Der starke Franken scheint sich zum Hauptfeind der Schweizer Wirtschaft entwickelt zu haben. Gegenüber den Währungen der wichtigsten Handelspartner – vor allem Euro und Dollar – hat er sich seit Mitte 2007 um etwa 20 Prozent aufgewertet und damit unsere Produkte im Ausland verteuert. Doch hat sich diese zunehmende Stärke des Frankens auch wie erwartet negativ auf die Handelsbilanz ausgewirkt? Die überraschende Antwort lautet: nein!
Ganz im Gegenteil liegt der Saldo der Handelsbilanz seit 2008 praktisch konstant auf einem historischen Höchststand von rund 20 Milliarden Franken. Die Exporteinnahmen sind im Vergleich zu den Importausgaben wesentlich schneller gewachsen, obwohl unsere Produkte immer teurer wurden. Wie lässt sich dieses zunächst paradox anmutende Resultat erklären?
In Wirklichkeit ist die Verbesserung des Saldos der Handelsbilanz gar nicht so überraschend. Die Bilanz sollte sich nämlich nur dann bei der Verteuerung der einheimischen Währung verschlechtern, wenn Importe und Exporte stark auf Preisänderungen reagieren, wenn also sowohl die Elastizität der Nachfrage nach Exportgütern aus der Schweiz im Ausland als auch die Nachfrage nach Importgütern in der Schweiz gross ist. In diesem Fall führt eine Verteuerung der Exporte tatsächlich dazu, dass erheblich weniger exportiert wird, und die Verbilligung der Importe bewirkt andererseits eine wesentliche Zunahme der Einfuhren.
Sind die Elastizitäten hingegen gering, hat ein starker Franken gerade den gegenteiligen Effekt. In diesem Fall ändern sich die importierten und exportierten Mengen nur wenig, während sich die Importe relativ zu den Exporten laufend verbilligen. Dies führt dann zu einer Verbesserung der Handelsbilanz über die Terms of Trade, das heisst über das Verhältnis von Export- zu Importpreisen.
Tatsächlich kommen ökonometrische Schätzungen zum Resultat, dass die kurzfristige Preiselastizität der Nachfrage nach Schweizer Gütern im Ausland gering ist. Dies ist eine Folge davon, dass die Schweiz vor allem hoch spezialisierte Güter exportiert, bei denen nicht in erster Linie der Preis eine Rolle spielt, sondern die Qualität. Umgekehrt ist auch die Preis-elastizität der Nachfrage nach Importgütern in der Schweiz relativ klein, da hier Produkte wie Energieträger oder Chemikalien ins Gewicht fallen, die in der Produktion als Zwischenerzeugnisse benötigt werden, egal ob sie jetzt etwas teurer oder billiger sind.
Die Schweiz ist also einmal mehr ein Sonderfall. Ein Anstieg des Werts der heimischen Währung führt hierzulande nicht mehr zu einem Rückgang, sondern zu einem Anstieg der Exporterlöse. Allerdings trifft dies nicht auf alle Branchen zu, und einzelne von ihnen leiden durchaus unter der Frankenstärke. Namentlich für die Metall-, Investitionsgüter-, Nahrungsmittel- und Textilindustrie und auch für den Tourismus stellt die Frankenstärke ein Problem dar. Auf den Schweizer Käse oder die Ferien in der Schweiz kann man eben schnell einmal verzichten, wenn die Preise steigen. Ein spezielles Medikament oder ein nur in der Schweiz erhältliches Präzisionsinstrument hingegen braucht man auch dann.
Für die Mehrheit der Exporteure gibt es somit kaum Grund, sich über einen starken Franken zu beklagen.
Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz.