Die Weekend-Trips hatten es in sich. Während Studenten in St. Gallen oder Lausanne mal kurz auf den Säntis oder nach Paris reisen, sah das Programm bei Katja Berlinger (37) deutlich exotischer aus: «Mit dem Günstigflieger Air Asia erkundeten wir Bangkok, Kuala Lumpur und Bali. So lernt man die Kulturen in seinem Gebiet natürlich optimal kennen.»
Das Gebiet der Ostschweizerin war Südostasien, die am dynamischsten wachsende Wirtschaftsregion der Welt. Rechtsanwältin Berlinger, die heute als selbständige Beraterin und unabhängige Verwaltungsrätin in Küsnacht ZH arbeitet, profitierte stark von ihrem Insead-MBA, den sie 2004 und 2005 hauptsächlich in Singapur erlangte: «Dank der Schule in Fernost gelang es mir später, in China Kontakte zu festigen, die hohe Verlässlichkeit aufwiesen.»
Den Ritterschlag zum Master of Business Administration holte sich der hoffnungsvolle Nachwuchs jahrelang in den Top-Business-Schulen im Westen. Harvard, Wharton, Stanford, London Business School – das ist der Platin-Standard bei der Erlangung eines MBA-Titels. Der Wert der Ausbildung hängt erheblich von der besuchten Schule ab. Zwar liegen amerikanische und europäische Top-Unis weiterhin an der Spitze des MBA-Rankings der «Financial Times», doch China, Indien und die Tiger-Staaten holen auf.
Sechs Schulen mit Fernost-Campus rangieren bereits in den Top 30 der Liste (siehe Tabelle Seite 82). «Asiatische Schulen spielen Jahr für Jahr eine wichtigere Rolle im internationalen MBA-Markt», sagt Jukra Bes, die von Paris aus die QS World MBA Tour betreut, auf der sich weltweit führende Businessinstitute vorstellen.
«Besonders wertvoll war das Wahlfach Strategies for Asia Pacific»
«Asien und damit auch die Aus- und Weiterbildung in dieser Region sind für uns ein ganz wichtiges Thema», sagt auch Jürg Haefliger, Head Corporate Management Development beim Schaffhauser Industriekonzern Georg Fischer. Das Unternehmen, das im Fernen Osten gut 2700 Mitarbeitende beschäftigt, hat vor allem in China und Indien vermehrt Bedarf an Führungskräften. Haben diese ihren MBA ganz oder teilweise in der Region gemacht, bringen sie ein entscheidendes Asset ins Bewerbungsgespräch: Sie sind mit der uns so fremden fernöstlichen Kultur bereits vertraut.
Als Insead-Studentin war Katja Berlinger frei darin, wie sie die Zeit zwischen Far East und dem französischen Fontainebleau aufteilte. Sie setzte 60 Prozent auf dem jungen Campus in Singapur ein – und bereute es nicht. «Besonders wertvoll war das Wahlfach Strategies for Asia Pacific, in dem wir eigentliche Kulturwegweiser vermittelt bekamen und in Fallstudien die Denkweise in diesen Ländern besser verstehen lernten», sagt Berlinger.
In Business-Simulationsspielen traten Studenten gegeneinander an, nahmen die Rollen von Investoren, lokalen Unternehmen oder der Regierung ein, um so zu erfahren, wie man als ausländische Firma ohne existenzielle Komplikationen seine PS auf die asiatische Erfolgsstrasse bringt.
Teures Lehrstück
Während Berlinger mit dem Top-Namen Insead die Trümpfe von Ost und West im Kartenblatt hatte, setzte Thomas Meyer ganz auf Fernost. Der ETH-Ingenieur war zwischen 2000 und 2004 öfters für ein Schweizer Maschinenbauunternehmen in Asien unterwegs und danach in Hongkong am Start-up Lift.tv beteiligt – «mein später Beitrag zur Dotcom-Blase». Der Firma, die Geld verdienen wollte mit interaktiven Touchscreens in Aufzügen, habe es an Investitionskraft gefehlt, «dabei haben wir Kapital in der Grössenordnung von zehn Kleinwagen verloren». Nach diesem Lehrstück wanderte Meyer weiter nach Tokio, wo er 14 Monate im zentralen Forschungslabor des japanischen Elektronikkonzerns NEC tätig war.
