Die ersten Gerüchte gab es im vergangenen Herbst. In diesem Frühjahr wurden sie Wirklichkeit. Das iPhone 4 gibt es nun auch in Weiss. Der Ansturm auf die Shops war gewaltig.

Na und? Was soll an einem weissen Handy schon besonders sein?

In Wirklichkeit ist das weisse iPhone sozusagen ein Fanal. Es ist die finale Bestätigung eines Trends. Wir erleben, vom Lifestyle-Standpunkt betrachtet, derzeit einen prinzipiellen Wandel. Die schwarze Gesellschaft wird zur weissen Gesellschaft.

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Bis ins Jahr 2008 war die schwarze Gesellschaft absolut dominant. Alle Carreras und Cayennes waren schwarz. Alle Handys waren schwarz. Schwarz waren alle Sonnenbrillen, alle Golfhölzer, und wenn man einen Club betrat, wurde einem beim Blick auf die Anwesenden schwarz vor den Augen.

Die Wende begann mit den SUV. Erst gab es nur vereinzelte Weisslinge, von Mercedes und BMW, dann waren auf einmal alle neuen Geländewagen weiss. Nun kamen die weissen Sonnenbrillen, erst von Oakley, dann von Migros. Auf diese Saison brachte TaylorMade den ersten weissen Golfdriver auf den Markt. Jeder musste ihn haben. Mittlerweile kann man sich mit den alten, schwarzen Dingern kaum mehr auf dem Platz blicken lassen. Und es wird nicht mehr lange gehen, bis man sich ein Naserümpfen der Umstehenden gefallen lassen muss, wenn man ein schwarzes iPhone hervorkramt.

Wäre ich Kulturpessimist, würde ich sagen, der weisse Trend sei Ausdruck einer kollektiven Kompensation. Unsere Gesellschaft wird immer dunkler und schwärzer. Weiss wäre dann die euphemistische Gegenthese.

Tatsächlich hat Weiss etwas Besonderes. Es ist zwar, wie alle anderen Farben, aus den Wellenlängen Rot, Grün und Blau zusammengesetzt. Weiss ist aber, präzis definiert, eine unbunte Farbe. Ihre Buntheit ist gleich null, weil sie keine Sättigung an bestimmten Spektralfarben aufweist.

Das erklärt ihre Symbolik. Weiss ist die Farbe der Reinheit und Unschuld. Die weisse Flagge ist das Symbol der Kapitulation. Schwarz hingegen ist die Farbe des Todes. Mit Schwarz ist auch das Unerlaubte assoziiert. Man fährt schwarz, man arbeitet schwarz, man brennt schwarz.

Der grösste Unterschied besteht aber in der Wärmeleitfähigkeit. Schwarz nimmt Hitze viel stärker auf als Weiss. In schwarzen SUV wird es heisser als in weissen. Warum, so fragen wir uns, sind die Käfer in der Wüste schwarz? Es gibt fast nur schwarze Käfer in den Wüsten. Eigentlich ist das idiotisch. Erstens werden sie von ihren Feinden leicht erkannt. Zweitens werden sie in ihren schwarzen Panzern von der Sonne extrem aufgeheizt.

Die Käfer können nur überleben, weil sie schwarz sind. Tagsüber schwitzen sie zwar wie die Schweine, aber abends überleben sie genau deswegen. Denn Schwarz heizt sich nicht nur stärker auf als Weiss, sondern kühlt auch schneller ab. Abends kühlen darum die Käfer schneller ab als ihre Umgebung. Durch diesen Temperaturunterschied bildet sich Kondenswasser an ihren Härchen, das sie trinken können. Es ist die einzige Möglichkeit, in der trockenen Wüste an Wasser zu kommen.

Schwarz und Weiss, wie wir sehen, sind nicht schwarzweiss. Dennoch hat der aktuelle Trend zu Weiss durchaus seine positiven Seiten. Es wird Sommer, und ich steige in den Keller. Dort hängt mein italienischer Leinenanzug. Er ist knallweiss. Von 1998. Manchmal ist es eben doch vernünftig, die alten Kleider nicht einfach wegzuwerfen.

Kurt W. Zimmermann ist Verlagsunternehmer. Er ist Kolumnist und Buchautor zu den Themen Medien und Outdoor-Sport. Zudem studiert er Biologie.