Seit dem 26. März haben wir es dank der Studie «Innovation Union Scoreboard 2013» der EU-Kommission einmal mehr bestätigt: Die Schweiz ist das innovativste Land Europas. Wie schon in den Vorjahren liess die Schweiz alle anderen europäischen Länder hinter sich und klassiert sich unangefochten an der Spitze.
Festgestellt wird dies jeweils anhand von 24 grossteils nicht sehr relevanten, aber gut messbaren Indikatoren. Diese betreffen etwa die Bereiche Human Resources (Verfügbarkeit von Hochqualifizierten), Finance and Support (Verfügbarkeit von Finanzen für innovative Projekte), Business Research and Development, Entrepreneurship, Urheberrechte, technologische und nichttechnologische Innovationen sowie ökonomische Effekte (Innovationserfolg in Beschäftigung, Export und Verkauf). Bei 20 der insgesamt 24 Indikatoren liegt die Schweiz über dem EU-Durchschnitt.
Dominanz im Bereich Human Resources
Besonders gross ist die Dominanz der Schweiz im Bereich Human Resources. Wir haben den höchsten Anteil von Doktoranden pro 1000 Einwohner – trotz geringer Maturitätsquote. Die Schweiz dominiert aber auch bei Indikatoren, die den quantitativen wissenschaftlichen Output betreffen. Wir haben, gemessen an der Bevölkerungszahl, einen grösseren Anteil an Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften und auch mehr Publikationen mit ausländischen Co-Autoren als sonst irgendein europäisches Land. Und diese Publikationen werden dann auch häufiger zitiert als die Publikationen aus dem Rest Europas. Schliesslich lässt sich in der Schweiz auch der höchste Anteil an Patentanmeldungen pro Million Einwohner feststellen, was besonders häufig als Beweis für unsere Innovationsfreude erwähnt wird.
Das klingt alles ganz beeindruckend, doch es gibt einen Haken: Die Innovationsfähigkeit der Schweiz hat immer weniger mit der Schweizer Bevölkerung selbst zu tun. Die hohe Anzahl von Doktoranden ergibt sich aus einem stets grösser werdenden Zustrom an Ausländern, die ihr Studium gerne mit einem Doktortitel der Uni St. Gallen oder der ETH aufpolieren wollen. So stammt unter den Doktoranden mittlerweile jeder zweite aus dem Ausland. Bei den Wirtschaftswissenschaften in St. Gallen liegt der Ausländeranteil sogar bei fast 70, in den Naturwissenschaften an der ETH Lausanne bei 68 Prozent.
Anteil ausländischer Professorenüber 50 Prozent
Ganz ähnlich verhält es sich auch mit den Forschenden selbst, die der Schweiz zu ihrem gewaltigen Publikations-Output verhelfen. Der Anteil ausländischer Professoren ist inzwischen auf über 50 Prozent angestiegen. In den technischen Wissenschaften belief sich der Anteil der neuen Professorinnen und Professoren ausländischer Nationalität zwischen 2008 und 2010 sogar auf durchschnittlich 80 Prozent, und in den Wirtschaftswissenschaften lag er bei 70 Prozent.
Und genau so ist es auch bei den grossen Schweizer Unternehmen, die den überwiegenden Anteil an Patenten anmelden. Laut einem Bericht des Zürcher Headhunters Guido Schilling stammen 45 Prozent der Führungskräfte in Schweizer Unternehmen aus dem Ausland – auch hier dürfte der Anteil bald über 50 Prozent liegen.
Die Schweiz gleicht in Sachen Forschung und Innovation immer mehr einem Fussballclub, der seinen Erfolg fast ausschliesslich seinen eingekauften Spielern verdankt. Schweizerinnen und Schweizer verlieren zunehmend den Anschluss und werden aus den innovativen Bereichen der Wirtschaft verdrängt. Diesem Trend gilt es zu trotzen.
Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz.