Nassef Sawiris verlässt den Verwaltungsrat von LafargeHolcim, wie der weltgrösste Zementkonzern am Donnerstagmorgen bekanntgab. Damit scheidet der reichste Ägypter aus dem strategischen Gremium des schweizerisch-französischen Unternehmens. Sawiris war zusammen mit Thomas Schmidheiny eine prägende Kraft hinter der Fusion von Lafarge und Holcim. Er war auch mitentscheidend für die Installation von Jan Jenisch als Chef. 

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Der Rückzug folgt auf den Rückbau der Beteiligung. Sawiris hat in den letzten Wochen des vergangenen Jahres kräftig an seiner Aktienposition geschraubt. Kurz nach der Hochzeit von Lafarge und Holcim war er der drittgrösste Aktionär – hinter Thomas Schmidheiny und der belgischen Beteiligungsgesellschaft Groupe Bruxelles Lambert(GBL). Sawiris hielt 30 Millionen Papiere. 

Mittlerweile hat er zwei Drittel seiner damaligen Position, die über 1 Milliarde wert war, abgebaut. Laut Geschäftsbericht hält der Ägypter, dessen Vermögen von «Forbes» auf über 7 Milliarden Franken geschätzt wird, nur noch 9,5 Millionen Aktien. Für weitere 17 Millionen Aktien hält er Call-Optionen. 

Geschickter Deal mit Lafarge

Sawiris, der Bruder von Andermatt-Investor Samih Sawiris, stiess einst zu Lafarge, indem er seine ägyptische Zementfirma an die Franzosen verkaufte. Er löste dafür einen Milliardenbetrag. Lafarge gab neue Aktien heraus und verschuldete sich. Man stärke die Präsenz in den aufstrebenden Märkten, hiess es seinerzeit. 

Drei neue Verwaltungsräte für LafargeHolcim

Der LafargeHolcim-Generalversammlung im Mai werden mit Colin Hall, Naina Lal Kidwai und Claudia Sender Ramirez drei neue Mitglieder zur Wahl vorgeschlagen. Nicht mehr zur Wahl antreten werden Nassef Sawiris und Gérard Lamarche.

Colin Hall ersetzt Gérard Lamarche als Vertreter der Groupe Bruxelles Lambert, dem zweitwichtigsten Aktionär von LafargeHolcim. Er bringt umfangreiche Erfahrung auf den internationalen Finanzmärkten in den Verwaltungsrat ein.

Naina Lal Kidwai gehört zu Indiens erfolgreichsten Wirtschaftsführerinnen und hatte Leitungspositionen bei der ANZ Grindleys Bank und HSBC inne. Als Inderin vertritt sie den wichtigsten Markt von LafargeHolcim.

Claudia Sender Ramirez verfügt über Erfahrungen in den Bereichen Marketing und Emerging Markets, die sie in Führungspositionen bei der LATAM Airlines Group und Whirlpool in Lateinamerika gesammelt hat.

Im Nachhinein zeigt sich: Sawiris hat mit den Franzosen einen grossartigen Deal ausgehandelt. Der Unternehmer mit Wirtschaftsabschluss von der renommierten University of Chicago, Heimat von der ökonomischen Denke eines Milton Friedmans, hat Milliarden erhalten für das Zementgeschäft in Nordafrika und im Nahen Osten – kurz vor der Finanzkrise, kurz vor dem Ausbruch des arabischen Frühlings. 

Seither ist die Region das Sorgenkind, zunächst von Lafarge, dann von LafargeHolcim. Statt Marge zu klotzen, hat die Region das Unternehmen in ein Strafverfahren geführt. Hintergrund sind mutmassliche Zahlungen an terroristische Organisationen in Syrien. Seit Juni 2018 ist die Firma Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens. Gegen das «Fehlverhalten einzelner Personen», wie es im Jahresbericht heisst, wurde Anklage erhoben. LafargeHolcim musste eine Kaution in Höhe von 30 Millionen Euro hinterlegen. 

