Unlängst wanderten wirdrei Wochen lang durch einige abgelegene Täler Nepals und verfeinerten wieder einmal Hermann Hesses Kunst des Müssiggangs. Die Hauptorte Naar und Phu können nur nach mehrstündigen Märschen erreicht werden, sämtlicher Warentransport erfolgt auf dem Rücken von Maultieren oder Menschen. Darum ist die tibetisch-himalajische Kultur dieser Gegend bisher exemplarisch erhalten geblieben, einige wenige Touristen stören nicht und helfen den lokalen Bauern, etwas besser zu überleben. Wir waren Luxustouristen und beschäftigten zu zweit acht Mulis und neun Einheimische, vom Sherpa Guide über Kitchen Boys bis zu den Mauleseltreibern. Damit verschafften wir mindestens zehn Familien für drei Wochen ein Einkommen.

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Ich habe keine Mühe, diesen Geheimtipp für Trekking vom Feinsten bekannt zu machen, etwas mehr Tourismus verträgt die Region noch, zudem war ich jetzt schon dort und weiss weitere unberührte Orte.

Nach zwei bis drei Tagen des Gehens im Himalaja stellt sich die unendliche Leichtigkeit des Seins ein. Die Etappen von vier bis acht Stunden pro Tag sind bei normaler Gesundheit und Kondition gut bewältigbar, am Abend stellt sich wohlige Müdigkeit ein, die Küche liefert lokales Gemüse und in die Höhe getragene Hühner, die Wirtin reicht köstlichen Chang oder Rakshi. Die Bewohner des Himalaja beherrschen die Kunst, aus allen möglichen Früchten köstliche geistige Getränke zu brauen. Besonders erinnere ich mich da an einen früheren Trip in der winterlichen Mount-Everest-Region: Die Temperaturen bewirkten, dass sogar diese Gegend touristenfrei war, dafür herrschte eine Klarheit, die sonst nirgends mehr vorstellbar ist. Abends sassen wir um das rauchende Feuer aus Yakmist, assen die köstlichen Kartoffeln direkt aus der Glut und spülten mit Rakshi nach. Die wesentlichen Dinge sind einfach, Firlefanz entfällt.

Handy und Internetempfang existieren im Naar Phu Valley noch nicht, so ergibt sich das Privileg, für drei Wochen vom Geschwätz verschont zu bleiben, die eigenen Gedanken dürfen fliegen. Nach der Rückkehr ist die Mailbox zwar voll, geändert hat sich kaum etwas. Der Euro kriselt noch immer, die Streithähne und -hühner von Kanton und Stadt streiten sich weiter um die Herzmedizin, die Irren in Iran zentrifugieren noch immer, und der Regenwald schwindet schneller als je zuvor. Vielleicht ist Ihr Konto etwas hinauf- oder hinuntergegangen, aber Sie haben ja sowieso zu viel.

Falls Sie die Erkenntnis Ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit ertragen können, machen Sie im Sommer oder Herbst einen Trip in die Urwelt, Sie werden innert kurzer Zeit geläutert sein. Auch wenn Sie sich für sehr wichtig halten, erinnern Sie sich daran, dass die Friedhöfe mit solchen Leuten gefüllt sind. Wandern Sie durch Nepal oder Graubünden oder den Jura und seien Sie unerreichbar. Schreiben Sie bei der Wanderung Ihre eigene Grabrede: Woran soll man sich am Ende des Lebens erinnern, was möchten Sie, dass in der Erinnerung Ihrer Mitmenschen von Ihnen übrig bleibt? Oder verfassen Sie die Festrede zu Ihrem achtzigsten oder neunzigsten Geburtstag. Was haben Sie für Spuren hinterlassen?

Zudem schmecken nach Kartoffeln aus dem Yakmistfeuer auch die Bratwurst am Bellevue und die gefüllte Kalbsbrust der «Kronenhalle» noch besser. Sie können das geniessen, denn Sie haben drei Kilo abgenommen.

Prof. Dr. med. Oswald Oelz war bis Ende Juli 2006 Chefarzt für Innere Medizin am Triemli-Spital Zürich. Der Bergsteiger und Buchautor liess sich mit 63 Jahren pensionieren.