Jetzt verzichtet auch die China Railway Construction Corp. auf eine Zusammenarbeit mit der UBS: Sie wähle für ihre geplante Dollar-Bond-Platzierung eine andere Bank, teilte die Staatsfirma am Montag mit. Schon in den Vortagen hatten mehrere chinesische Firmen angedroht, ihre Beziehung zur Schweizer Grossbank abzubrechen.

Und dies wegen exakt zwei Sätzen. Geäussert hatte sie Paul Donovan, der Global Chief Economist der Wealth-Management-Division. In seinem täglichen Kommentar zum globalen Wirtschaftsgeschehen thematisierte er die Konsumentenpreise; oder genauer: Er griff die tödliche Schweinegrippe auf, die derzeit in China grassiert. Wie wirkt sich das auf die Verbraucher aus? Wie ernst muss man diese Seuche nehmen?

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Donovans Antwort: «Sie ist wichtig, wenn Sie ein chinesisches Schwein sind. Sie ist wichtig, wenn Sie gern Schweinefleisch in China essen. Für den Rest der Welt ist sie nicht so wichtig.»

Oder im Original: «It matters if you are a Chinese pig. It matters if you like eating pork in China. It does not really matter to the rest of the world.»

Das genügte. Umgehend hagelte es in China und Hongkong empörte Kritik am UBS-Ökonomen, es kam zu Boykottaufrufen und einem ausgemachten «Shitstorm» auf Weibo. Donovan wurde beurlaubt, seine Karriere dürfte schwer beschädigt sein.

Dabei wirkt seine Aussage harmlos für jeden, der halbwegs Englisch versteht, und sie ist wohl auch fachlich korrekt.

Doch der heikle Satz ist leicht ironisch, so wie es üblich war im Podcast und in den Kommentaren des britischen Ökonomen: Anders als die meisten Bank-Analysten betete Donovan nicht einfach Charts und Zahlentabellen herunter, sondern er sichtete im Wirtschaftsgeschehen menschliche Schwächen, Irrungen und Verzerrungen in der Wahrnehmung. Worauf er solche Mängel gern ein bisschen aufs Korn nahm, subtil, very british. 

«Ironie versteht das World Wide Web nicht. Im elektronischen Verkehr hat der Mensch vielfach Probleme, ein Augenzwinkern zu erkennen.»

Hier liegt das Problem. Ironie versteht das World Wide Web nicht. Ob in Social Media oder per Mail – der Mensch hat vielfach Probleme, im elektronischen Verkehr ein Augenzwinkern zu erkennen. Was nebenbei den Erfolg der Emojis erklärt: Sie dienen als Krücken.

Kommt hinzu, dass Donovans Sätzchen in eine sehr fremde Sprache übersetzt wurden, wobei Tiere und Menschen am Ende wohl identischer wirkten als gesagt: Das «chinesische Schwein» liess sich auf der anderen Seite der Erdkugel kaum noch von einem «Chinesenschwein» unterscheiden (beide Male: 中國豬, Zhōngguó zhū). Gut möglich, dass nur eine leichte Umformulierung genügt hätte – und das ganze Schlamassel wäre ausgeblieben. 

Missverständnis? Schlechte Übersetzung?

Und so stellte sich auch ein Linguist der Universität Hong Kong hinter den angeschossenen UBS-Ökonomen: «Die wahrgenommene Beleidigung entstammte entweder einem Missverständnis des englischen Textes durch einen Fremdsprachigen oder einer schlechten Übersetzung ins Chinesische», sagte Stephen Matthews in der «Financial Times». «So oder so ist es nicht der Fehler des Autors.»

Zwei Erklärungen finden sich für die Aufregung. Erstens: China verlangt Respekt, viel Respekt. Die alte Weltmacht besinnt sich zurück auf ihre Bedeutung und ihren Nimbus. Dazu gehört eben auch, dass das Gefühl verarbeitet wird, China sei nun ein Jahrhundert lang vom Westen erniedrigt worden – nun aber muss Schluss sein damit. Da ist man dünnhäutig.

Die zweite These: Die Ohrfeigen, welche die UBS hier einstecken muss, werden ganz gezielt ausgeteilt. Vor dem Hintergrund des Handelsstreits mit den Amerikanern bekommt eine westliche Firma theatralisch zu spüren, dass man es hier mit einem heiklen Partner zu tun hat. Seht an, so die Lektion: Es kann jeden treffen (selbst eine Schweizer Bank, die in China ein überaus gutes Standing hat). Es braucht ganz wenig – und raus bist du.

Für die erste These spricht, dass der Schweine-Satz auch in Hong Kong für viel Abscheu sorgte. Für die zweite, dass die «Global Times» in Beijing eifrig mitmachte bei der Bewirtschaftung der Empörung, mithin ein internationales Propaganda-Instrument der KP.

Es gibt nicht nur die westliche «Political Correctness»

Was lässt sich aus dem Fall lernen? Zum Beispiel, dass meterlange Disclaimer am Ende eines Anlagebriefs nur sehr begrenzten Schutz bieten.

Oder dass neben dem zunehmend engen Korsett der westlichen Political Correctness auch die Subtexte in der Wahrnehmung durch fremde Kulturen immer stärker zu beachten sind. Ganz abgesehen von der alten Gefahr, dass jede Übersetzung fatale Verdrehungen enthalten kann.

Und schliesslich müssen wir damit rechnen, dass all die Investment-Papers, «Morning Briefings» und CIO-Ausblicke dieser Welt noch trockener werden als sie eh schon sind. Man wird Paul Donovan vermissen.