Es sind versöhnliche Worte, die Vincent Kaufmann an der Generalversammlung von LafargeHolcim gewählt hat. Er dankte Thomas Schmidheiny für dessen «grosses Engagement für Holcim und LafargeHolcim». Schmidheiny sei ein «verantwortungsbewusster Unternehmer» gewesen. Ein Mann mit Weitblick und Vision. 

Noch vor drei Jahren klang alles anders. Kaufmann warf Schmidheiny vor, eine unnötige Fusion durchzudrücken. Die Kultur der französischen Lafarge und der Schweizer Holcim würden nicht zusammenpassen, hiess es seinerzeit. In den Büchern von Lafarge würden grosse Risiken schlummern. Der Deal sei zu teuer.  

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Tempi passati. Mit dem Rücktritt von Schmidheiny aus dem Verwaltungsrat von LafargeHolcim findet selbst der grösste Kritiker lobende Worte. Zu gross sind die Verdienste der Zementdynastie. Zu erfolgreich sind die letzten fünf Jahrzehnte, in denen der Zementbaron das Unternehmen geprägt hat. Dabei zeigt sich: Der Industrieveteran ist nicht nur ein geschickter Geschäftsmann, sondern hatte auch immer wieder etwas Glück. Das sagt er im Gespräch mit der «International Cement Review» und der «Handelszeitung».

Einstieg ins Zementbusiness

Schmidheiny ist in der Ostschweiz aufgewachsen. In Appenzell Ausserrhoden ging er in die Kantonsschule. Den Einstieg ins Zementbusiness machte er in den USA. Es folgten Stationen in Mexiko und Peru. Schliesslich kam er zurück in die Schweiz, drückte die Schulbank in Lausanne und wurde zunächst Mitglied der Geschäftsleitung, dann Präsident des Holcim-Vorläufers Holderbank. 

Schmidheiny
Quelle: Keystone

Die wahre Feuerprobe brachte aber die Finanzkrise. Eine agressive Expansionsstrategie liess zahlreiche Firmen unter der Schuldenlast beinahe einstürzen. Holcim hielt sich über Wasser. «Mit purem Glück», sagt Schmidheiny. «Wir hatten selbst einen grossen Deal auf dem Tisch, den ich abgeblasen habe.» 

Es war ganz allgemein eine schwierige Zeit, erinnert er sich. Schmidheiny hätte verkaufen können. «Mindestens zehn Private-Equity-Firmen wollten meine Beteiligung kaufen. Ich hätte wohl 7 bis 8 Milliarden Franken lösen können.»

Der Ostschweizer entschied sich aber dagegen. Er suchte lieber nach einem Partner, um einen Koloss der Superlative zu zimmern. Über Monate verhandelte er mit dem mexikanischen Cemex-Konzern. Es wäre eine «wunderbare» Kombination gewesen, schwärmt Schmidheiny im Nachhinein. Aber der Deal kam «wegen der Arroganz der Mexikaner» nicht zustande. «Das ausserordentlich selbstsichere Management unter Lorenzo Zambrano wollte alles oder nichts», sagt Schmidheiny. «Unsere Rolle wäre die eines Trittbrettfahrers gewesen. Dies entsprach nicht unserer Vorstellung.»

Gegenwehr gegen Ausverkauf nach Moskau

Stattdessen kam die umstrittene Fusion mit Lafarge und ein Angriff aus dem Osten. Der Russe Filaret Galchev kaufte eine 12-Prozent-Beteiligung an Holcim und wollte sogar noch mehr. Das Unternehmen mit langer Schweizer Tradition hätte russisch werden sollen, ist Schmidheiny überzeugt. «Eine Perspektive, die ich nicht geteilt habe.» 

Schmidheiny
Quelle: Keystone

Schmidheiny wehrte sich gegen einen Ausverkauf nach Moskau und behielt erneut mit etwas Glück die Oberhand. Der Aktienkurs des neu fusionierten Kolosses LafargeHolcim rasselte in den Keller und machte Druck auf Galchev, der das Aktienpaket offenbar auf Kredit gekauft hat. Schliesslich war der Kurs so tief, dass Galchev gewzungen war, seine Beteiligung an die russische Sberbank abzutreten, welche dann innert Kürze die Papiere abermals verkaufte.  

Der Rest ist Geschichte. LafargeHolcim begann mit der Aufräumarbeit nach der Fusion. Wegen der Syrien-Affäre und Unstimmigkeiten im Management kam es zu diversen Rotationen an der Konzernspitze. Seit letztem Herbst führt nun Jan Jenisch das Unternehmen – ein Manager mit «Vision und Mission», sagt Schmidheiny. Er habe eine Aussenperspektive, sein Herz hänge nicht an einem Zementwerk oder einer Region. «Ganz im Gegenteil zu mir», so der 72-Jährige. 

Jenisch mistet aus und spart

Jenisch mistet radikal aus, spart selbst am Sitz in Zürich. «Mit einer allzu aggressiven Expansion hat sich die gesamte Industrie heftige Verdauungsprobleme eingehandelt», sagt Schmidheiny dazu. Das sei aber nur der Anfang. «Nach einer Phase strammer Kostensenkungsprogramme und Devestitionen werden in Zukunft unternehmerische Visionen gefragt sein», so Schmidheiny. Jan Jenisch habe mit Sika bewiesen, dass er das kann. 

Eine grosse Herausforderung lauert alsdann auch im fernen Osten. «Die chinesischen Anbieter verfügen über einen gigantischen Heimmarkt», sagt Schmidheiny. Kommt dazu, dass sie auch Kapazitäten andernorts aufbauen könnten. Dann würde Schmidheiny erneut zum Stellungskrieg blasen und sagen: «Das ist unfairer Wettbewerb.»