Der Rücklauf mag auf den ersten Blick nicht eben gewaltig wirken. Aber die 300 teilnehmenden Firmen melden insgesamt mehr als 16 000 Stellen, die zwischen Januar 1999 und Juni 2000 geschaffen wurden. Diese Zahl entspricht rund 23 Prozent der Zunahme der Beschäftigtenzahl in der gleichen Zeitperiode. Das heisst, mit unserer Umfrage haben wir rund ein Viertel der in der ganzen Wirtschaft neu geschaffenen Arbeitsplätze erfasst – und dieses Ergebnis ist von erheblicher statistischer Relevanz.
In der vierten Ausgabe unserer Arbeitsplatzumfrage feiern wir sozusagen eine Premiere: Erstmals belegt McDonald’s Suisse nicht den ersten Rang. Der amerikanische Fastfood-Gigant mit dem schweizerischen Hauptsitz in Crissier bei Lausanne gehört dennoch abermals zu den grossen Arbeitsplatzschaffern; mit einem Zuwachs um 510 auf 6243 Stellen belegt McDonald’s immer noch den fünften Rang unter den schweizerischen Unternehmen. Grund für das im Vergleich zu den Vorjahren bescheidenere Wachstum ist der etwas verlangsamte Ausbau des Filialnetzes. In den kommenden Jahren, wenn McDonald’s das frühere Tempo wieder aufnimmt und zudem die beiden geplanten Hotels in Betrieb nimmt, wird auch die Zahl der Arbeitsplätze wieder beschleunigt zunehmen.
Insgesamt zeichnet sich unsere diesjährige Rangliste der Arbeitsplatzschaffer (siehe Tabelle «Top 20: 9844 Arbeitsplätze» auf dieser Seite) durch zweierlei aus. Einerseits ist eine erfreuliche Konstanz festzustellen. Praktisch alle Unternehmen, die im Vorjahr in den vorderen Rängen zu finden waren, sind auch diesmal wieder dabei, wenn auch nicht unbedingt in den Spitzenpositionen: Von den top 20 des letzten Jahres haben es lediglich fünf abermals in die top 20 geschafft (McDonald’s, Also, die Raiffeisenbanken, Setz Gütertransport und KPMG); die übrigen 15 sind diesmal eher unter «ferner liefen» dabei, praktisch alle aber im ersten Drittel der Rangliste.
Umgekehrt glänzt die Rangliste der top 20 in diesem Jahr durch eine grosse Zahl von Neuzugängen – sei es, weil das Unternehmen einen grossen Sprung nach vorn gemacht hat, sei es, weil wir es im letzten Jahr nicht zu erfassen vermochten.
Zur letztgenannten Kategorie zählen insbesondere die drei Spitzenreiter des Rankings 2000: die Post sowie die Telekommunikationsunternehmen Diax und Orange. Allein diese drei Unternehmen haben zwischen Anfang 1999 und Mitte 2000 zusammen um nicht weniger als 5000 Arbeitsplätze zugelegt, was rund sieben Prozent des Wachstums der schweizerischen Erwerbstätigenzahl entspricht.
Besonders erstaunlich ist dabei die Performance des Arbeitsplatzchampions, der Post. Diese machte in den vergangenen Jahren, was den Arbeitsmarkt angeht, vor allem negative Schlagzeilen. Seit dem Aufbrechen der PTT in die Swisscom und die Post, der damit einhergehenden Liberalisierung des Marktes und der Teilprivatisierung der ehemaligen Monopolbetriebe war vor allem die Post unter erheblichen Druck geraten, was sich direkt auf den Personalbestand auswirkte.
Seit 1991 verzeichnete man einen kontinuierlichen Abbau. Er war einerseits bedingt durch die mit der Liberalisierung einhergehenden Strukturanpassungen, anderer- seits durch die rückläufige Konjunktur während des grössten Teils der Neunzigerjahre. Die Post mit ihren über 50 000 Mitarbeitern ist in hohem Masse abhängig vom Konjunkturverlauf. Bernhard Schmocker, Leiter Strategie und Führungsunterstützung, schätzt, dass das Arbeitsvolumen von rund 85 Prozent des Postpersonals direkt vom Verkehrsaufkommen abhängt. Und die Zahl der Briefe und Pakete, die quer durchs Land bewegt werden müssen, steigt und fällt eben mit dem Konjunkturverlauf. Folge: Von 1991 bis Anfang 1998 nahm der Personalbestand ab.
Erst mit der Wiederbelebung der Konjunktur ab Mitte 1998 beruhigte sich auch bei der Post die Personalsituation. Und mit den Problemen, die 1999 mit der Neustruk-turierung des Paketdienstes auftraten, erhöhte sich der Personalbedarf abermals. Kurz: Die Explosion der Arbeitsplätze bei der Post in den letzten anderthalb Jahren ist vor allem auf die verbesserte konjunkturelle Lage und auf Umstrukturierungsprobleme zurückzuführen. Sie weist noch nicht auf ein nachhaltiges Wachstum des ehemaligen Monopolbetriebs hin. Der diesmal ausgewiesene Zuwachs an Arbeitsplätzen, so warnt auch Bernhard Schmocker, werde sich in den nächsten Jahren nicht einfach fortsetzen lassen. Kommt hinzu, dass in den klassischen Bereichen der Post-Dienstleistungen die Konkurrenz stärker werden wird. Einerseits durch private Anbieter von Zustelldiensten, andererseits durch die Tatsache, dass der E-Mail-Verkehr dem herkömmlichen Briefverkehr das Wasser abgraben wird.
