Auf einmal spielt sich das Leben nicht mehr im Konjunktiv ab. Nichts mehr mit «Was wäre wenn?». Zum Beispiel: «Was wäre, wenn ich mit meinen gerade mal dreissig Jahren auf dem Chefsessel sässe?» Auf einmal sitzen Sie nämlich auf eben diesem Sessel. Und haben es mit einer Menge Mitarbeiter zu tun, die erheblich älter sind als Sie.

Sie haben es tausendmal gedanklich durchgespielt, vielleicht sogar in einer dieser Veranstaltungen mit dem Monsternamen Nachwuchsführungskräfteseminar trainiert: junger Chef und ältere Mitarbeiter.

Sie erinnern sich an die Szenarien? Da war die menschlich-einfühlsame Variante: Sie reden mit jedem Mitarbeiter, stellen sich auf dessen individuelle Bedürfnisse ein. Die Autorität, die Sie zur Durchsetzung Ihrer Ziele brauchen, wird dann auf wechselseitiges Verständnis gründen.

Hm.

Dann gab es das Autoritätsszenario: Sie betonen höflich, aber unmissverständlich, dass Sie nun der Chef sind, und entwickeln auf dieser Basis Ihre Beziehungen zu den Mitarbeitern. Später kann sich dann wechselseitiges Verständnis aufbauen.

Hm, hm.

Sie neigten damals zum ersten Lösungsvorschlag. Wärme, Empathie. Heute, in der Praxis, zweifeln Sie daran, und Sie würden sich eher für die zweite Lösung entscheiden. Das ist eine gute Entscheidung.

Zeigen Sie, dass Sie der Chef sind. Klare Ansagen sind erforderlich, warum Sie gekommen sind, was Sie vorhaben und wie Sie es durchsetzen wollen. Sie müssen sich zu Ihrer Position bekennen und fest dazu stehen. Alles andere wird Ihnen als Schwäche ausgelegt. Aber übertreiben Sie nicht: Junge Chefs, die versuchen, mit Nagelschuhen Autoritätsgeräusche zu erzeugen, wirken ebenso lächerlich wie die Symbolisten des zwanghaft über die ganze Woche verlängerten Casual Friday. Vor allem aber versuchen Sie niemals, als Jung-Klon der eigenen Chefs durch die Korridore zu marschieren.

Gefährlich: Intergenerationenmobbing
Wer als genetischer Fingerabdruck der eigenen Vorgesetzten auftritt, wird als schwache Persönlichkeit betrachtet. Gleichzeitig zerschlagen sich die Hoffnungen bei Ihren älteren Mitarbeitern, dass mit Ihnen frischer Wind in den Laden kommt.

Machen sie also Ihren älteren Mitarbeitern sehr deutlich, welche individuellen Qualifikationen Sie besitzen. Geben Sie ihnen die Chance, in der Kaffeepause über Ihre früheren Engagements zu reden. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Erfolgsgeschichte bekannt wird.

Die Kaffeepause ist überhaupt der Hexenkessel, in dem sich das künftige Klima zusammenbraut. Dort werden mitunter strategische Allianzen geschlossen, die bis zu Ihrem Auftritt im Unternehmen noch gar nicht denkbar schienen: Ältere, die gegen jede Veränderung sind, verbünden sich gegen Sie mit Jüngeren, die sich in ihren Karriereambitionen übergangen fühlen.

Intergenerationenmobbing.

Lassen Sie sich in dieser Situation nicht von geschwätzigen Gurus weismachen, es sei das Beste, ältere Mitarbeiter als sanfte Berater der jüngeren einzusetzen. Vielleicht geben die Älteren dann Ruhe. Vielleicht fühlen sich aber auch die Jüngeren provoziert.

Einzige Chance: Die sollen das Problem unter sich ausmachen – als gleichberechtigte Partner in einem Projekt, das Sie bestimmen. Erst wenn das Ergebnis vorliegt, muss die Gruppe Ihnen berichten.

Das ist eine schwierige Aufgabe. Alle Erfahrung lehrt, dass die Gruppendynamik in Projekten nur harzig in Gang kommt. Alte Ressortgrenzen, ungeschriebene Gesetze, auch die mangelnde Erfahrung der Älteren mit derartigen Arbeitsformen, persönliche Rechnungen, die noch offen sind – all diese Gefühlslagen bremsen die Projektarbeit.

Wenn sie mit Engelszungen reden …
Damit droht Ihnen das nächste Problem – ein Problem, das für Ihre Autorität wie ein langsames Gift wirkt: Selbstzweifel. Liegt es vielleicht an Ihnen, wenn alles nur schleppend läuft? Sind Sie am Ende doch nicht der begnadete junge Chef? Sollten Sie vielleicht doch umschalten und Hilfe suchen? Das Rat suchende Gespräch mit den Älteren?

