Lediglich Optimisten unter den Politbeobachtern hätten dieses Resultat für möglich gehalten: Barack Obama setzt sich nach einem verbissen geführten Wahlkampf gegen seinen republikanischen Widersacher Mitt Romney mit einem deutlichen Sieg durch. Damit kann er weitere vier Jahre die Zukunft der Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Oval Office heraus mitgestalten.
Viel Zeit bleibt dem Demokraten allerdings nicht, um diesen Triumph auszukosten. Die vor fünf Jahren ausgebrochene Finanzkrise zwang das Weisse Haus dazu, einige Finanzhäuser mittels Teilverstaatlichung vor dem Bankrott zu bewahren. Ausserdem wurden Konjunkturprogramme aufgelegt, um die eigene Volkswirtschaft zu schützen. Diese eingeleiteten Massnahmen führten jedoch dazu, dass die Schuldenobergrenze in Höhe von 14,3 Billionen US-Dollar im vergangenen Jahr nicht nur durchbrochen, sondern sogar auf 16,4 Billionen US-Dollar angehoben wurde.
Weil sich die Obama-Administration und das von den Republikanern dominierte Repräsentantenhaus sich nun in einer fortwährenden politischen Abnützungsschlacht nicht auf ein gemeinsames Haushaltsbudget einigen können, drohen dem Land in den nächsten neun Jahren automatische Ausgabenkürzungen von 1,2 Billionen US-Dollar. Dabei dürften allein im kommenden Jahr Einsparungen von 65 Milliarden US-Dollar erfolgen. Die Konsequenz: Die USA würden mit einer Arbeitslosigkeit von über 13 Millionen Menschen in die nächste Rezession stürzen.
Gerade in diesen finanzpolitisch fragilen Zeiten wird der amtierende Finanzminister Timothy Geithner seinem Präsidenten wohl den Rücken kehren. Wie verschiedene US-Medien berichten, soll der ehemalige Leiter der New Yorker Filiale der US-Notenbank Federal Reserve seit mehreren Monaten mit dem Blackrock-Chef Laurence Fink verhandeln.
Facebook-Geschäftsführerin gehört zum Kandidatenfeld
Barack Obama benötigt also schnellstmöglich einen neuen «Schatzkanzler» - und die Liste der potentiellen Nachfolger ist lang und prominent. So werden Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg intakte Chancen für den vakanten Posten eingeräumt. Unter der Clinton-Administration war sie Büroleiterin des damaligen Finanzministers Larry Summers. Zudem sammelte Sandberg bei der Weltbank internationale Erfahrung.
Ebenfalls zum erweiterten Kandidatenkreis gehört der «Politikveteran» Erskine Bowles. Er diente unter Bill Clinton als Stabschef. Darüber hinaus stand er 2010 einer von Demokraten und Republikanern eingesetzten Kommission vor, welche einen Plan zum Abbau der Staatsschulden vorgelegt hatte.
Aussenseiterchancen hat Suzanne Nora Johnson. Sie arbeitete einst für den Versicherungsgiganten AIG und die Investmentbank Goldman Sachs. «Ihre Ernennung wäre ein Olivenzweig an den Sektor», sagt USA-Expertin Stormy-Annika Mildner zu «Handelszeitung Online».
Als Kronfavorit für den wohl wichtigsten Ministerposten der Obama-Administration gilt derweil Jacob Lew. Dieser bekleidet seit 2010 das Amt des Stabschefs und ist damit engster politischer Vertrauter des Präsidenten.
Vom Hippie zum politischen Schwergewicht
Der 57-Jährige stammt aus einer jüdischen Mittelstandsfamilie und wuchs im New Yorker Stadtteil Queens auf. Dort besuchte er die High School und fiel mit seinen zerrissenen Jeans und langen Haaren auf. Während dieser Jahre glaubte Lew, mit der Berufswahl Journalismus die Ungerechtigkeiten dieser Welt bekämpfen zu können.
Nach der High School studierte Lew aber in Harvard und machte daraufhin seinen Doktor in Jura an der Georgetown Universität. Zwischen 1988 bis 1993 war er Partner in der renommierten Anwaltskanzlei Van Ness, Feldman & Curtis, ehe er von 2001 bis 2006 den Professor-Lehrstuhl für Öffentliche Verwaltung an der New York University bekleidete. Damit aber nicht genug: Nach seinem Engagement an der New York Universität verdiente er sein Geld im Wealth Management der Citigroup.
Privat gibt ihm sein Glaube und die Familie Kraft. Als orthodoxer Jude versucht der promovierte Anwalt den Sabbath einzuhalten. Aus der Ehe mit seiner High-School-Liebe Ruth Schwarzt sind zwei Kinder und ein Enkelkind entstanden, wobei Sohn Danny in New York lebt und seine Tochter Shosi in Washington auf dem besten Weg ist, in die politischen Fussstapfen ihres Vaters zu treten.
Vom Berater zum Vizeaussenminister
Seine politische Karriere leitete Lew derweil 1979 ein. Damals fungierte er bis 1987 als innenpolitischer Berater des demokratischen Sprechers des Repräsentantenhauses Tip O'Neil. Nach der Wahl von Barack Obama zum mächtigsten Mann der Welt stieg Lew zum stellvertretender Aussenminister auf und war in dieser Funktion zuständig für Management und Haushaltsplanung im State Departement. Heute unterhält er gute Beziehungen zum Senat und dem Repräsentantenhaus.
Weggefährte und Freunde berichten, dass Lew ein Pragmatiker sei, der weiss, wie politische Programme zu retten sind - und genau diese Charaktereigenschaften brauchen die USA und Präsident Obama. Laut Politexpertin Mildner sind «jetzt Regierungserfahrung, Vertrautheit mit dem Haushaltsprozess und vor allem gute Arbeitsbeziehungen mit dem Kongress gefragt. Am besten noch eine ausgewiesene Erfolgsbilanz, über die parteipolitischen Gräben hinweg auch mit den Republikanern zusammenarbeiten zu können».