«Wie man ein Schlechtwetterkapitän wird, kann man nicht lernen», sagt Bjørn Johansson, Headhunter in Zürich. «Man muss einfach unter Beweis stellen, dass man einer ist.» Und das geht halt nur im Praxistest, wenn die Konjunktur bergab geht, das Konsumentenvertrauen sinkt, die Umsätze harzen – und also eine besondere unternehmerische Begabung dringend nötig ist.

In guten Zeiten ist das Führen eines Unternehmens zuweilen keine spezielle Herausforderung. Wenn die Kunden Schlange stehen, der Markt durch stetes Wachstum gesichert ist und die Margen steigen, braucht es wahrlich nicht die Charakterzüge einer Managerlegende wie des Ex-General-Electric-Chefs Jack Welch, um eine Firma zum Erfolg zu führen. In der gegenwärtigen Wirtschaftslage hingegen sind Leute gefragt, die es schaffen, ein schlingerndes Unternehmen auf Kurs zu halten und im besten Fall weiter wachsen zu lassen.

Manager, die das können, sind heute stark umworben. Johanssons Spezialgebiet, die Vermittlung von Executives, boomt: Der Bedarf an qualifizierten Kaderleuten ist trotz Wirtschaftsflaute gross. Denn jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen. Nie wurde deutlicher, dass es einen Unterschied zwischen reinem Management und Leadership gibt. «Es werden die Leader sein, die diese Zeiten überstehen werden», sagt die Zürcher Managementberaterin Sonja Buholzer, die im nächsten Frühjahr ein Überlebenshandbuch für Manager herausbringt.

Derzeit hat sich Verunsicherung in den Chefetagen breit gemacht. Nach Jahren guter Geschäfte ist für viele, die in den letzten Jahren nach oben gekommen sind, der Abschwung eine völlig neue Erfahrung. Eine ganze Reihe von CEOs hat mit ehrgeizigen E-Commerce-Projekten die Börse im Auge gehabt und blickt nun in den Abgrund.

Gemäss einer Untersuchung über die Befindlichkeit deutscher Kaderleute hat mehr als die Häfte der befragten Topshots Angst. Das Bedürfnis nach Orientierung ist gross.

Doch die wirklich guten Manager brauchen kaum Hilfe, wie man sich in einer so schwierigen Situation wie der gegenwärtigen zurechtfindet. «Die guten Manager – es gibt sie – sind nicht verunsichert, weil sie vorbereitet sind und weil sie gewusst haben, dass diese Lage kommen würde», sagt Fredmund Malik, Titularprofessor an der Universität St. Gallen und Verwaltungsratspräsident des Management-Zentrums St. Gallen. «Sie brauchen keine Empfehlungen, sie wissen selbst, was sie zu tun haben.»

Für diejenigen, die nicht so recht wissen, wie es weitergehen soll, sieht er allerdings schwarz: «Der Hälfte der verunsicherten Manager kann man nicht helfen. Sie sind in Wahrheit keine Manager, sondern zufällige Profiteure einer verrückten Zeit. Sie wurden hochgeschwemmt von einer Woge des kollektiven Wahns.» Gemeint sind die Blender, die mit vollmundigen Versprechungen die Treppe hochgefallen sind. Es sei gut, dass sie von den Managementpositionen wegkommen, wo sie gefährlich gewesen seien und Schaden angerichtet hätten, meint der St.-Galler Managementprofessor.

Diejenigen aber, die übrig blieben, müssten einsehen, dass es jetzt nicht mehr um Spielchen gehe, sondern um wirkliche Führung: «Man rettet sich über die Runden, indem man den akkumulierten Unfug der letzten drei Jahre abschafft und ihn aus dem Kopf sowie aus dem Unternehmen eliminiert.» Dazu gehört laut Malik alles, was mit New Economy zu tun, mit Shareholder-Value und Wertsteigerungsstrategie, mit Internet- und E-Commerce-Euphorie. Es gehöre etwa die Hälfte dessen dazu, was unter der Bezeichnung «Corporate Governance» propagiert wird – und alles, was die Leute über die Börse zu wissen glauben. Und es gehört auch die pervertierte Idee des «War for Talent» dazu. Es gebe nur den «War for Performance», so Malik.

Die Zeit der tollen Managementlehren, der PowerPoint-Artisten und Industrieschauspieler ist erst einmal vorbei, denn plötzlich wird die Lage ernst. Es geht um die Frage, wer es am schnellsten und besten schafft, sein Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. «Jetzt ist die Fähigkeit gefragt, echte Leistung zu erbringen statt Schaumschlägerei und Bluff», sagt Malik. Weiter sei die Fähigkeit zu solidem, professionellem Management nötig, die allerdings selten sei, weil die Mehrheit es versäumt habe, sich umfassend auszubilden. Und als wohl Wichtigstes die Fähigkeit, Kunden zu finden, zufrieden zu stellen und zu behalten.

Vergessen Sie also die alten Karrieretipps: Jetzt ist es sowieso zu spät für eine Weiterbildung oder eine neue Qualifikation wie den MBA. Jetzt ist «Survival of the Wittyest» (englisch witty = geistreich, witzig) angesagt. Nur die Schlausten und Besten überleben.
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