Selbst, nachdem die Schweizerische Nationalbank (SNB) zuletzt das Zielband für den Leitzins gesenkt und gleich zweimal die Liquidität am Geldmarkt erhöht hatte, wurde die eidgenössische Währung stärker und stärker. Einen Höhepunkt erreichte sie, als am Dienstagabend mit einem Allzeittief von 1,007 Franken die Euro-Franken-Parität um ein Haar Realität wurde.
Doch dann hat ein Satz alles gedreht: «Alles ist möglich». Das gab SNB-Direktionsmitglied Jean-Pierre Danthine in einem Interview mit der Schweizer Zeitung «Le Temps» von sich – als Antwort auf die Frage, ob man sich bei der SNB eine Anbindung des Schweizer Franken an den Euro vorstellen könne.
Mehr als lautes Denken war das eigentlich nicht. Eine feste Anbindung an den Euro ist weiterhin ein äusserst unwahrscheinliches Szenario und sei, so Danthine, «weder politisch noch rechtlich» einfach umzusetzen. Trotzdem: die Märkte reagierten prompt. Schon am Donnerstagnachmittag gewannen Euro und Dollar gegenüber dem Franken sprunghaft an Wert. Am Freitag ging es weiter. Erstmals seit Anfang des Monats kletterte der Euro wieder über den Kurs von 1,10 Franken.
Der Markt hat’s begriffen
Warum die Aussagen solche Wirkung zeigen? «Der Markt hat verstanden, dass die SNB es ernst meint», so Devisenexperte Alex Hinder von der Vermögensberatung Hinder Asset Management. Die Marktteilnehmer würden nun sehen, dass es keinen Sinn mache, immer weiter Franken zu kaufen, da die Nationalbank früher oder später eingreift und den Höhenflug stoppt.
Auch Rudolf Minsch, Chefökonom von Economiesuisse, ist der Meinung, dass es höchste Zeit für die SNB wird, ihre Muskeln spielen zu lassen. Jetzt sei klar: «Wenn die SNB will, dann gewinnt sie in jedem Fall gegen den Markt». Eine fixe Anbindung des Franken an den Euro hält Minsch dennoch nicht für geeignet. «So ginge die eigenständige Geldpolitik der Schweiz vollends verloren». Als kurzfristige Massnahme ein Wechselkursziel als Untergrenze festzulegen, begrüsst er jedoch.
Rezept aus den 70ern
Eine solche Politik habe immerhin schon Ende der 70er Jahre Wirkung gezeigt. 1978 legte die Nationalbank ein formelles Wechselkursziel des Franken zur D-Mark fest. Die D-Mark solle «Deutlich über 80 Rappen» liegen. Mit dieser vorübergehenden Abkehr von den Geldmengenzielen erreichte die SNB, dass der Franken um rund zehn Prozent fiel. Und das Ziel von 80 Rappen blieb auch nach der Rückkehr zu den Geldmengenzielen in den Köpfen der Anleger haften.
Für Schweizer Unternehmen wäre laut Minsch eine ähnliche Massnahme also ein guter Schritt. «Geht es mit dem Wechselkurs auf so niedrigem Niveau weiter, wären die Auswirkungen für die Unternehmen frappant.» Schon jetzt würden die Unternehmen wegen des Kurses je nach Branche Verluste von bis zu einem Drittel verzeichnen. Und diese könnten sich noch stark erhöhen. «Alles unter 1,30 Franken ist schmerzhaft und führt zu existentiellen Problemen», so Minsch.
Auch für den Tourismus existentiell
Und nicht nur für die Industrieunternehmen ist der starke Franken eine Bedrohung, auch der Tourismus gerät unter Druck. «Wir hoffen auf einen Kurs von 1,30 bis 1,40, weil wir nur dann konkurrenzfähig sind», so Mario Lütolf, Direktor des Schweizer-Tourismus-Verbandes STV.
Zwar seien die Zahlen im laufenden Jahr noch zufriedenstellend. Die Buchungszahlen liegen nur knapp unter denen vom Vorjahr – vor allem aber dank vieler Gäste aus nicht-Euro-Ländern wie den USA oder Russland und vor allem Asien. Sorgen bereitet dem STV der kommende Winter. «Viele Stammgäste kommen aus dem Euro-Raum, da geht es sprichwörtlich um die Wurst.»
Ob sich die Lage nun entspannt, bleibt abzuwarten. Immerhin hängt es zum Teil auch davon ab, wie sich die Situation im Euroraum weiter entwickelt. Aber: «Der Franken ist nunmal keine Einbahnstrasse», so Hinder. Man ist umgeben von Euro-Ländern, da sei es logisch, dass die Schweizer Währung langfristig dem Euro folgen werde. Ebenso die – wenn auch geringe – Entspannung beim Goldpreis zeige, dass die Risikoaversion der Anleger ein bisschen nachlasse und man den Schweizer Franken weniger als «Sicheren Hafen» ansehe.