Nicht zuletzt unter diesem Aspekt sind auch die Bemühungen zu verstehen, der Post mit der Postbank sozusagen ein weiteres Standbein zu verschaffen. Dieses würde nicht nur der finanziellen Stabilisierung des Unternehmens dienen, sondern auch der personalpolitischen Verstetigung.
Überdies ist die grosse Zahl der neu geschaffenen Stellen bei der Post mit Vorsicht zu geniessen. Wer schon rund 50 000 Personen beschäftigt, tut sich leichter, um mehr als 2000 oder rund sechs Prozent zuzulegen als ein kleineres Unternehmen wie zum Beispiel das Transportunternehmen Setz, das um 213 Arbeitsplätze oder knapp 30 Prozent wachsen konnte.
Zur Kategorie der schnell wachsenden Unternehmen (siehe Tabelle «Die Schnellsten» auf Seite 176) gehören die beiden «Verfolger» der Post, die Telekommunikationsunternehmen Diax und Orange. Beide Unternehmen profitieren davon, dass sie in einem frisch liberalisierten Markt operieren und dem ehemaligen Monopolisten Swisscom Marktanteile wegschnappen. Dass unter diesen Rahmenbedingungen im Kampf um die künftige Marktposition der Personalbestand rasant wächst, versteht sich eigentlich von selbst. Dennoch: Die Diax verzeichnete mit einem Personalwachstum um 1262 Stellen eine Zuwachsrate von 195 Prozent, die Orange, die noch weniger lange im Markt ist, ein solches von 1112 Stellen oder 842 Prozent.
Allen drei Spitzenreitern gemeinsam ist, dass sie ihren Personalbestand vornehmlich im kundennahen Bereich ausgebaut haben, die Post in allen Funktionen, die mit der Zustellung zu tun haben, die beiden Telefonieunternehmen in ihren Call-Centers. Allen drei gemeinsam ist auch das Problem, technisch hoch qualifiziertes Personal zu bekommen, vor allem im IT-Bereich.
Das drückt sich unter anderem in der überaus hohen Zahl an offenen Stellen aus, die diese Unternehmen zu melden haben (siehe Tabelle «Mitarbeiter gesucht» auf Seite 172). Spitzenreiter ist dabei die Diax, die sage und schreibe 485 Stellen zu besetzen hat. Orange bringt es immerhin auf 150 offene Stellen. Und die Post auch noch auf 60 – wobei in dieser Zahl die Ausbaupläne in Richtung Postbank noch nicht berücksichtigt sind.
Insgesamt bietet die Rangliste der grössten Arbeitsplatzschaffer des Landes einen Querschnitt durch die gesamte schweizerische Unternehmenslandschaft. Es sind keineswegs nur die technologielastigen Unternehmen, die ihren Personalbestand in den letzten anderthalb Jahrend aufgebaut haben, auch wenn sie natürlich prominent vertreten sind. Massiv zugelegt haben auch die Banken und Versicherungen, wie der erstaunliche weitere Ausbau des Verbands der Raiffeisenbanken (Rang 4 mit einem Plus von 634 Arbeitsplätzen) und die Personalexpansion der Zürcher Kantonalbank (Rang 8, plus 288 Stellen) zeigen. Oder der Ausbau der Coop-Versicherung (Rang 22, plus 148 Stellen) und der Schweizerischen Mobiliar (Rang 33, plus 82 Stellen). Zugelegt haben auch Unternehmen des Gastgewerbes, darunter die notorische McDonald’s Suisse (Rang 5, plus 510 Stellen), aber auch mittlere Unternehmen wie das Hotel Hof Weissbad (Rang 88, plus 21 Stellen). Zu den wichtigen Arbeitplatzschaffern gehören aber auch etliche Handelsunternehmen wie der Autoimporteur Amag (Rang 13, plus 229 Stellen) und der Schuh- und Sportartikelhändler Dosenbach Ochsner (Rang 21, plus 149 Stellen), Industrieunternehmen wie der Metzgereikonzern Bell (Rang 19, plus 163 Stellen) oder der noble Uhrenfabrikant Jaeger-Le Coultre (Rang 31, plus 91 Stellen). Besonders erfreulich ist die grosse Zahl kleiner und sehr kleiner Unternehmen, die an unserer Umfrage teilgenommen haben (siehe Tabelle «280 Firmen – 15 300 Arbeitsplätze» auf Seite 175). In diese Liste haben wir, entgegen unserer ursprünglichen Ankündigung, auch jene Unternehmen aufgenommen, die in der Untersuchungsperiode erst gegründet wurden – auch wenn das mangels vergleichbarer Zahlen aus den Vorjahren ein wenig fragwürdig erscheinen mag.