Um Himmels willen, nein. Die Gefahr, dass Sie auf silberzüngiges Geflöte und falsche Komplimente hereinfallen, ist zu gross. Oder man wird Ihnen – um Sie zu schützen, natürlich – erzählen, wer schon alles im Unternehmen mit genau den Ideen gescheitert ist, die Sie umsetzen wollen. Stärken Sie Ihre Selbstsicherheit durch das Gespräch mit Betroffenen ausserhalb des eigenen Unternehmens. Hunderttausende von Jungstars sind im Zuge der Unternehmensreformen in den letzten Jahren in eine ähnliche Position geraten wie Sie.

Join the Party. Treten Sie einem Netzwerk bei, je nach Mentalität dem Alumnenzirkel Ihrer ehemaligen Hochschule, der weltweit tätigen Young Presidents’ Organization (www.ypo.org) oder einem der vielen Frauennetzwerke – egal. Sie lösen zwar nicht das aktuelle Problem. Aber erstens erfahren Sie psychischen Beistand. Zweitens lassen sich in diesen Kreisen alle Probleme besprechen, ohne dass sie später gegen Sie verwendet werden könnten.

Klartext statt Psycho-Geschwafel
Solche Gespräche steigern den Mut, verhindern aber nicht, dass noch einiges schiefläuft. Mitunter bleiben Sie trotz aller Qualifikation und Mühe für viele Ältere nur dies: ein kleiner Karrierist, ein störender Aussenseiter, der neidisch blockiert wird: durch Schweigen, wo man Ihnen mit Erfahrung weiterhelfen könnte, durch Dienst nach Vorschrift statt Initiative, durch häufige Fehlzeiten, obwohl Sie doch das Engagement aller Mitarbeiter brauchen.

Diese altbekannte Nummer zielt darauf, Sie bei Ihren Chefs in Misskredit zu bringen, weil Sie Ihr Plansoll nicht erfüllen. Natürlich: Jeder Karriereberater schlägt jetzt wieder vor, einen Mediator einzusetzen, Gespräche zu führen. Das liest sich gut, ist in der Praxis unsinnig.

Es wird nämlich nichts ändern.

Es wird nur Ihr Image beschädigen und Ihre Autorität untergraben. Wenn alle Bemühungen ins Leere laufen, wenn Sie die Kontrahaltung auch mit den besten Mitteln nicht bewältigen, können Sie nur noch auf das unangenehmste Mittel zurückgreifen, das im Managementarsenal für Führungskräfte bereitliegt: Mitarbeitergespräch über die Zielvereinbarungen, Mahnung und … Sprechen wir es lieber nicht aus.

Doch Vorsicht, bei dieser Konfrontation droht eine weitere Finte: die Verbrüderung der Betroffenen mit der Topetage. Ältere, die schon lange im Betrieb sind, haben oft einen guten Draht zu den Chefs – zu Ihren Chefs. Vorsicht, wenn die sich sogar duzen.

Und dann? Wenn Sie merken, dass die Loyalität der Geschäftsleitung eher traditionellen Bindungen und alten Netzwerken gilt als den Vereinbarungen mit Ihnen? Dann sollten Sie das Unternehmen wechseln. Guter Führungsnachwuchs ist auch in wirtschaftlich angespannter Zeit heftig umworben.

Aber lassen wir die düsteren Fantasien. Statistisch gesehen, funktioniert die Konstellation von jungen Chefs und älteren Mitarbeitern zusehends besser, weil es sie in immer mehr Unternehmen gibt und damit ein Gewöhnungseffekt spürbar wird. Wo es früher bei vielen älteren Mitarbeitern noch als Schmach galt, einen jungen Vorgesetzten zu haben, wird die frische Dynamik und die neue Managementkompetenz heute in wachsendem Masse als Chance gesehen.

In den meisten Fällen wird also, nach mühevollem Beginn, aus der Ablehnung erst zaghafte Akzeptanz, aus ihr dann vielleicht sogar Bewunderung. Und ist die grundlegende Akzeptanz einmal geschaffen, naht der Zeitpunkt für das vertrauensvolle Gespräch, in dem Sie gezielt die Erfahrungen und die Routine der älteren Mitarbeiter einfordern.

Lernen von Älteren ist keine Schwäche
Nutzen Sie fortan den Erfahrungsschatz, den die bewährten Kräfte des Unternehmens einbringen können. Niemand wird es als ein Zeichen der Schwäche sehen, wenn Sie auf den Rat der Älteren hören. «Wenn ich weiter gesehen habe als andere», sagte das Jahrtausendgenie Isaac Newton bescheiden, «so deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen stand.»

Nutzen Sie die Gunst der neuen Sympathie, und zeigen Sie, dass Sie selbst gelassen mit einer solchen Konstellation umgehen: Lassen Sie sich auch von Ihren jüngeren Mitarbeitern beraten. Lernen können Sie auch von den Zwergen, die auf Ihren Schultern stehen.
Partner-Inhalte