Tourismus, Zement, Industrie: Der Sawiris-Clan

Den Grundstein für das ägyptische Imperium legte Vater Onsi Sawiris. In jungen Jahren erlebte er, wie das Königreich Ägypten die britische Herrschaft abschüttelte, das faschistische Italien im Zweiten Weltkrieg das Nil-Land zu erobern versuchte, Ägypten den Palästinakrieg verlor und Nasser zum Präsidenten aufstieg. Seine erste Baufirma gründete er 1950 – mit 20 Jahren.

Das Geschäft florierte, Onsi baute Strassen und Kanäle und erzielte so die ersten Millionen. 1961 verstaatlichte Nasser die Firma. Onsi Sawiris blieb als Staatsangestellter bis 1966 in Kairo, setzte sich dann nach Libyen ab, wo er eine neue Firma gründete und abermals enteignet wurde. 1972 kehrte er zurück nach Kairo und gründete mit fünf Angestellten die Firma Orascom.

Die Kinder Naguib, Samih und Nassef – geboren 1954, 1957 und 1961 – blieben die ganze Zeit über mit der Mutter in Kairo. Die drei Sprösslinge schlossen die Deutsche Evangelische Oberschule ab. Der älteste, Naguib, ging anschliessend nach Zürich, um an der ETH Maschinenbau zu studieren. Samih zog es für ein Studium der Ingenieurwissenschaften nach Berlin. Nassef erwarb einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften an der University of Chicago.

Nassef Sawiris ist mittlerweile der Vermögendste im ägyptischen Familienclan. Samih Sawiris leidet unter der ägyptischen Tourismuskrise. Sie hat sein Vermögen schmelzen lassen, ihn aber auch vorsichtiger gemacht. Mehr zu seiner Person lesen Sie hier. Und mehr zu seinem Unternehmen Orascom und dem Geschäft in Andermatt hier.

«Lafarge SA hat diese Anklage im Dezember 2018 angefochten, da diese nach Ansicht des Unternehmens die Verantwortlichkeiten von Lafarge SA nicht angemessen wiedergibt», heisst es weiter im Geschäftsbericht. LafargeHolcim habe beschlossen, vorsorglich eine Rückstellung in Höhe von 35 Millionen Franken zu bilden. Weitere «wesentliche negative finanzielle Auswirkungen» werden nicht erwartet. 

Schwieriges Erbe

Das Werk in Syrien, das LafargeHolcim nun Probleme bereitet, stammt aus dem Portfolio von Sawiris – dem Portfolio wohlgemerkt, für das Lafarge seinerzeit umgerechnet 14,6 Milliarden Franken zahlte. Und es ist emblematisch für die Probleme der Region. LafargeHolcim tut sich so schwer in der Gegend, dass sogar ein Verkauf der Assets diskutiert wird, wie Bloomberg unlängst berichtete. 

CEO Jan Jenisch spricht anlaesslich der Bilanzmedienkonferenz von Sika, am Freitag, 24. Februar 2017, in Zuerich. Der Baustoffhersteller hat nach dem Umsatz auch den Gewinn auf den hoechsten Stand der Unternehmensgeschichte geschraubt. Unter dem Strich blieben im vergangenen Geschaeftsjahr 566,6 Millionen Franken. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

Jan Jenisch: Unter anderem auf Wunsch von Nassef Sawiris CEO von LafargeHolcim.

Quelle: © KEYSTONE / ENNIO LEANZA

Ein schwaches Wachstum der Volkswirtschaften drückt auf das Geschäft, der Verkaufserlös sank im vergangenen Jahr sogar um über vier Prozent. Von «überversorgten Märkten» ist die Rede im Geschäftsbericht. Erwähnt werden Algerien, Irak, Libanon, Ägypten. Alles einstige, vermeintliche Perlen aus dem Sawiris-Deal. 

Der Gewinn vor Abschreibungen in der Region hat sich noch schlechter entwickelt. Minus 28 Prozent. Hohe Energie- und Vertriebskosten haben das Wachstum zusätzlich ausgebremst – und damit für wenig Heiterkeit bei CEO Jan Jenisch gesorgt. Denn Jenisch hat das Unternehmen klar auf Wachstum ausgerichtet hat, das Erbe von Sawiris hat da einen schweren Stand.