Spätestens dort erinnerte er sich an einen BILANZ-Artikel, den er 2004 zur Seite gelegt hatte: «CEIBS: Mitten in Boomtown» lautete der Titel eines Beitrags über die China Europe International Business School in Shanghai und die Möglichkeiten, dort einen MBA zu erwerben. Was Thomas Meyer, heute 37, bei der Schulwahl ins Auge stach: «Die CEIBS war damals mit Kosten von 35 000 US-Dollar der weitaus attraktivste MBA beim Kriterium ‹Wert fürs Geld›.» Mit dem Aufschwung der Boomregion und von deren Schulen haben sich die Zahlen nach oben justiert, heute kostet der CEIBS-MBA knapp 50 000 Dollar.
Die Zeit der absoluten Schnäppchen-MBA sind definitiv vorbei. Was immer noch gilt: Oftmals haben Europäer gute Chancen, von einer asiatischen Business School ein Stipendium zu erhalten – weil man beispielsweise als Schweizer dazu beiträgt, den Diversity-Wert zu steigern, was der Universität Vorteile in Rankings einbringen kann.
Kurse in Business-Ethik
Seine Schulzeit in Shanghai zwischen 2008 und 2010, sagt Meyer, heute als Business-Unit-Leader in einer Schweizer IT-Unternehmensberatung tätig, habe ihn ein gutes Stück vorwärts gebracht: «Man trifft die asiatische Elite von morgen, lernt in Fallstudien, die sich auf chinesische Firmen beziehen, die Landespraxis kennen, und man erwirbt eine gewisse Guanxi-Kompetenz.» Also das Wechselspiel der persönlichen Beziehungen, ohne das in China nichts läuft: «Wer es etwa wagen sollte, eine Einladung zum Geschäftsessen abzusagen, muss wissen, dass er damit eventuell das ganze Business ruiniert.»
In Business-Ethik-Kursen erfahre man zusätzlich, wie sich das Geschäftsleben im Gestrüpp aus Politik, Business und Behörden gestalte. Und man lernt dabei auch die Stärken und Schwächen unserer künftigen Wettbewerber kennen: «Inder und Chinesen arbeiten und lernen extrem diszipliniert und analytisch, sie suchen dabei aber immer auch nach einem Rahmen, in den sie ihre Ideen einordnen können», ist Meyer aufgefallen. «Fehlt dieses Framework, wirken sie etwas verloren.»
Attraktive Dynamik. Lerneifer und Einsatz der Asiaten fielen auch Benno Jaeggi auf, als er «als Project Coach für Holcim ganz Asien abklapperte»: «In einer Fabrik in Vietnam erlebte ich, wie Arbeiter nach einer Zehnstundenschicht gleich noch in den Englischkurs gingen.» Nicht zu vergessen das rapide Wachstum: «Während die Zementindustrie in Westeuropa jährlich mit 0,5 Prozent wächst, waren es in Vietnam 25 Prozent. Wer eine solche Dynamik einmal erlebt hat, will nicht mehr zurück. Als ich mir MBA-Schulen anschaute, kam also nur Asien in Frage.»
«In Singapur holte ich mir das Rüstzeug»
Benno Jaeggi, heute 35, erwarb seinen MBA zwischen 2004 und 2006 an der Hong Kong University of Science & Technology UST – und profitiert selbst heute noch davon: «Man erhält ein Gefühl für die Region und die Mentalität der Leute. Das Networking und das Aufbauen persönlicher Beziehungen über ganz Asien sind dabei entscheidend für den späteren beruflichen Erfolg in dieser Gegend.»
Jaeggi, heute als Director Regional Business bei der australisch-neuseeländischen ANZ Banking Group in Hongkong tätig: «Ohne meine Kontakte in der Region und das Verständnis der Mentalität wäre es mir oftmals unmöglich, berufliche Probleme erfolgreich und effizient zu lösen.»
