Auch Abramowitsch wollte den Kilimandscharo erklimmen. Dafür heuerte er 113 Träger und Führer an, flog mit seiner privaten Boeing 767 nach Afrika und startete seine rasche Attacke auf das Dach von Afrika. Er musste aus einer Höhe von 4600 Metern wegen eines Höhenlungenödems gerettet werden. Merke: Zu viel Aggression ist nicht nur für Alpinistinnen, sondern auch für Milliardäre gefährlich. Und auch Bill und Hillary tun gut daran, das Ganze gemächlich anzugehen.
Prof. Dr. med. Oswald Oelz war bis Ende Juli 2006 Chefarzt für Innere Medizin am Triemli-Spital Zürich. Der Bergsteiger und Buchautor liess sich mit 63 Jahren pensionieren.