Insgesamt waren wir erstaunt festzustellen, wie jung die schweizerischen Unternehmen sind – jedenfalls jene, die sich an unserer Umfrage beteiligt haben. Nur knapp über zehn Prozent der antwortenden Unternehmen sind noch im 19. Jahrhundert gegründet worden, aber fast 50 Prozent sind in den Jahren nach 1995 in den Markt eingetreten. Das zeigt zweierlei: Erstens widerlegt es die oft gehörte Behauptung, in der Schweiz herrsche ein unmögliches Klima für Firmengründer. Und zweitens bestätigt es die Vermutung, dass neu gegründete Unternehmen am Arbeitsmarkt sehr schnell wirksam werden.
Nun war der Betrachtungszeitraum, der unserer Untersuchung zu Grunde liegt (Januar 1999 bis Juni 2000), bestens geeignet, Arbeitsplatz-Champions zu schaffen. Nach einer langen Durststrecke setzte Mitte 1998 ein Aufschwung ein, der sich im Verlaufe des Jahres 1999 beschleunigte und heute, bei einem realen BIP-Wachstum von drei Prozent, wohl den Höhepunkt erreicht haben dürfte. Eine derartige Phase der Dynamisierung beflügelt alle Unternehmen, ihren Personalbestand auszubauen, zumal dann, wenn sie in der vorhergehenden Phase abbauten und nun einen Nachholbedarf haben. Kommt hinzu, dass die lange Rezessionsphase das Bewusstsein dafür geschärft hat, wie wichtig es ist, jungen Unternehmern eine Chance zu geben. Das heisst, dass Firmengründern heute die Finanzierung leichter gemacht wird als noch vor zehn Jahren, und das hat dazu geführt, dass unser Unternehmenssample im Jahre 2000 jünger ist als auch schon.
Wie virulent der Arbeitskräftemangel ist, geht ebenfalls aus unserer Umfrage hervor. Rund zwei Drittel der teilnehmenden Firmen geben an, über offene Stellen zu verfügen, 180 davon mit präzisen Zahlenangaben. Und diese Zahl ist beeindruckend: Die 180 Firmen bieten – Stichtag Ende Juni 2000 – mehr als 4000 offene Stellen an, 22 pro Unternehmen. Spitzenreiter in dieser Rangliste ist Diax (485 Stellen), gefolgt von Jaeger-Le Coultre (266), IBM Schweiz (200 bis 300), der Zürcher Kantonalbank (211) und PricewaterhouseCoopers (200).
Ein grosser Teil dieser Stellen wird wohl offen bleiben, denn gerade die Qualifikationen, die am dringendsten gebraucht werden, sind kaum mehr zu finden: Softwarespezialisten, IT-Berater, Techniker, Marketingfachleute. Der Mangel ist derart ausgeprägt, dass mittlerweile auch für Stellen des unteren Kaders Headhunter eingesetzt werden. Und die sind nicht billig: Um die Stelle eines IT-Beraters auf diese Weise zu besetzen, veranschlagt etwa Markus Zürni, Personalchef von Diax, Honorare von 30 000 bis 50 000 Franken.
Da läge es eigentlich nahe, die Spezialisten gleich selber auszubilden (siehe Tabelle «Lehrstellen-Champions» auf Seite 170). Doch das ist insbesondere für junge, schnell wachsende Unternehmen schwierig, die noch im Begriff sind, sich ihre Marktstellung aufzubauen. Dennoch haben sowohl Diax als auch Orange begonnen, eine Lehrlingsabteilung aufzubauen. Die Post als traditionsreiches Unternehmen ist da schon weiter. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, eine Lehrlingsabteilung zu betreiben, die drei Prozent des Personalbestands entspricht. Und mit 1120 Lehrstellen (plus 389) ist sie diesem Ziel schon sehr nahe.
Allen Unternehmen, die sich an unserer Umfrage beteiligt und dafür gesorgt haben, dass sie einen repräsentativen Überblick über den Zustand des Arbeitsmarktes Schweiz bietet, ist unser Dank gewiss. Aber auch alle anderen Unternehmen, kleine und grosse, die in den letzten anderthalb Jahren zusätzliche Stellen geschaffen haben, verdienen Anerkennung. Besonders natürlich die neuen Unternehmen, die im Berichtszeitraum gegründet worden sind. Sie sind die Hoffnungsträger für unsere wirtschaftliche Zukunft. Denn nur wenn es immer wieder «Wahnsinnige» gibt, die das Risiko auf sich nehmen, mit neuen Produkten oder Dienstleistungen den Kampf um Marktanteile aufzunehmen, kann sich unsere ganze Wirtschaft erneuern. Und nur wenn sie sich stetig erneuert, kann sie überleben. Davon mögen unsere eigenen Arbeitsplätze noch nicht unmittelbar betroffen sein – jene der künftigen Generationen aber ganz gewiss.