So sieht es auch Katja Berlinger. Als die Jungunternehmerin nach ihrer Insead-Zeit in Guangdong und Shenzhen den Beschaffungsmarkt für die Schweizer Sportbekleidungsfirma Outlyne aufbaute, kamen ihr die MBA-Learnings zupass: «In Singapur holte ich mir das Rüstzeug, um in der asiatischen Business Community mit dem notwendigen kulturellen Know-how, Selbstvertrauen und dem Verständnis strategischer Finessen auftreten zu können.»
Schwächen bei Softskills
«Wenn man während des Studiums wirklich in die Welt Asiens eintaucht und sich nicht nur auf einem abgeschotteten Campus bewegt, kann ein MBA-Studium in China oder anderen asiatischen Ländern sicher gewinnbringend für die Karriere sein», sagt die Berner Human-Resources-Beraterin Franziska Hügli (Hügli Consulting). Dass der kulturelle Aspekt beim Entscheid für oder gegen einen MBA in Asien dominieren muss, ist auch für Jürg Haefliger von Georg Fischer klar. Nur wegen des Inhalts lohne sich der Sprung nach Osten nicht. Das Niveau der bekanntesten Hochschulen in China oder anderen asiatischen Ländern ist zwar hoch, aber es gibt auch Schwächen.
«In klassischen Fächern wie Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre oder Marketing sind sie den Hochschulen des Westens ebenbürtig. Bei den Softskill-Themen wie Führungsstil oder Verhandlungstechnik sind amerikanische oder europäische Hochschulen aber deutlich innovativer», weiss der Personalfachmann.
Neben dem Insead-Ableger in Shanghai und der CEIBS zählt Jürg Haefliger in China vor allem die Tsinghua University und die Guanghua School of Management zu den Top-Adressen, mit denen man in Europa Anerkennung erfährt. Wichtig für die Bewertung eines MBA sei primär die staatliche Anerkennung des Lehrgangs, das internationale Renommée der Hochschule und das Gütesiegel, über das das Programm verfüge, heisst es bei der UBS. Haefliger warnt aber auch vor dem Kulturschock: Der enorme Lerneifer und Fleiss der asiatischen Kommilitonen könne Europäer enorm unter Druck setzen.
Fernost-MBA als Investition in die Zukunft
Sondieren kommt vor Studieren: «Ich habe mir die MBA-Liste der ‹Financial Times› angeschaut und dann vor allem die Publikation ‹Which MBA?› des ‹Economist› studiert», sagt Andreas Duerst (35), Legal Global Emerging Markets bei der UBS in Zürich.
Seine Wahl fiel, wie bei Thomas Meyer, auf die CEIBS in Shanghai. Neben dem erweiterten Horizont – «Shanghai wurde für mich ein zweites Zuhause» – sieht Duerst auch Benefits für seinen Arbeitgeber: «Mein Netzwerk, das Verständnis für die chinesische Währung, den Renminbi, das Verständnis dafür, dass Hongkong und Mainland China zwei rechtlich total verschiedene Umgebungen sind, sowie die Toleranz gegenüber einem sich ständig verändernden Umfeld.» Besonders lohne sich zusätzliches Engagement: «Ich war an der Schule Präsident einer CEIBS-Studenteninitiative über Innovation in China. Durch solche gemeinsame Aufgaben lernt man Chinesen meines Erachtens am besten kennen. Es führt zu einer Verbundenheit, die man durch soziale Events alleine nicht erreicht.»
Ein Fernost-MBA, da sind sich die vier Absolventen einig, ist eine Investition in die Zukunft. Wobei für die Enkel auch die eine oder andere fernöstliche Anekdote abfallen dürfte. Andreas Duerst erwähnt die Kantine auf dem Campus in Shanghai, wo ein Mittagessen 70 Rappen und das Professorenmenu 2 bis 3 Franken kostete. Wobei man auch auf das europäische Menu ausweichen konnte: «Man erhält dann aber auch mal Spaghetti mit Mayonnaise serviert.»
TopMBA:
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